Mobilität

29-Euro-Ticket für Berlin: Warum es wohl nicht wiederkommen wird

Ein Herzensprojekt der Sozialdemokraten ist in der Sackgasse. Nun erklärt eine CDU-Politikerin, wie sehr das Ticket Berlins Landeshaushalt belasten würde.

Ein Zug der Berliner S-Bahn. In der Hauptstadt wird der Nahverkehr schon rege genutzt – oft mit dem Deutschlandticket. Braucht es da noch ein 29-Euro-Monatsticket, das nur in Berlin gilt?
Ein Zug der Berliner S-Bahn. In der Hauptstadt wird der Nahverkehr schon rege genutzt – oft mit dem Deutschlandticket. Braucht es da noch ein 29-Euro-Monatsticket, das nur in Berlin gilt?Monika Skolimowska/dpa

Eigentlich ist die Sache klar. Brandenburg will kein 29-Euro-Ticket für Berlin mehr – da kann sich die Hauptstadt-SPD noch so vehement für die Wiederauflage einsetzen. Das Projekt, mit dem die Sozialdemokraten im Wahlkampf für die Wiederholungswahl punkten wollten, ist in der Sackgasse. Das lässt sich aus der Antwort destillieren, mit der die CDU-geführte Senatsverwaltung für Mobilität jetzt auf eine Anfrage der Grünen reagiert hat. Dort ist auch eine neue Schätzung zu lesen, wie viel ein solches Monatsticket kosten würde: bis zu 335 Millionen Euro im Jahr. Es entsteht der Eindruck, als ob auch beim Partner der SPD in den großen Koalition, der CDU, die Skepsis wächst.

Ganz Berlin für nur 29 Euro: Dieses Tarifangebot hatte die Hauptstadt im vergangenen Jahr im Verkehrsverband Berlin-Brandenburg (VBB) durchgeboxt. Angetrieben wurde das Projekt von der Berliner SPD mit der damaligen Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey an der Spitze. Doch das Land Brandenburg zeigte sich von Anfang an skeptisch. Es ließ zwar eine Verlängerung zu – doch Ende April war nach sieben Monaten Schluss. Anfang Mai kam das Deutschlandticket für 49 Euro im Monat, mit dem man allerdings bundesweit fast den ganzen Nah- und Regionalverkehr nutzen darf. Nicht zu vergessen das Deutschlandticket Job für Berufstätige für maximal 34,30 Euro im Monat.

Das 29-Euro-Ticket für Berlin nehme den ohnehin klammen Verkehrsbetrieben in ihrem Bundesland Fahrgäste und damit Einnahmen weg, argumentierten die Brandenburger. Pendler kündigen ihr Abo im Speckgürtel und wechseln zum Berliner Billigticket. Befürchtet wurde auch, dass Brandenburger ebenfalls eine solche Ermäßigung fordern werden. Dabei bringe allein schon das Deutschlandticket, das von den Bundesländern mitzufinanzieren ist, derzeit noch unwägbare Finanzrisiken mit sich, heißt es

Dass die Brandenburger eine Wiederaufnahme des Berliner Spezialangebots kritisch sehen, haben sie den Hauptstädtern oft genug signalisiert. Die Tarifgemeinschaft stünde auf der Kippe, wenn es zum Alleingang käme – und damit der Verkehrsverbund VBB, von dem auch Berliner profitieren. Auch wenn Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) und ihr Team in der Senatsverwaltung von den Problemen wissen: Nach außen hält der Senat bis heute den Anschein aufrecht, dass das 29-Euro-Ticket wieder kommen könnte. 

Kein Zeitplan, kein Termin für ein Ergebnis

Das zeigt die Antwort der Staatssekretärin Claudia Elif Stutz (CDU) auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Oda Hassepaß. „Erste Gespräche über ein dauerhaftes Angebot eines 29-Euro-Tickets wurden im Winter 2022/2023 aufgenommen“, so Stutz in der noch nicht veröffentlichten Drucksache des Abgeordnetenhauses. „Seitdem laufen kontinuierlich Gespräche auf verschiedenen Ebenen. Die letzten Gespräche haben in der 22. Kalenderwoche 2023 auf Staatssekretärsebene stattgefunden.“

Ein Zeitplan, wie es weitergeht, wird ebenso wenig genannt wie ein Termin, zu dem die Senatsverwaltung ein Ergebnis anstrebt. Nicht einmal die Position, mit der Berlin in die Gespräche ging und weiterhin gehen will, wird erläutert. „Es bestehen keine pauschalen Positionierungen der Gesprächspartner“, teilte die Staatssekretärin mit.

Immerhin informierte Stutz darüber, wie die seit Ende April von der CDU geleitete Verwaltung derzeit die möglichen Kosten des 29-Euro-Tickets für Berlin einschätzt. „Ein 29-Euro-Ticket Berlin AB verursacht abhängig von seiner konkreten Ausgestaltung nach gegenwärtigem Stand Kosten in einer voraussichtlichen Größenordnung von circa 250 Millionen bis circa 335 Millionen Euro pro Jahr“, so die Senatspolitikerin.

Im März, als die Mobilitätssenatorin noch Bettina Jarasch hieß und den Grünen angehörte, waren die nötigen Zuschüsse für Umweltkarten-Abos auf 276 Millionen bis 302 Millionen Euro pro Jahr geschätzt worden. Diese Rechnung enthielt übrigens noch einen weiteren Posten. Denn als reguläres unbefristetes Angebot würde das 29-Euro-Ticket bei anderen Kundengruppen zu Begehrlichkeiten führen, hieß es damals. Der Druck würde wachsen, auch Zeitkarten für Senioren, Azubis, Studierende und Empfänger von Transferleistungen zu verbilligen. Je nachdem, in welchem Maße der Senat auch diese Tarife senkt, würden die jährlichen Kosten zwischen 33 Millionen und 168 Millionen Euro betragen, hieß es. Unterm Strich würde das 29-Euro-Ticket den Landesetat fast mit einer halben Milliarden Euro pro Jahr belasten, so die Bilanz.

Hamburger Schüler dürfen bundesweit fahren – für nur 60 Cent pro Tag

In anderen Städten gehen die Verantwortlichen einen anderen Weg. Anstatt lokale Sondertarife zu finanzieren, wird dort bestimmten Kundengruppen das Deutschlandticket zu ermäßigten Preisen verkauft – das auch für sie nicht nur im Stadtgebiet, sondern bundesweit gilt. So können in Hamburg Schüler und Bezieher von Transferleistungen für 19 Euro im Monat fast den gesamten Nah- und Regionalverkehr nutzen. Auszubildende bekommen das Deutschlandticket für 29 Euro im Monat. 

Der Senat hat errechnet, wie viel ein vergleichbares Modell in Berlin kosten würden. „Ein 29-Euro-Ticket für bestimmte Personengruppen verursacht abhängig von der Personengruppe Kosten in einer voraussichtlichen Größenordnung von circa 27 bis 50 Millionen Euro pro Jahr“, teilte Staatssekretärin Stutz mit.

Der Berliner Landesverband für Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) setzt sich dafür ein, Berliner Azubis, Studierenden, Senioren, ALG-I-Beziehenden und gering verdienenden Selbstständigen ein rabattiertes Deutschlandticket zu gewähren. Vorschlag: 29 Euro pro Monat. Berufstätige würden bereits vom Deutschlandticket Job profitieren. Bei dieser Form des Firmentickets müssten pro Monat maximal 34,30 Euro gezahlt werden – oder noch weniger, wenn der Arbeitgeber höhere Zuschüsse beisteuert. Eine „Gießkannenlösung“, wie sie die SPD fürs 29-Euro-Ticket anstrebe, sei ungerecht.

„Sozial und wirtschaftlich wäre es richtig, die Ermäßigungen des Deutschlandtickets auf 29 Euro für bestimmte Nutzer:innen schnell umzusetzen“, kommentierte Oda Hassepaß, die verkehrspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin. „Menschen, die besonders von einem günstigen Deutschlandticket profitieren würden, werden in Berlin von SPD und CDU hängen gelassen. Andere Städte machen es vor, Berlin hängt sich ab.“ Der Senat müsse nun endlich in diesem Sinne handeln.