Vom Mercedes-Maybach bis zur Coca-Cola-Büchse: Über Drittländer kommen immer noch sanktionierte Luxus- wie auch Alltagsgüter nach Russland. Insbesondere durch das zentralasiatische Kasachstan – das neuntgrößte Land der Erde – sollen westliche Waren ins Landesinnere der Russischen Föderation in Form von sogenannten Parallel-Importen gelangen. Eine amerikanische Beamtin droht Astana deshalb mit Konsequenzen.
„Wir müssen die Tatsache sehr ernst nehmen, dass Russland sich sehr bemüht, Sanktionen zu umgehen“, sagte Elizabeth Rosenberg am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Astana und bemängelte, dass die Russen dabei „ziemlich erfolgreich waren“. Die stellvertretende Sekretärin für Terrorismusfinanzierung und Finanzkriminalität im Finanzministerium der USA tourt derzeit durch Zentralasien und kritisiert den stark angestiegenen Export nach Russland. Demnach drohen sowohl der Regierung in Astana als auch kasachischen Unternehmen und Banken sogenannte Sekundärsanktionen, also Sanktionen gegen Länder, die Russland bei der Umgehung der Sanktionen helfen.
Laut der Beamtin sollte Kasachstan die Sanktionsumgehung Moskaus erst nehmen sowie die Tatsache, dass der zentralasiatische Staat dafür ausgenutzt wird. Kasachstan besitzt im Norden eine über 7000 Kilometer lange Landgrenze zu Russland: die weltweit längste zusammenhängende Grenze der Erde. Rosenberg fügte hinzu, dass die amerikanische Regierung potenzielle Folgen der Umgehung der Russland-Sanktionen der kasachischen Regierung mitgeteilt habe. Damit ist wohl auch die Verhängung von Sekundärsanktionen gemeint.
Parallel-Importe nach Russland: Drohen Kasachstan nun Sanktionen?
Sekundärsanktionen sind bisher ein typisch amerikanisches Phänomen, bei dem die Wirkung von Primärsanktionen verstärkt werden soll. Somit soll zusätzlicher Druck auf Drittstaaten erzeugt werden – in diesem Fall auf Kasachstan. Beugen sich die Regierungen und Unternehmen von Drittstaaten nicht den Forderungen, müssen auch sie Sanktionen in abgespeckter Form befürchten.
Zudem hat Matthew Axelrod, ein ranghoher Beamter im amerikanischen Handelsministerium, das Gespräch mit der Regierung in Astana gesucht. „Wir sprechen über eine Liste von Waren, die uns die größte Sorge bereiten“, sagte Axelrod auf der Pressekonferenz in Astana. Washington konzentriere sich auf Waren wie Computerchips oder Elemente, die in elektronischen Systemen verwendet werden: Beispielsweise für russische Militärtechnik, die im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden könne.
„Wir sprechen nicht über iPhones, nicht über Waschmaschinen, sondern über bestimmte Elemente der Computertechnologie, die der Stromversorgung sowie der Navigation von Flugkörpern und Drohnen dienen“, so Axelrod. Kasachstan sei jedoch nicht das einzige Land der Region, das für die Umgehung von Sanktionen von Moskau „ausgenutzt“ werde. In den kommenden Tagen wird eine Delegation aus Washington noch ins kirgisische Bischkek reisen und ähnliche Forderungen stellen.

Auch Armenien und die Türkei haben Russland wohl bei der Umgehung der Sanktionen geholfen
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat die westliche Staatengemeinschaft mehrere Sanktionspakete gegen Moskau erlassen, allein die Europäische Union hat bisher 1473 Einzelpersonen und 207 Organisationen mit Sanktionen belegt. Mehrere Dutzend Firmen haben im vergangenen Frühjahr den russischen Markt verlassen, aber nicht alle. Auch die EU-Kommission hat Ende Februar mit dem bisher letzten Sanktionspaket gegen Russland versprochen, „den Druck auf jene, die die Sanktionen umgehen“, zu erhöhen.
Nicht nur Behörden aus den Vereinigten Staaten und die EU haben die Missstände erkannt: Auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) hat die Umgehung der Russland-Sanktionen erforscht. Demnach sind zwar die westlichen Exporte nach Russland 2022 deutlich gesunken, in Länder wie Kasachstan, Kirgistan, Armenien und die Türkei dagegen stark gestiegen. Der Export von westlichen Waren aus den Drittstaaten nach Russland ist seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine ebenfalls sprunghaft gestiegen. Das bestätigte auch Beata Javorcik, Chefökonomin der EBRD, in einem Interview mit der Berliner Zeitung Ende März.






