Astana – Wladimir Putin ist pünktlich um kurz vor 10 Uhr am vergangenen Donnerstag in Astana gelandet. In der kasachischen Hauptstadt fanden binnen 36 Stunden drei Gipfeltreffen statt, die für den russischen Präsidenten von hoher Bedeutung waren. Schließlich benötigt Putin international einen größeren Spielraum, nachdem die UN-Vollversammlung diese Woche eine herbe Klatsche für Moskau war.
Putins Ziel in den anderthalb Tagen war klar: Die geostrategische Position Russlands in Zentralasien zu sichern und den Einfluss, den Moskau zweifelsohne in der Region hat, nicht zu verlieren. So erhoffte sich Putin im Hinblick auf die Bombardements auf die ukrainische Hauptstadt Kiew die Unterstützung der zentralasiatischen Staaten, insbesondere Kasachstans, dem wirtschaftlich fortschrittlichsten Land der postsowjetischen Staaten in Zentralasien.
Dagegen gingen Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgistan und Turkmenistan seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine immer mehr auf Distanz zu Putin. Und das nicht nur rhetorisch, wie der Präsident Kasachstans Kassim-Schomart Tokajew beim St. Petersburger Wirtschaftsforum im Juni machtpolitisch verdeutlichte, als er der Anerkennung von Luhansk und Donezk eine Absage erteilte. Zudem flüchteten im Zuge der Mobilisierung laut kasachischer Migrationsbehörde über 200.000 Russen über die Grenze.
Während für Moskau die Beziehungen zu den zentralasiatischen Staaten im Mittelpunkt der Gipfeltreffen standen, schielten Kasachstan und die anderen Staaten auf weitere internationale Partner. Besonders der türkische Präsident wurde im Rahmen des Staatsbesuches in Astana pompös und herzlich empfangen. Neben der Türkei waren auch Regierungsmitglieder aus China, Indien und der arabischen Halbinsel zu Gast in der kasachischen Steppe.
Konferenz für Zusammenarbeit und vertrauensbildende Maßnahmen in Asien (CICA)
Das größte Treffen von Staats- und Regierungsvertretern fand direkt am ersten Gipfeltag in Astana statt. Doch im Vorfeld schaute die Weltöffentlichkeit auf nur zwei Protagonisten: Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin. Der türkische Präsident sprach von „Hürden“ bezüglich seines Anliegens, Putin und Selenskyj an einen Verhandlungstisch zu bekommen, bekräftigte jedoch die „Notwendigkeit einer diplomatischen Lösung“.
Wladimir Putin überraschte hingegen mit seinem Vorschlag, in der Türkei einen neuen Gasknotenpunkt zu etablieren. Russisches Gas solle demnach in die Türkei geliefert und von dort aus weiter nach Europa geleitet werden. Aus der Türkei könne der größte Gas-Hub Europas entstehen, so der russische Präsident. Erdogan begrüßte den Vorstoß Putins auf seiner Rückreise in die Türkei.

So waren zwar die Folgen des Krieges in der Ukraine omnipräsenter Bestandteil des CICA-Gipfels. Zu viel Aufmerksamkeit wollten die teilnehmenden Staaten dem Thema jedoch nicht geben. Hauptpunkt des Treffens war demnach die „Erklärung von Astana“, die eine Umwandlung des als Forum angelegten CICA-Verbunds in eine „vollwertige, regionale, internationale Organisation“ vorsieht.
Das zwischenstaatliche Forum hat 28 Mitglieder, darunter das Nato-Mitglied Türkei, Russland, China, Südkorea, die zentralasiatischen Staaten, Indien, Pakistan, Indien, den Iran, Irak und weitere Länder Nordafrikas, der arabischen Halbinsel und Asiens.
Treffen der GUS-Staaten
Am Freitagvormittag fand das zweite Gipfeltreffen statt – das Treffen der GUS-Staaten. Das Russland-geführte Integrationsprojekt wird von Osteuropa-Experten immer wieder als gescheitert angesehen. Kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gründete sich 1991 die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten durch eine Vereinbarung der Präsidenten von Belarus, Russland und der Ukraine. Heute sind Belarus, Kasachstan, Aserbaidschan, Russland, Kirgistan, Turkmenistan, Armenien, Tadschikistan und Usbekistan Teil der Organisation. Georgien und die Ukraine haben den GUS-Verbund 2008 bzw. 2018 verlassen.
Auch wenn der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, im Nachgang des Gipfels von einer „Zukunft des GUS-Projektes“ sprach, zeigen sich gravierende Risse, die durch die internationale Organisation gehen. So bestimmen territoriale Konflikte unter den Mitgliedern den Alltag der GUS-Staaten, wie die Kriege zwischen Armenien und Aserbaidschan oder der bewaffnete kirgisisch-tadschikische Grenzkonflikt. Darüber hinaus haben bei der UN-Vollversammlung aus den GUS-Staaten einzig Belarus gemeinsam mit Russland gestimmt, der Rest enthielt sich, Aserbaidschan votierte gar für die Resolution. So hat es am Ende des Gipfels zwar für ein gemeinsames Foto gereicht, zu mehr jedoch nicht.
Zentralasien-Russland-Rat
Beim dritten Gipfel in anderthalb Tagen in Astana war die Ukraine dagegen kein Thema. Grund dafür: Keines der zentralasiatischen Länder hätte Russlands Krieg öffentlich unterstützt, die sichtbaren Differenzen hätten Moskau wiederum international deutlich geschwächt. Demnach wurde der Krieg thematisch ausgelassen. Und trotzdem waren die Folgen des Krieges und der gesunkene russische Einfluss allgegenwärtig präsent beim Zentralasien-Russland-Rat.
At the summit in #Astana, President of #Tajikistan Rahmon addressed Putin: "Please do not relate to the countries of Central Asia as the former #USSR!" pic.twitter.com/4bbSsJWDb9
— NEXTA (@nexta_tv) October 14, 2022
Den größten Moment hatte wohl der tadschikische Präsident Emomali Rachmon. Er sagte, Russland „dürfe die Interessen der kleineren, zentralasiatischen Länder nicht wie zu sowjetischen Zeiten übergehen“. Eine Standpauke an den gegenübersitzenden Putin, die so vor fünf, zehn oder 20 Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Schon der kasachische Präsident Tokajew überraschte damit, dass er Putin nicht persönlich am Flughafen in Astana willkommen hieß, sondern nur der Ministerpräsident Kasachstans.
Momente wie die des tadschikischen Präsidenten oder Äußerungen der kasachischen Regierung zur territorialen Integrität der Ukraine verdeutlichen den schrumpfenden Einfluss Moskaus. Auch Kirgistan, Mitglied in der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, einem Russland-geführten Militärbündnis, weigerte sich zuletzt an gemeinsamen Truppenübungen teilzunehmen. Vermehrte Anzeichen, die eine zentralasiatische Abkehr von der russisch dominierten Politik der vergangenen Jahrzehnte zementieren.









