Gipfel in Südafrika

„Heilende Wirkung für die Weltwirtschaft“: Brics-Staaten sagen US-Dollar den Kampf an

Der Staatenbund Brics hat über die Dedollarisierung der Handels- und Finanzwirtschaft beraten. Die Mitglieder könnten so US-Sanktionen umgehen. Wie geht das?

Der US-Dollar ist bislang die unangefochtene Leitwährung der Weltwirtschaft. 
Der US-Dollar ist bislang die unangefochtene Leitwährung der Weltwirtschaft. Olena Mykhaylova/Imago

Nicht weniger als eine Neuordnung der Weltwirtschaft steht auf dem Programm des Treffens der Außenminister von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, das am Donnerstag und Freitag im südafrikanischen Kapstadt stattfindet. Die sogenannten Brics-Staaten repräsentieren 42 Prozent der Weltbevölkerung, haben aber in den wichtigsten globalen Wirtschaftsinstitutionen – dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank – zusammen nur ein Stimmgewicht von rund 15 Prozent.

Dieses Missverhältnis soll geändert werden. Deshalb steht der Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Vordergrund des Außenministertreffens, bei dem der Gipfel der Brics-Staatschefs vorbereitet wird, der vom 22. bis zum 24. August in Johannesburg stattfinden soll. Heiß diskutiert wird, ob sich die Brics-Staaten auf die Schaffung einer Alternative zum hegemonialen US-Dollar einigen können.

Mehr Mitglieder und gemeinsamer Wirtschaftsraum

Die Abwicklung des Handels in den nationalen Währungen der Brics-Mitglieder oder sogar die Schaffung einer neuen Währung böte Schutz vor extraterritorialen US-Sanktionen. Washington hat derzeit gegen 22 Länder Strafmaßnahmen verhängt. Kein Wunder, dass neue Kandidaten bei den Brics Schlange stehen: Insgesamt bekunden 19 Länder Interesse, dem Staatenbündnis beizutreten.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow erklärte am Mittwoch während eines Besuchs in Kenia, die Umstellung auf Abrechnungen zwischen den Ländern in nationalen Währungen werde eine „heilende Wirkung“ auf den internationalen Handel haben. Der Präsident Brasiliens Luiz Inacio „Lula“ da Silva habe bereits eine Idee vorgestellt, in der die Entwicklung von Zahlungsmechanismen vorgesehen sei, die nicht vom Dollar und dem Euro abhängig sind, erklärte Lawrow. Lula hatte sich am Montag für eine gemeinsame Währung der Brics-Mitgliedsländer ausgesprochen und erklärt, viele Staaten bräuchten mehr Unabhängigkeit vom Dollar.

Neue Währung, Yuan oder nationales Geld der Mitgliedstaaten?

Die Beschaffung von Finanzmitteln auf verschiedenen Märkten und in verschiedenen Währungen, darunter der chinesische Yuan, der US-Dollar und der Euro, werde zu den Prioritäten der Brics-Entwicklungsbank gehören, sagte die frühere brasilianische Staatschefin Dilma Rousseff, die im März zur neuen Präsidentin der Entwicklungsbank gewählt wurde, am Dienstag in Shanghai.

Eine andere Möglichkeit wäre es, den Handel künftig in Yuan abzuwickeln. Hierfür hatte sich zuletzt der syrische Präsident Baschar al-Assad eingesetzt. Die Konfrontation mit dem Westen habe hauptsächlich im wirtschaftlichen Bereich stattgefunden, und das mache es immer notwendiger, den US-Dollar als Währung für globale Transaktionen aufzugeben, hatte Assad bei einer Pressekonferenz mit dem chinesischen Sondergesandten für den Nahen Osten Ende März erklärt. Der Brics-Block könne durch die Einführung des chinesischen Yuan für Handelstransaktionen zwischen den Nationen eine führende Rolle spielen, sagte der syrische Präsident.

Die Debatte um die Dedollarisierung nimmt auch deshalb an Fahrt auf, weil der Anteil der in US-Dollar getätigten weltweiten Transaktionen stetig sinkt. Während 1977 noch 85 Prozent der getätigten Handels- und Finanzgeschäfte in der US-Währung abgewickelt wurden, waren es 2001 nur noch 73 Prozent. Mittlerweile ist der Anteil sogar auf 58 Prozent gesunken. Allerdings muss der Greenback bislang keine ernsthafte Konkurrenz fürchten. Die zweitgrößte Devise, der Euro, steht für 20 Prozent der weltweiten Zahlungen und der Yuan liegt bei unter drei Prozent.

Investmentbanker: US-Dollar belastet andere Länder

Jedoch treibt die scharfe Sanktionspolitik Washingtons Staaten geradezu aus dem vom US-Dollar dominierten Finanzsystem. Auf die Entscheidung, Russland nach dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine von dem weltweiten Zahlungssystem Swift abzukoppeln, reagierte Moskau mit dem Ausbau seiner bilateralen Beziehungen im Treibstoffhandel, der teilweise in Rubel abgewickelt wird.

Gleichzeitig nahm Moskau mit mehreren afrikanischen Ländern Verhandlungen auf, Zahlungen in nationalen Währungen zu begleichen. Russland und Indien feilschen intensiv um die Zahlungsabwicklung für Waffen- und Öllieferungen. Bislang konnten sich die beiden Staaten nicht einigen, ob Geld in Rubel, Rupien oder der arabischen Währung Dirham fließen soll. So einfach ist ein Weltwährungssystem eben doch nicht durch ein anderes zu ersetzen.

Der Pate des Staatenbündnisses, Jim O’Neill, findet, die Brics-Länder sollten die Dedollarisierung vorantreiben. Der frühere Chefvolkswirt der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs hatte das Akronym Bric 2001 erfunden, erst 2009 trat Südafrika hinzu – aus Bric wurde Brics. „Der US-Dollar spielt im globalen Finanzwesen eine viel zu dominante Rolle“, schreibt O’Neill in einem Ende März veröffentlichten Aufsatz.

Geldpolitische Entscheidungen der amerikanischen Notenbank hätten schwerwiegende Auswirkungen auf den Weltmärkten, argumentiert er. Die Dominanz des US-Dollars führe dazu, dass die Last der auf Dollar lautenden Schulden für andere Länder mit dem Wechselkurs schwanke. Die Geldpolitik der betroffenen Staaten würden dadurch destabilisiert, die Bewegungen des Dollars spielten letztlich eine größere Rolle als inländische Entscheidungen.

Brics-Bund vor politischen Herausforderungen: Wie umgehen mit Russland?

Ob die Brics-Staaten ihre Partnerschaft ausbauen und eine ernsthafte Alternative zum US-Dollar etablieren können, ist fraglich. Schließlich sind sich die Mitglieder in wesentlichen Fragen spinnefeind. Indien und China stehen sich zum Beispiel in einem erbitterten Grenzkampf in der Kashmir-Region gegenüber.

Der Brics-Gipfel im August könnte das Bündnis bereits vor eine harte Probe stellen. Gastgeber Südafrika hat zuletzt angekündigt, dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin nicht Folge zu leisten und den Gipfel-Teilnehmern diplomatische Immunität zugesichert. Die USA haben Südafrika bezichtigt, Waffen an Russland zu liefern und, sollten sich die Vorwürfe erhärten, mit Wirtschaftssanktionen gedroht.

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