Space Cowboys

Banking auf dem Mond? Der neue Kalte Krieg spielt sich im Weltraum ab

Im Weltall drohen Zustände wie im Wilden Westen. Die geballte Wirtschaftsmacht von Tech-Konzernen und der neue Kalte Krieg verschärfen die Konkurrenz um die Ausbeutung von Ressourcen.

Der Weltraum wird zusehends privatisiert: Start einer Rakete des Unternehmens SpaceX.
Der Weltraum wird zusehends privatisiert: Start einer Rakete des Unternehmens SpaceX.John Raoux/AP

Wem gehört der Mond? Mit dieser Frage machte kürzlich das US-Magazin für Außenpolitik Foreign Policy auf. Denn anders als bei Raumschiff Enterprise gibt es im All keine Kooperation von Nationen, sondern ein zunehmendes Wettrüsten.

Tech-Konzerne und der Aufstieg der privaten Raumfahrt

Viele Menschen mögen die Debatte als abgedreht empfinden, da wir doch genug irdische Probleme haben und im Weltall wahrscheinlich eine nur sehr unbedeutende Kreatur darstellen. Aber tatsächlich geht es in der Epoche eines neuen Kalten Krieges zwischen den USA und China und den privaten Weltraummissionen von Tech-Milliardären wie Elon Musk (SpaceX) und Jeff Bezos (Amazon) um sehr viel. Und dies hängt durchaus mit den irdischen Problemen wie der Knappheit fossiler Rohstoffe, dem Klimawandel und der zunehmenden Technologiemacht privater Konzerne zusammen.

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Berliner Zeitung/Paulus Ponizak
ZUM AUTOR
Fabio De Masi war Mitglied des Deutschen Bundestages für die Linke sowie des Europäischen Parlaments und machte sich dort bei der Aufklärung von Finanzskandalen – etwa um den Zahlungsdienstleister Wirecard – einen Namen. Er ist Kolumnist bei der Berliner Zeitung.

Viele Jahrzehnte war die Erforschung des Weltalls aufgrund der damit verbundenen Kosten und technologischen Anforderungen ein staatliches Monopol. Die hohen Kosten erzwangen sogar während des Kalten Krieges die Kooperation der rivalisierenden Welt- und Weltraummächte.

Der technische Fortschritt, die Ressourcenverknappung und die entfesselte Wirtschaftsmacht privater Tech-Konzerne wie SpaceX und Amazon, die längst nach den Sternen greifen, wecken nun den Hunger auf Profite. Dabei geht es sowohl um die kommerzielle Raumfahrt wie auch um die Ausbeutung von Rohstoffen des Weltalls. Aus technischer Sicht wird es noch lange dauern, bis der Abbau von Weltraumressourcen tatsächlich möglich wird. Doch wir sollten nicht vergessen: Die Technologie eines iPhones ist heute der ersten bemannten Mond-Rakete überlegen.

Investoren haben indes längst verstanden, welche Möglichkeiten das All auch für Finanzinvestoren bietet, wenn manche kühne Idee auf der Erde nicht funktionieren sollte. So war zu einer Art Space-Finance-Konferenz in Luxemburg im letzten Jahr der frühere Geschäftspartner des von Interpol gesuchten Wirecard-Vorstands Jan Marsalek, Aleksandr Vucak, angekündigt. Der frühere Tui-Manager sollte dort sonderbarerweise auf einem Panel als Vertreter des eigentlich damals bereits als insolvent geltenden IMS Capital Fonds auftreten, über den Marsalek mithilfe Vucaks in verschiedene Tech-Firmen investiert haben soll.

Das Motto des Panels: „Is the moon bankable?“ Denn grundsätzlich ist es natürlich nicht nur denkbar, Mars-Expeditionen über den Kapitalmarkt zu finanzieren, sondern auch Rohstoffe auf dem Mond zu beleihen, sofern ein kommerzieller Ertrag generiert bzw. „privates Eigentum“ durchgesetzt werden kann. Vucak hat laut Video des Panels letztlich abgesagt. Aber Marsalek hätte etwas Fintech auf dem Mond, etwa die Beleihung von Rohstoffen, sicher Spaß gemacht!

USA und Luxemburg gehen voran

Bereits 2019 befasste ich mich im Bundestag und in verschiedeneren Gastbeiträgen mit der Privatisierung des Weltalls bzw. dem Weltraumbergbau. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte nämlich ein Gesetz für den Rohstoffabbau im All, da die USA unter Präsident Donald Trump gemeinsam mit Luxemburg voranschritten und Firmen den hoheitlichen Schutz privatwirtschaftlichen Rohstoffabbaus im All zusicherten. Tatsächlich hatte die große Koalition 2017 im Koalitionsvertrag ein nationales Weltraumgesetz angekündigt. Dort wurde die Absicht bekräftigt, ein nationales Weltraumgesetz auf den Weg zu bringen, „um Investitions- und Rechtssicherheit für nichtstaatliche Raumfahrtaktivitäten zu schaffen“.

Die USA verabschiedeten 2015 den Commercial Space Launch Competitiveness Act. Dieser erklärt das Weltall zum US-amerikanischen Verwaltungsraum und spricht US-Bürgern unter bestimmten Voraussetzungen das Eigentum und die Nutzungsrechte an im Weltraum abgebauten Ressourcen zu. 2017 wurde mit dem „Weltraumressourcengesetz“ auch in Luxemburg das erste vergleichbare europäische Gesetz erlassen und damit eine privatrechtliche Grundlage für Weltraumbergbau geschaffen. Luxemburg will privaten Unternehmen, die sich in Luxemburg ansiedeln, Eigentum an im Weltraum geschürften Rohstoffen von Asteroiden, Kometen und Meteoriten garantieren.

Im Mai 2019 haben Luxemburg und die USA zudem eine Kooperationsvereinbarung zur Förderung der kommerziellen Nutzung des Weltraums unterzeichnet. Frei nach dem Motto: „Militärische Supermacht und Zwergstaat mit Sonderwirtschaftszone teilen das Weltall auf.“

Das All und das Völkerrecht

Die Vereinbarkeit dieser Vorstöße mit dem internationalen Recht ist allerdings stark umstritten. Der Direktor des Instituts für Luft- und Weltraumrecht der Universität Köln, Stephan Hobe, etwa kommentierte damals das Luxemburger Gesetz sei „krass völkerrechtswidrig, dem internationalen Recht widersprechend und deshalb im Kern für nichtig“.

Das völkerrechtliche Weltallregime stützt sich im Wesentlichen auf fünf Verträge, wobei nur der Weltraumvertrag zum Völkergewohnheitsrecht erstarkt und daher auch für Nicht-Unterzeichnerstaaten bindend ist. Diese fünf Verträge sind neben dem Weltraumvertrag von 1967 das Weltraumrettungsübereinkommen (1968), das Weltraumhaftungsübereinkommen (1972), das Weltraumregistrierungsübereinkommen (1975) sowie der Mondvertrag (1979).

Der Weltraumvertrag von 1967 – die Magna Charta des Weltraumrechts – basiert auf den Grundprinzipien der Weltraumfreiheit („freedom of exploration and use“) sowie dem in Art. II niedergelegten Verbot nationaler Aneignung („non-appropriation“). Völkerrechtlich wird das Weltall demnach ähnlich den internationalen Gewässern als „Erbe der gesamten Menschheit“ angesehen („Res communis omnium“-Prinzip).

Der Mondvertrag, der privatwirtschaftliche Aneignung von Mondressourcen explizit ausschließt, wurde im Unterschied zum Weltraumvertrag jedoch weder von den USA noch von Luxemburg ratifiziert. Die USA argumentieren, dass es bei der früheren Entnahme von Mondgesteinsproben der USA keine Widersprüche gegeben habe. Daher sei die unilaterale Nutzung von Ressourcen im All ein Gewohnheitsrecht.

Der Weltraumvertrag richtet sich zunächst an staatliche Akteure. Doch die Rechtsprechung des Ständigen Internationalen Gerichtshof im Lotus-Fall (1927) hat die Regel im Völkerrecht etabliert, dass alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist. Da Staaten jedoch nach Art. VI des Weltraumvertrags für die Aktivitäten privater Akteure haften und verpflichtet sind, für die Einhaltung des Weltraumvertrags zu sorgen, ist wiederum davon auszugehen, dass Privatpersonen ebenfalls mittelbar in den Anwendungsbereich des Art. II fallen. Konkret bezieht sich Art VI des Weltraumvertrags auf „nationale Tätigkeiten (...) staatliche(r) Stellen oder nichtstaatliche(r) Rechtsträger“.

Der Aufstieg Chinas und der neue Kalte Krieg

Robert A. Manning, Fellow des Stimson Centers und des dortigen „Re-imagining US Grand Strategy“-Programms (zu Deutsch: die US-Großstrategie neu denken) führt zu dieser Situation in Foreign Policy aus, dass Technologie und Geopolitik das Völkerrecht überholt habe. Der Weltraumvertrag regle etliche neuere Weltraumaktivitäten nicht, wie z.B. Weltraummüll, die Blendung von Satelliten und Streitbeilegung.

Manning betont zwar, dass es ergänzende rechtliche Vereinbarungen, etwa zur Haftung für durch Weltraumobjekte verursachte Schäden, zur Rettung von Raumfahrzeugen und Astronauten sowie zur Registrierung von Weltraumaktivitäten, gäbe. Auch das Mondabkommen von 1979 könnte Verhalten auf dem Mond regeln. Doch das Mondabkommen wurde von den Supermächten im All nicht ratifiziert und gelte daher, so Manning, als gescheitert.

Manning führt daher aus: „Der Weltraum steuert auf ein anarchisches Gerangel um Vorteile (…) zu, das die Zersplitterung der regelbasierten Ordnung in konkurrierende Blöcke und Regionen widerspiegelt. Der kurze Moment des Idealismus nach dem Kalten Krieg in Bezug auf den Weltraum ist vorbei. Russland kündigt seine Beteiligung an der Internationalen Raumstation (ISS), der es 1993 beigetreten ist, und der Nasa ist die Zusammenarbeit mit China durch das Wolf Amendment von 2011 untersagt.“

Wer daher verhindern möchte, dass das All zum Wilden Westen und ein Terrain für das militärische und wirtschaftliche Faustrecht wird, braucht eine Stärkung von Kooperation und völkerrechtlichen Prinzipien im All. Das Problem ist jedoch, dass die Bedingungen zur Durchsetzung fairere Regeln nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges günstiger waren als in der heutigen Phase eines neuen Kalten Krieges.

Redaktioneller Hinweis: Fabio De Masi hat 2019 einen Debattenbeitrag bei Tagesspiegel Causa „Space Cowboys: Privatisierung des Weltalls stoppen“ publiziert. Das Debattenportal wurde eingestellt. Einige Passagen aus diesem Beitrag wurden für diesen Text übernommen und aktualisiert.