Die Berliner Adler Real Estate AG war kürzlich von Razzien betroffen. Droht ein Wirecard-Skandal mit Betongold? Zumindest gibt es beunruhigende Parallelen. Und wie bei Wirecard gibt es Verbindungen zur Politik, meint unser Kolumnist Fabio De Masi, der sich sowohl mit Wirecard als auch der Adler Group als erster Abgeordneter im Deutschen Bundestag kritisch befasste. Lesen Sie hier Teil 1 des Artikels.
Cevdet Caner – die graue Eminenz hinter Adler?
Dem österreichischen Multimillionär Cevdet Caner wurde lange nachgesagt, die graue Eminenz hinter der Adler-Gruppe zu sein und von einer Jacht in Monaco die Strippen zu ziehen. Auch wenn Caner kein formales Amt im Konzern bekleidet: Caner ist mittlerweile CEO der Aggregate Holding, die einst größter Aktionär von Adler war. Caner gehört laut Pressebereichten zu den Beschuldigten in den aktuellen Ermittlungen. Ebenso seine Frau und sein Schwager sowie vier weitere Beschuldigte.

Caner war ehemals bei den Jusos in Österreich politisch engagiert und nahm neben Hertha-BSC-Investor Lars Windhorst und Kaufhauskönig René Benko am Spendendinner für den einstigen CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet teil. Er brach sein BWL-Studium ab und gründete 1998 die Call und Logistik Center GesmbH (CLC), die es mit Österreichs erster privater Telefonauskunft an die Wiener Börse schaffte. 2002 verkaufte Caner seine Anteile und das Unternehmen schlitterte kurze Zeit später in die Insolvenz.
Im Jahr 2004 gründete Caner dann den Immobiliendienstleister Level One mit Steuersitz der Holding auf der Kanalinsel Jersey. Level One kaufte etwa das Falkenberger Viertel in Berlin-Hohenschönhausen. Level One profitierte auch von der Privatisierung von landeseignen Wohnungsbeständen in Nordrhein-Westfalen unter Ex-CDU Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. 2008 meldete der Immobilienkonzern für seine deutschen Objektgesellschaften Insolvenz an, nachdem die Banken Level One unter Zwangsverwaltung gestellt hatten. Von der Insolvenz waren rund 20.000 Wohnungen sowie 500 Gewerbeobjekte – mit Schwerpunkt Berlin und Ostdeutschland – betroffen. Level One kollabierte unter 1,2 Milliarden Euro Schulden und galt als größte Immobilienpleite Deutschlands, nach Jürgen Schneiders Konkurs in den 1990er-Jahren. Caner musste sich auch vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien mit weiteren Angeklagten wegen des Vorwurfs des gewerbsmäßigen schweren Betrugs und Geldwäsche verantworten. Er wurde 2020 jedoch von allen Vorwürfen freigesprochen.

Cevdet Caner und Jan Marsalek
Caner unterhielt auch Verbindungen zum flüchtigen und von Interpol weltweit gesuchten Wirecard-Manager Jan Marsalek, der sich mit Geheimdiensten umgab. Im Jahr 2014 tauschte sich Caner im vertrauten Ton („you fukkas“) am Rande des Oktoberfestes mit Marsalek und dessen mutmaßlichem Komplizen, dem in Singapur angeklagten Briten Henry O’Sullivan, aus. Marsalek bringt dabei eine „kleine Jamaikanerin“ ins Spiel, die sich über ein Wiedersehen freuen würde. Auch Adler wird angesprochen. Doch Caner dementierte noch bis 2020, eine Rolle bei Adler zu spielen. Marsalek kenne er nur „flüchtig“ über O’Sullivan.
O’Sullivan soll unter anderem eine Schlüsselrolle bei einem Fonds auf Mauritius (EMIF 1A) gespielt haben, über den durch überhöhte Kaufpreise 315 Millionen Euro aus Wirecard geschleust wurden. Caner war einst neben Marsalek und weiteren Wirecard-Managern auch zu einer mehrtägigen Luxus-Geburtstagsfeier von O’Sullivan in das Azura-Benguerra-Island-Resort in Mosambik eingeladen, nahm jedoch laut eigener Darstellung nicht teil. Die Anreise der illustren Gäste war per Helikopter geplant.

Caner lässt sich auch durch den Berliner Anwalt Ben Irle vertreten, der für ihn bereits gegen den Wirecard-Leerverkäufer Fraser Perring vorging. Zu den Mandanten der Kanzlei zählten neben Bild-Chef Julian Reichelt auch die Wirtschaftsprüfer von EY im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal. EY hatte immer wieder Abschlüsse von Wirecard testiert. Irle saß laut Bloomberg auch an Bord der Ado Properties, die mit Adler verschmolz.
Ein politisches Netzwerk – wie bei Wirecard?
Ich selbst hörte von Caner das erste Mal in einem Gespräch mit dem ehemaligen Militärberater der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel, Brigadegeneral a.D. Erich Vad. Dieser hatte mich nach Ende der Befragungen im Untersuchungssauschuss zu Wirecard im Deutschen Bundestag kontaktiert, da ich Vad dort thematisiert hatte. Denn Vad hatte an dubiosen Essen mit Jan Marsalek, Frankreichs Ex-Staatspräsident Nicolas Sarkozy, dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber sowie dem österreichischen Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel und hochrangigen Militärs zur Situation in Libyen teilgenommen.
Vad bot mir gegen Ende unseres Gesprächs im Berliner Promicafé Einstein den Sitz im Beirat eines „kurdischstämmigen Immobilienunternehmers aus Österreich“ an, mit dem er aufgrund einer interessanten Aussage über den Militärhistoriker Clausewitz „im Fahrstuhl der China-Lounge“ (ein beliebter Treffpunkt für das sicherheitspolitische Milieu und den militärisch-industriellen Komplex in der Hauptstadt) kennengelernt haben will. Vad erwähnte auch einen vermögenden CDU-Finanzpolitiker, der dem Beirat angehören solle, und betonte bei einem späteren Treffen, er würde Caner dabei beraten, wie sich dieser auf dem „politischen Parkett“ zu bewegen habe.
Die Beratertätigkeit für Caner hat Vad jedoch nicht im Lobbyregister offengelegt und Caner hat diese bestritten. Ich lehnte Vads Angebot ohnehin ab. Ich hatte sofort das Gefühl, das ich entweder eingekauft werden soll oder dies eine Falle ist, um meinen Wirecard-Recherchen zu schaden. Erst durch einen Journalisten einer deutschen Wirtschaftszeitung erfuhr ich dann von den Aktivitäten des Wirecard-Leerverkäufers Perring zur Adler-Gruppe. Später machte dann auch der Spiegel die Verbindungen von Caner zu Marsalek öffentlich.
Mich veranlasste das Gespräch mit Vad zu einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung, die eine meiner letzten im Deutschen Bundestag und die erste überhaupt zur Adler-Gruppe war. Es ging dabei unter anderem um die umstrittene Fusion von Adler mit der Ado Properties. Denn im September 2019 kaufte die Adler Real Estate die israelische Ado Group. Kurz darauf wechselte Adler die Geschäftsführung des Tochterunternehmens Ado Properties aus. Fünf Tage später kündigte das neue Management an, seinen hochverschuldeten Großaktionär Adler Real Estate zu übernehmen. Wie in der Antwort auf meine Anfrage damals bekannt wurde, hatte die deutsche Finanzaufsicht Bafin wegen dieses umstrittenen Hütchenspiels zahlreiche Hinweise (unter anderem vom kanadischen Immobilienfonds Hazelview) erhalten. Denn die Hinweisgeber sahen darin einen Verstoß gegen deutsches Aktienrecht. Die Bafin erklärte sich jedoch für die Transaktionen der Adler-Gruppe nicht zuständig, da der Konzernsitz in Luxemburg sei. Später beaufsichtigte die Bafin die Adler Real Estate aber enger und bemängelte immer wieder dessen Bilanzierung.

Grundstücke mit Milliarden belastet
Es dürfte daher spannend bleiben in der Causa Adler. Zumal der Tagesspiegel und die Süddeutsche Zeitung kürzlich weitere interessante Aspekte zutage förderten:
So habe die Adler-Gruppe eine bislang unbekannte Firma aus Frankfurt am Main ohne eine öffentlich bekannte Gegenleistung mit einem hohen Grundschuldtitel bedacht. Etliche Berliner Immobilien habe der Konzern mit 4,3 Milliarden Euro Grundschuld belastet. Dies übersteigt den bilanzierten Wert der Immobilien erheblich und sei die seit Jahrzehnten höchste eingetragene Summe in der Hauptstadt. Die begünstigte Firma sei eine erst im Frühjahr 2023 eingetragene GmbH, die nur über das Mindestkapital von 25.000 Euro verfüge. In der Branche zirkuliere seither der Verdacht, die Adler-Manager hätten Immobilien womöglich in unlauterer Absicht übermäßig belastet.
Dafür gäbe es laut der Süddeutschen Zeitung zwei sinnvolle Erklärungen: Es solle eine Zwangsversteigerung der Immobilien erschwert werden, da die Frankfurter Firma aufgrund der hohen Grundschuld die Ansprüche der anderen Gläubiger verwässert. Dies könnte einen Insolvenzverwalter von einer Versteigerung abhalten und dem Konzern eine Brücke bauen, um als zahlungsunfähige Hülle zu überdauern und irgendwann schuldenfrei wieder am Markt zu operieren. Die zweite These lautet, dass die Firma in Frankfurt in einem Vertrauensverhältnis zu den Adler-Entscheidern stünde und bei einer Versteigerung von Adler-Vermögen zurück an die Adler-Leute fließe. Also ein klassischer Fall von Geldwäsche. Anfragen zu etwaigen Näheverhältnissen habe die Adler-Gruppe laut Süddeutscher Zeitung nicht beantwortet. Für beide Szenarien gilt die Unschuldsvermutung.
Holsten-Areal: Eine Adler-Pleite könnte zur „Scholz-Insolvenz“ werden
Für eine weitere Person dürften die Turbulenzen um Adler noch einige unangenehme Fragen aufwerfen: Bundeskanzler Olaf Scholz. Dieser hat nicht nur persönlich in seiner Zeit als Erster Bürgermeister von Hamburg für die Verwirklichung des umstrittenen Elbtowers durch den Immobilientycoon Benko geworben, der sich nun mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert sieht, sondern er hat auch auf das günstige städtische Vorkaufsrecht für das ehemalige Areal der Holsten-Brauerei in Hamburg verzichtet. Das Filet-Grundstück war 2016 von der Carlsberg-Brauerei ursprünglich an die Düsseldorfer Gerchgroup verkauft worden. Anschließend wurde es mehrfach weiterveräußert, ohne dass auf dem Areal gebaut wurde, bis es bei der Adler-Gruppe landete.
Das Holsten-Areal sollte mit rund 1300 Wohnungen auf 86.000 Quadratmetern eines der größten Hamburger Wohnungsbauprojekte werden. Der SPD-Fraktionschef in der Hamburger Bürgerschaft, Dirk Kienscherf, kritisierte kürzlich gegenüber dem Hamburger Abendblatt: „Dieser Stillstand auf dem Holsten-Areal ist ein Trauerspiel. Eines der wichtigsten Stadtentwicklungsprojekte in Hamburg kann nicht umgesetzt werden, weil wir es hier mit einem Investor zu tun haben, der das Grundstück offensichtlich als Spekulationsobjekt sieht.“







