Bundesliga

Wo Hertha BSC immer noch besser ist als der 1. FC Union Berlin

An diesem Wochenende feiert die Bundesliga ihren 60. Geburtstag. Grund genug für ein großes Familientreffen in Dortmund. Und für ein Quiz.

Kontakt mit Hertha BSC und Pal Dardai (r.) hat Union-Legende Torsten Mattuschka (l.) nicht mehr als Spieler, sondern als TV-Experte in der 2. Bundesliga.
Kontakt mit Hertha BSC und Pal Dardai (r.) hat Union-Legende Torsten Mattuschka (l.) nicht mehr als Spieler, sondern als TV-Experte in der 2. Bundesliga.Oliver Ruhnke/Imago

Manche haben Stefan Effenberg mitgebracht und manche Stefan Kießling. Wieder andere sind mit Mike Büskens da und noch andere mit Herbert Laumen. Auch Bernd Wehmeyer, Nils Petersen und Hermann Gerland sind dabei. Sie alle vertreten gestandene Vereine, die mehr oder weniger lange und spannende Geschichten zur Fußball-Bundesliga beigesteuert haben: Bayern München und Bayer Leverkusen, Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach, der Hamburger SV, der SC Freiburg und der VfL Bochum.

Torsten Mattuschka wird den 1. FC Union Berlin vertreten

Der 1. FC Union Berlin aber hat Torsten „Tusche“ Mattuschka an Bord. Die rot-weiße Kultnummer 17 ist, auch wenn sie für die Köpenicker kein Spiel in Deutschlands Eliteliga bestritten hat, dafür aber vier für Energie Cottbus, die Legende der Eisernen beim Treff zu 60 Jahren Fußball-Bundesliga. Am 24. August 1963 hatte die ihren Premierenspieltag. Das große Jubiläum wurde von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und dem TV-Sender Sky gemeinsam mit dem Gastgeber, dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund, mit einem Quiz begangen.

Es sind tatsächlich viele großartige Spieler und Trainer da, die tiefe Spuren hinterlassen haben und teils als Kinder der Bundesliga gelten. „Wir haben mal nachgerechnet“, stimmt Mitmoderator Ben Redeling, Autor manch skurrilen Buchs über das Geschehen der sechs Jahrzehnte, die Teams ein, „im Saal sind rund 8500 Spiele in Bundesliga und DDR-Oberliga“. Aus DDR-Zeiten aber ist lediglich Perry Bräutigam da, damals Torhüter bei Carl Zeiss Jena.

Tusche, 42, der 299 Pflichtspiele für die Köpenicker bestritten hat, ist sozusagen der Spielführer des eisernen Quizteams, zu dem mit Silvia Trompeteler, 71, einer ehemaligen Spielerin, die als frühere Lehrerin mit Zetteln wie beim Lernen von Vokabeln gepaukt hat, Statistik-Ass Frank „Leo“ Leonhardt, 58, auch der Autor dieser Zeilen gehört.

Tusche pusht seine Mannschaft derart, wie er das als Kapitän einst auch im Stadion An der Alten Försterei tat: voller Energie, mit ganz viel Selbstvertrauen, mit einem Schuss Humor, mit Lässigkeit, die nicht nur gespielt ist, vor allem aber mit dem einen oder anderen lockeren Spruch. „Wir wissen alles!“, haut er raus, als er von dem Moderator Thomas Wagner nach den „Trainingseindrücken“ seiner Truppe gefragt wird, „wir haben hart trainiert und uns gut vorbereitet.“

Auch wenn das am Ende nicht ganz der Wahrheit entspricht, sorgt es für Stimmung im Saal und für den einen oder anderen Applaus. Lob hat es bereits vom Nachbartisch gegeben, von dem des VfL Bochum, an dem neben Hermann Gerland mit Jupp Tenhagen ein anderer großer Spieler aus vergangenen Bochumer Tagen sitzt. „Mit eurer Dekoration“, sagen die einstigen Haudegen voller Bewunderung, „seid ihr schon unter den Top 3.“

Was haben wir uns auch ausstaffiert, um als einziges ehemaliges Team aus DDR-Zeiten unter den 21 Vereinen Werbung zu machen. Gerald Karpa, im normalen Leben Vereinsarchivar, diesmal aber Trainer und Betreuer, Organisator und Zeugwart dieser Mini-Gruppe in einer Person, hat alles aufgefahren, was nur irgendwie mit dem 1. FC Union zu tun hat. Da gibt es Eintrittskarten von Spielen aus alter Vergangenheit, Programmhefte, die 40 Jahre und älter sind, einen Wimpel von 1981 zur 15-jährigen Klubgründung, den Schal aus den Playoffs für die Europa League gegen Ajax Amsterdam, einen roten Helm der Stadionerbauer und einen Fußballschuh, den Sebastian Polter nach der erfolgreichen Relegation 2019 gegen den VfB Stuttgart in die feiernden Fans geworfen hatte.

Tusche hat sich einen Trainingsanzug aus seiner aktiven Zeit angezogen, ich stecke in einer Trainingsjacke aus einer Ära, die nur noch die Älteren erlebt haben und die der inzwischen 87-jährige Heinz Werner als Trainer getragen haben könnte. Henry, einen Guide des Museums, törnt dieses Gesamtkunstwerk noch mehr an als die Bochumer. „Damit habt ihr Platz 1 schon sicher“, vermutet er. Wie hätte er sich die Augen gerieben, hätten wir ein altes Trikot von Marko Rehmer mitgebracht, der allerdings – Schwamm drüber, und die lockere Plauderei im Nachhinein verzeiht alles – zum Quizteam des Stadtrivalen aus Charlottenburg gehört.

Ganz vorn landen wir nicht, das war auch nicht der Anspruch. Abgestiegen sind wir aber auch nicht. Den VfB Stuttgart, der mit Ex-Union-Trainer Jens Keller als Legende angetreten ist, lassen wir deutlich hinter uns. Auch Mainz, mit dem 4:1 zum Saisonauftakt ein willkommener Gegner im Stadion An der Alten Försterei, kann uns nichts anhaben. Dass wir dafür knapp hinter Hertha BSC landen und eine erneute Stadtmeisterschaft verpassen, verbuchen wir als „Aufbauhilfe West“. Das aber auch nur, weil wir einen unserer Drei-Punkte-Joker auf Huub Stevens als denjenigen setzen, der von den ausländischen Trainern mit seinen Teams die meisten Punkte geholt hat. Dabei ist es Branco Zebec, der einst mit dem Hamburger SV und Bayern München zwei Schwergewichte betreute.

Aus einer ABM-Maßnahme wird ein Bundesligatrainer

Im Small Talk hinterher wird trotzdem umso deutlicher, welche Anerkennung sich der 1. FC Union Berlin in den vergangenen vier Jahren erworben hat. „Daumen hoch“, sagt Hermann Gerland, der als Co-Trainer bei den Bayern zig Meistertitel und andere Trophäen mitgewinnen half, und reckt seinen Däumling in die Höhe, „das macht ihr wirklich gut.“ Auch Helmut Schulte, bis Mai 2018 gut zwei Jahre Leiter der Lizenzspielerabteilung in Köpenick, ist voll des Lobes und sagt: „In vier Jahren von der Zweiten Liga in die Champions League, das ist mehr als ein Traum, das ist phänomenal.“ Schade nur, dass wir nicht gewusst haben, dass wir seinen Namen hätten ankreuzen müssen, als gefragt wurde, wer aus einer ABM-Maßnahme einst Bundesligatrainer geworden war. Unsere coole Ausrede auf typisch Berlinerisch, nachdem wir erfahren, dass dies Mitte der 1980er-Jahre passiert sei: „Dit könn wa nich wissen, dit jab es inne DDR ja nich.“

Dafür hat Leo, unser unübertroffenes Statistik-Ass, bei manchen Antworten, die teils aus einem Block mit mehreren Möglichkeiten anzukreuzen sind, locker die Fragen formuliert, die dann exakt auch so gestellt werden. Nicht so schwer ist es bei Hansa Rostock und Dynamo Dresden als den beiden Teams, die 1991 als erste Vereine aus der DDR-Oberliga in der Bundesliga gespielt haben, und was übrigens, so die Verteilung bei 27 Fragekomplexen, als einzige Frage Richtung Deutschlands Osten geht und zudem aus unserer Sicht popeleinfach ist, sodass wir nicht einmal bei diesem Thema einen kleinen Vorteil für uns erkennen können. Dafür verblüfft unser Zahlen-, Daten- und Ergebnisexperte, der seit 25 Jahren zu den Machern des Union-Stadionheftes gehört, mit der richtigen Antwort auf jenes Team, das als einziges gegen Bayern München keine negative Gesamtbilanz hat: Stuttgarter Kickers. Völlig klar, oder?

Mit Fachwissen, so der Eindruck des Spektakels, kann man eher weniger glänzen. Da hätte Herbert Laumen, einer aus der alten Mönchengladbacher Fohlen-Elf um Günter Netzer, Berti Vogts und Jupp Heynckes, davon erzählen können, dass er noch immer derjenige ist, der den schnellsten Hattrick erzielt hat, innerhalb von sieben Minuten nämlich. Oder dass er es ist, der auf dem Bökelberg in einem Spiel gegen Werder Bremen den Torpfosten zum Einsturz gebracht hat. Dafür muss er erklären, wie es dazu kommen konnte, dass es bei der Borussia allen Ernstes einst ein Maskottchen namens „Bumsi“ gab. Laumen antwortet fast verschämt: „Unter uns kursierten noch viel schlimmere Namen, da hat Manager Grashoff sich für Bumsi starkgemacht.“ Weil Laumen, kürzlich 80 Jahre alt geworden, ein exzellenter Stürmer war und manche Saison öfter getroffen hat als sein Mitspieler, der 1974er Weltmeister Heynckes, sagt er fast entschuldigend: „Dass ich aber 121 Tore geschossen habe, das wird oft vergessen …“

Okay, weil die Fragen gern trivialer Natur sind, grenzen sie hier und da fast an „unnützes Fußballwissen“. Wer aus dem Effeff weiß, was die bisher höchste Rückennummer war, mit der in der Bundesliga gespielt wurde, die 69, 77 oder 91, muss schon ein Freak sein (die 77 ist es). Wer nicht auf dem Kasten hat, vor welcher Saison sich Torsten Legat auf dem Mannschaftsfoto von Schalke nach einer Wette mit Olaf Thon die Hose bis fast unter die Achseln gezogen hat, bleibt trotzdem ein Freund des Fußballs, auch wenn gerade Eiserne das auf der Pfanne haben könnten – Spieljahr 2000/01, Pokalfinale, Schalke als Endspielgegner … Keine Sorge, unser Leo hat uns gerettet. Wo Bum-kun Cha, der Südkoreaner, vor seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt (122 Spiele) und Bayer Leverkusen (185) in der Bundesliga gespielt hat, dort aber nur zu einem Einsatz gekommen ist, wissen wir auch: Darmstadt 98!

Die „Lilien“, Aufsteiger wie der 1. FC Union Berlin in seiner fünften Saison in der Bundesliga und am Sonnabend erster Auswärtsgegner der Eisernen in diesem Spieljahr, haben es in sich. „Unsere Bilanz dort sieht nicht so gut aus“, weiß Leo, „da haben wir auch schon mal mit 0:5 verloren und selbst in unserer Aufstiegssaison keinen Punkt geholt.“ Aus Sicht eines Spielers mahnt auch Torsten Mattuschka zu Vorsicht. „Ach“, stöhnt er, „das sind so eklige Spiele, die keiner gern hat. Und wir wissen ja, wie es Union gegen solche Gegner geht. Da haben wir mehr Ballbesitz, müssen das Spiel machen und es wird bestimmt nicht schön, sondern eher unangenehm.“ Zugleich wittert Tusche eine große Chance: „Wenn wir das Spiel gewinnen, können wir von einem gelungenen Saisonstart reden.“ Eisern!