Wer den 1. FC Union Berlin seit Jahrzehnten kennt, muss denken, dass nun das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Kurz darauf muss sich derjenige dann doch wieder kneifen und sich die Augen reiben, weil hinter der Fahnenstange noch eine steht und noch eine, die vorher nicht da gestanden haben. Wenn es irgendwann vielleicht doch die letzte sein könnte, wird sich bestimmt wieder jemand finden, der noch eine hinstellt und wieder eine. So geht das nun schon eine Weile und es hört und hört nicht auf.
Zwei Spieler des 1. FC Union Berlin schaffen es in die Schlagzeilen
Es gab zur Saisonpremiere gegen Mainz sicherlich einige, denen schwante nichts Gutes. Mit Auftaktspielen hatten es die Eisernen in der Bundesliga bisher nicht so. Ein Sieg nur sprang in der Vergangenheit heraus, im Vorjahr mit 3:1 im Stadtderby. Dann auch noch das: Rani Khedira nicht einsatzfähig, auch Lucas Tousart und Janik Haberer nicht. Als Trainer Urs Fischer zunächst anscheinend ohne Not sogar auf Sheraldo Becker, den mit elf Treffern erfolgreichsten Offensivgeist der Vorsaison, verzichtete, bekamen im Fanlager einige wohl leichte Zweifel am Schweizer und fragten, ob die Crew um ihn herum noch im Aufwärmmodus sei.
Die Antwort: Nein, ist sie nicht. Es ist gut gegangen, völlig klar nach einem 4:1 gegen Mainz. Zumal es zwei Männer in die Schlagzeilen schafften, die hin und wieder schon dort standen, aber nie mit solch einzigartigen Taten, dass sie über Köpenick hinaus für Staunen sorgen.
Über Kevin Behrens und dessen Kopfballstärke etwas zu erzählen, hieße, auf das tägliche Verkehrschaos in Köpenick hinzuweisen und speziell auf die Staus vor der Einengung hin zur Schlossinsel oder bei Spieltagen rund um das Stadion an der Alten Försterei. Wissen alle, sie fahren trotzdem sehenden Auges hinein. In diesem Fall ist Behrens beides schnuppe. Erstens als Kopfball-Dreierpacker, der die Mainzer Defensive ratlos zurückließ, zweitens als einer, der nach seinem Kunststück auf dem Fahrrad nach Hause fuhr und dem Stau das Rücklicht zeigte.
Na gut, mag mancher meinen, drei Tore sind schön, drei Tore sind wichtig, drei Tore sind eine Wucht. Aber es gibt Spieler, die haben selbst in einem WM-Endspiel drei Tore erzielt. So Geoffrey Hurst 1966 beim 4:2 der Engländer gegen die DFB-Elf um Kapitän Uwe Seeler und im vorigen Jahr Kylian Mbappé beim 3:3 der Franzosen gegen Argentinien, er aber doch nicht Weltmeister wurde. Also macht nicht so viel Wind. Doch! Weil es erstens um Kevin Behrens geht und zweitens um Kevin Behrens in der Bundesliga.
Ein Dreierpack ist dem inzwischen 32-Jährigen selbst in 94 Zweitligaspielen nicht gelungen, auch nicht in 181 Spielen in der Regionalliga. Drei Tore in einem Punktspiel im Männerbereich sind für Behrens ein einziges Mal festgehalten. In der Bremenliga gelangen sie ihm, da war er 20, mit Werder Bremen III bei einem 7:1 bei – der Name ist echt, echt – TuS Schwachhausen. Ob der Dreier bei dem Gegner überhaupt zählt? Also: den mitgenommenen Ball in die Vitrine stellen und weitermachen.
Der Ball klebt nach beiden Elfmetern an den Handschuhen von Rönnow
Einen Spielball mitgenommen hat Frederik Rönnow nicht, obwohl auch er allen Grund dazu gehabt hätte. Selten ist jemand seiner Position als Hüter des Tores besser gerecht geworden als der Däne, vor allem wenn es um Elfmeter geht. Natürlich haben andere Keeper mehr Bälle vom Punkt gehalten als die Nummer eins der Eisernen, die allermeisten aber beim Elfmeterschießen. Älteren Semestern fällt hier vor allem Helmuth Duckadam ein, der Steaua Bukarest 1986 zum Sieger des europäischen Meistercups machte, als er gegen den FC Barcelona vier Schüsse hielt und der fünfte Barca-Schütze nicht mehr antreten musste. Aber im Spiel? Und zudem so, dass der Ball beide Male wie festgeklebt an den Handschuhen haftet? Das ist ein großer Moment für Rönnow und überhaupt was für die Ewigkeit.




