In Zeiten von Powerfood, teuren In-Restaurants und Low Carb Diäten ist die gute, alte Hausmannskost reichlich in Verruf geraten. Zu fettig, zu viele Kohlenhydrate, völlig ungesund. Dabei ist das vermeintliche Arme-Leute-Essen in Wirklichkeit viel besser für uns als gedacht.
„Die meisten Hausmannskostrezepte von früher haben einen entscheidenden Vorteil: Es sind Gerichte aus relativ einfachen und naturbelassenen Zutaten, die ohne Chemie und Zusatzstoffe auskommen“, sagt Dr. Simone Koch, Allgemeinmedizinerin aus Lankwitz, Gesundheits-Podcasterin und Buchautorin.
Wir ernähren uns heutzutage zu ungesund. Und das liegt vielfach an den unzähligen Fertigprodukten, die wir essen: Chips, TK-Pizza, Soßen zum Anrühren, Nudelpfannen, Fruchtjoghurts, Streichwurst, Dosensuppen. Das schmeckt alles meistens richtig gut – und das liegt vor allem an allerhand Zutaten, die in klassischen Rezepten nicht vorkommen.
Unter Ernährungsfachleuten gilt daher die Maxime: Je länger die Liste der Inhaltsstoffe (und je mehr Worte, die man nicht kennt), desto ungesünder. Wenn wir hingegen selbst kochen, reichen meist eine Handvoll Zutaten, um eine vollwertige Mahlzeit zu zaubern. Und wir können alle Zutaten aussprechen – anders als bei den Zutatenlisten, die auf Fertigprodukten aufgedruckt sind.
Vereinfacht ausgedrückt tragen diese sogenannten hochverarbeiteten Lebensmittel dazu bei, dass wir weniger gesund sind. Die Zusätze können unter anderem Entzündungen fördern, die Darmflora verändern und unseren Stoffwechsel beeinflussen. Deshalb ist es besser, selbst zu kochen und genau zu wissen, was man isst.
Wichtig ist es zudem, dass man Abwechslung in den Speiseplan bringt und darauf achtet, täglich fünf Portionen Gemüse und Obst zu essen; vor allem Gemüse, weil der Fruchtzucker aus dem Obst für unseren Körper letztlich auch nur Zucker ist. Vitamine und Mineralstoffe hingegen stecken im Gemüse ebenso reichlich wie im süßen Obst!
„Bei der Hausmannskost muss man allerdings bedenken, dass die Gerichte zu einer Zeit entstanden sind, als die Menschen noch schwer körperlich gearbeitet haben und einen entsprechend hohen Kalorienbedarf hatten“, sagt Medizinerin Simone Koch. „Wir brauchen heutzutage in der Regel nicht mehr so energiedichte Speisen.“
Unterm Strich seien „Kartoffeln mit einer Bechamelsoße aus Butter und Kräutern immer noch besser als eine Fertig-Lasagne, wo die Zutatenliste klingt wie aus dem Labor“, sagt die Lankwitzerin. „Der Vorteil bei so einfachen Gerichten ist neben der tatsächlichen Zusammensetzung nämlich auch der Umstand, dass der Geschmack meist nicht so aufregend ist wie bei verarbeiteten Lebensmitteln. Und deshalb essen wir davon tendenziell auch weniger. Insofern ist die Energiedichte kein so großes Problem.“
Je stärker ein Lebensmittel verarbeitet ist, je mehr Zusätze also drinstecken, desto mehr wird das Freude- und Belohnungszentrum im Hirn aktiviert, was dazu führt, dass wir noch mehr von dem schönen Gefühl haben wollen und weiteressen. Das gilt vor allem für Speisen, die besonders cremig, würzig oder knusprig sind.
Kartoffeln mit Senfsoße und Ei
Kartoffeln schälen und durchgaren, Eier kochen, Senfsoße mit Mehlschwitze anrühren – fertig ist das Essen. Geht schnell und macht satt. „Man kann die Senfsoße statt mit Mehlschwitze auch mit Mandelmus oder dem geschmacksneutralen Cashewmus andicken“, sagt Dr. Simone Koch. „Ich nehme sehr gern Maniokmehl zum Abbinden.“ Ein guter Tipp für alle mit Glutenunverträglichkeit.
Mehlschwitze gilt als Dickmacher, ist jedoch in der Regel kein Problem, weil die Menge einfach zu gering ist, um – buchstäblich – ins Gewicht zu fallen. Welchen Senf Sie verwenden, ist relativ egal. Nur ein süßer Senf sollte es nicht sein, weil der sehr viel Zucker enthält.
Ansonsten ist Senf aber „supergesund“, wie die Medizinerin sagt. „Er enthält Myrosinase, die das wichtige Glukoraphan in grünem Gemüse aktiviert. Dieses wiederum hilft der Leber beim Abbau toxischer Substanzen, wirkt antientzündlich und hat einen positiven Effekt aufs Mikrobiom des Darms.“ Und weil Senf, anders als Ketchup, so gut wie keinen Zucker enthält, ist er – mal am Rande erwähnt – auch der bessere Belag für die Bratwurst!
Übrigens: Kochen Sie die Eier möglichst weich, dann sind sie bekömmlicher. „Wir können sie dann besser verdauen. Mit hart gekochten Eiern tut sich unser Magen eher schwer“, weiß Simone Koch. Und je leichter wir es unserem Verdauungstrakt machen, desto unwahrscheinlicher sind Beschwerden.
Kartoffeln mit Kräuterquark und Leinöl
Kartoffeln gelten als langweilig und nicht wirklich gesund. Schade, findet die Ärztin: „Im Vergleich zu Nudeln und Reis haben Kartoffeln eine geringe Energiedichte, machen aber aufgrund ihres gut verdaulichen Proteins richtig satt. Sie sind total unterbewertet, dabei stecken sie voller Nährstoffe.“
Tipp: Verwenden Sie die Kartoffeln vom Vortag und wärmen Sie sie kurz auf. „Wenn Kartoffeln gekocht und abgekühlt sind, haben sie einen erhöhten Anteil an resistenter Stärke. Diese hat einen höheren Sättigungsgrad und ist gut für den Darm“, sagt Simone Koch.
Im Darm sitzt sozusagen die Schaltzentrale unseres Immunsystems. Die Mikroben sorgen dafür, dass wir gesund bleiben. Gute Ballaststoffe, wie sie in Kartoffeln und Gemüse stecken, sind ihre Hauptnahrung, wohingegen die Zusatzstoffe aus Fertiggerichten ein Schmaus für krank machende Darmbakterien sind, die schnell Überhand gewinnen, sodass es uns schlecht(er) geht.
Zusammen mit Quark ist die Kartoffel ein echtes Powerteam, denn sie ergänzen sich so wunderbar, dass die Bioverfügbarkeit bei einem Wert von 130 liegt. Als Referenzwert für die Eiweißaufnahme (Proteine) gilt ein Hühnerei mit einem Score von 100. Bei Kartoffeln und Quark ist es so, dass tierisches und pflanzliches Eiweiß in der Kombination auf einen Wert von 130 kommen.
Wer hätte das gedacht? Ein derart unspektakuläres Gericht ist nicht nur ein Sattmacher-Schergewicht, denn Proteine sättigen hervorragend, sondern es tut unserer Gesundheit Gutes. Immerhin bestehen wir Menschen auch aus Proteinen und brauchen fortwährend Nachschub, weil sie die Bausteine für Muskeln, Blut und Organe sind, weil wir sie für die ständig stattfindenden Regenerationsprozesse brauchen, für Enzyme und Hormone, aber auch für die Immunabwehr.
Allerdings enthält Quark vielfach Casein, ein Milchprotein, das viele Menschen nicht vertragen. Deshalb rät Simone Koch dazu, auf Quark aus Schafs- oder Ziegenmilch auszuweichen, beziehungsweise darauf zu achten, dass Kühe auf den Alpen lebten. Deren Milch enthält nämlich das der Muttermilch ähnliche Alpha-II-Casein und ist besser verdaulich.
Am besten, Sie mischen sich den Kräuterquark selbst an. Dabei dürfen Sie kreativ sein: Zwiebeln, Petersilie, Schnittlauch, Dill, Kerbel. Kräuter stecken voller Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Eigentlich sollte man sich über alles, was man isst, ein paar frische Kräuter streuen, um das Ganze etwas gesünder zu machen. Und schmackhafter sowieso.
Üblicherweise gibt man zur Backkartoffel mit Quark noch ein wenig Leinöl dazu, dessen Omega-3-Fettsäuren unter anderem entzündungshemmend und blutdrucksenkend sind. Aber Vorsicht: „Leinöl wird superschnell schlecht“, warnt die Ärztin. „Spätestens einen Monat nach Anbruch sollte es aufgebraucht sein.“
Achten Sie beim Kauf darauf, dass das Leinöl kaltgepresst ist und unter Ausschluss von Licht und Luft hergestellt wurde. Sie finden in dem Fall auf der Flasche oder der Verpackung den Aufdruck ‚oxysafe‘ oder ‚oxyguard‘. „Die Fettsäuren des Öls werden schnell ranzig und begünstigen freie Radikale im Körper. Das sind Stoffwechselprodukte, die unsere Zellen schädigen können.“
Bratkartoffeln mit Spiegelei
Bratkartoffeln sind so lecker, weil sie angebraten sind – die Konsistenz spricht die Freudesensoren im Hirn an. Und das Bratfett ist ein Geschmacksträger, es verstärkt den Geschmack von Salz und Gewürzen. Lecker!
Dabei ist das Bratöl nicht so richtig gut für uns. „Je weiter wir ein Produkt, in diesem Fall die Kartoffel, verarbeiten, desto weniger gesund wird es“, sagt Simone Koch. Deshalb ist beispielsweise auch eine Kartoffel, die wir auf dem Teller zerdrücken und mit Soße vermischen, aus ernährungsphysiologischer Sicht besser als Kartoffelbrei mit Soße.
Falls Sie Zwiebeln mögen, fügen Sie sie gern den Bratkartoffeln hinzu, am besten sogar roh. „Sie enthalten viele Ballaststoffe, was gut für den Darm ist, aber auch sehr gesunde Schwefelsäuren und Senföle, die beim Braten jedoch kaputtgehen“, so die Medizinerin.
Tipp der Expertin: Statt die Kartoffeln wie gewohnt in der Bratpfanne anzubraten, kann man sie auch in einer Heißluftfriteuse zubereiten. „Das schmeckt genauso gut, aber man braucht wesentlich weniger Öl“, sagt sie. „Zwar ist so ein Gerät zunächst eine relativ kostspielige Anschaffung, aber sie rentiert sich schnell, zumal man so viel mehr damit zubereiten kann und nicht dabeistehen muss.“
Beim Spiegelei gilt das Gleiche wie beim Frühstücks- oder Senfei: Bitte weich! Denn nur so können die enthaltenen Nährstoffe optimal vom Körper verwendet werden. „Und was das Cholesterin angeht, sind die Eier ohnehin längst rehabilitiert“, sagt Ärztin Simone Koch. „Es ist in mehreren Studien eindeutig widerlegt, dass Eier sich negativ auf den Cholesterinspiegel auswirken.“ Stattdessen sollte man wissen, dass das Eigelb Cholin enthält, das in unserer Ernährung oft fehlt, aber eine wichtige Rolle bei Entgiftungsprozessen spielt.
Falls Sie lieber ein Bauernfrühstück mögen, ist das auch eine gute, gesunde Mahlzeit. Gern können Sie Ihr Gericht mit sauren Gurken garnieren, denn auch die tun uns Gutes – sofern sie fermentiert sind. Das trifft üblicherweise auf Spreewaldgurken zu, nicht jedoch auf viele andere Markenprodukte, die teils stark gezuckert sind.
„Durch die Fermentierung enthalten die eingelegten Gurken Lactobazillen und Bifidobakterien, die im Darm Pilze töten, den Blutzucker regulieren und den Cholesterinspiegel senken“, erklärt die Expertin. „Früher hat man viel mehr fermentiertes Gemüse gegessen, Rote Bete oder nicht erhitztes Sauerkraut beispielsweise.“
Kartoffeln mit Spinat und Rührei
Kartoffeln und Eier haben eine Bioverfügbarkeit von 136, sind also eine richtig gute Nährstoffquelle. Kombiniert mit Spinat umso mehr, denn das Gemüse enthält unter anderem die lebenswichtige Folsäure. Diese ist zum Beispiel an vielen wichtigen Zellteilungs- und Wachstumsprozessen beteiligt. Auch Vitamin C steckt drin, wenngleich „davon das meiste beim Kochen verloren geht“, so Simone Koch.
Dass Spinat besonders viel Eisen enthält, stimmt nicht. 100 Gramm Spinat hat 2,7 Milligramm Eisen, Linsen hingegen 3,3 Milligramm und Haferflocken sogar 5,4 Milligramm. Dass Spinat als so eisenreich gilt, liegt daran, dass bei der Ermittlung des Eisenwertes das Komma falsch gesetzt wurde und man fortan dachte, Spinat enthielte 27 Milligramm Eisen.
Zudem steckt im Spinat viel Kalium, Calcium und Magnesium; allesamt lebenswichtige Mineralstoffe, die vor allem in der Kombination gut wirken. Sie sind unter anderem für viele Stoffwechselprozesse wichtig. Doch im rohen Spinat steckt auch jede Menge Oxalsäure, die lebenswichtige Nährstoffe im Darm bindet, ihn reizen und sogar Nierensteine verursachen kann.
„Bei TK-Spinat ist die Oxalsäure weitgehend entfernt, das ist unproblematisch“, sagt die Ärztin. „Aber frischen Spinat muss man – so wie früher – dreimal überbrühen und kräftig ausdrücken.“ Wenn Sie beim Verzehr merken, dass Ihre Zähne stumpf werden, ist das ein Hinweis auf einen hohen Oxalsäuregehalt.
Deshalb gehöre Spinat eigentlich auch nicht in den Salat, auch kein Baby-Spinat, wie die Expertin sagt: „Oxalsäure ist ein Anti-Nährstoff.“ Wenn Sie ihn essen möchten, was grundsätzlich auch empfehlenswert ist, sollten Sie darauf achten, den Spinat vorher ordentlich abzubrühen und zu wringen.
Eintöpfe, Brühe und Suppen
Egal ob Linsensuppe, Hühnerbrühe oder Erbseneintopf: Die Löffelgerichte sind das eigentliche Powerfood unter der Hausmannskost. „Aber nur, wenn man sie tatsächlich selber macht und nicht ein Fertigprodukt erwärmt“, sagt Simone Koch.
Traditionell werden Hülsenfrüchte „48 Stunden eingeweicht und dreimal abgegossen, um so unter anderem das Lektin zu entfernen, das den Darm schwächen kann“, so die Medizinerin. „Sofern sie vertragen werden, sind Hülsenfrüchte aber die perfekte Kombination aus Protein und Kohlenhydraten.“
Zu den Hülsenfrüchten gehören Erbsen, Bohnen und Linsen. Sie können blähend wirken, was unangenehm sein kann. Aufgrund der vielen enthaltenen Ballaststoffe fördern sie die Verdauung.
Sie können in Suppen und Eintöpfe schnippeln, was Ihnen schmeckt, also beispielsweise auch Kartoffeln und Möhren. „Letztere sollten aber unbedingt aus biologischer Landwirtschaft sein, weil Karotten Schwermetalle aus dem Boden binden, die für uns schädliche Auswirkungen haben können“, weiß die Fachfrau.










