Berliner Insektenforscher

Wespenstich: Berliner Experte rät, warum man die Flucht ergreifen sollte

Wussten Sie, warum aus einer Wespe am Esstisch plötzlich so viele werden, wie das funktioniert? Und was nach einem Stich wirklich hilft? Ein Experte erklärt’s.

Gefangen im Marmeladenglas: Die Gemeine Wespe sollte man nicht erschlagen, sie ist wichtig fürs Ökosystem.
Gefangen im Marmeladenglas: Die Gemeine Wespe sollte man nicht erschlagen, sie ist wichtig fürs Ökosystem.dpa/Stefan Jaitner

Momentan sind die Wespen irgendwie überall – und vor allem sehr penetrant. Ehe man weiß, woher sie überhaupt kam, hat das Insekt schon zugestochen. Und das tut höllisch weh. Der Stich, das injizierte Gift – im Bruchteil einer Sekunde spürt man den Schmerz.

Am liebsten möchte man die Wespe danach totschlagen. Weil sie so gemein war. Und natürlich, weil sie immer wieder stechen kann, anders als die Biene, deren Stachel stecken bleibt und die alsbald stirbt. Sollten Sie also einen Stich innerhalb der Kleidung, beispielsweise unterm T-Shirt, spüren, ziehen Sie das Kleidungsstück schnellstmöglich aus, damit die Wespe (sofern es eine ist) wegfliegen kann und nicht voller Panik immer wieder zusticht.

Denn tatsächlich handelt die Wespe genau wie wir: Sie fühlt sich bedroht. „Und dann sticht sie zu, um sich zu verteidigen“, weiß Dr. Stephan Härtel, Wespenexperte beim Nabu Berlin. Aktuell sind es die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe, die unterwegs sind, uns nahe kommen und im Zweifel eben auch stechen.

Wie ticken Wespen überhaupt?

Die unsere Nähe suchenden Wespen sind soziale Wesen, die in einem hochorganisierten Staat zusammenleben. Die Wespen, die uns über den Weg fliegen, sind die Arbeiterinnen, die für die Brutpflege und Nahrungsbeschaffung zuständig sind. Die Königin ist das einzige weibliche Tier, das sich in der Gemeinschaft fortpflanzt; alle Arbeiterinnen im Volk sind Schwestern. Das Arbeiten ist ihr Job, und den nehmen sie ernst.

Königinnen in sozialen Insektenstaaten sind im Übrigen nicht das Oberhaupt des Staates, sondern lediglich zuständig für den Nachwuchs. Die Wespenkönigin produziert alle Nachkommen in Form von Eiern. Entscheidungen im Staat werden allerdings vom Kollektiv der Arbeiterinnen getroffen. „Die Königin bestimmt eigentlich nur bei der Standortsuche, wo das Nest gebaut wird. Danach ist sie nur noch reproduktiv“, erklärt Dr. Stephan Härtel.

Wespen kommunizieren miteinander, das weiß man mittlerweile. Wie genau sie das tun, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt. Als sehr wahrscheinlich gilt, dass sie über den sogenannten Sozialmagen und Pheromone miteinander kommunizieren: Sie umsorgen sich gegenseitig, füttern einander. „Und auf diese Weise stehen sie miteinander im Austausch, teilen einander mit, wo es welches Futter gibt“, so Härtel.

„Deshalb haben sie auch relativ bald, nachdem Sie eine Wespe von Ihrem Essen verscheucht haben, mehrere Wespen da. Die erste Wespe ist mit ein wenig Nahrung zurück zum Nest geflogen und hat den anderen mitgeteilt, dass es bei Ihnen was zu holen gibt. Und dann kommen sie eben zu mehreren“, sagt der Wespenexperte.

Nabu-Experte: Nach dem Wespenstich sollten Sie flüchten

Momentan ist die Situation für die Wespen so: Die Königin wird bald sterben, es kommt kein neuer Nachwuchs mehr. Das macht die Tiere sehr nervös. Hinzu kommt ein immer geringer werdendes Nahrungsangebot, weil viele Insekten, von denen Wespen sich ernähren, schon tot sind. Deshalb kommen sie ja an unseren Esstisch geflogen: Hier gibt es noch immer reichlich zu holen.

Deshalb kann man den Wespen derzeit kaum aus dem Weg gehen. Sie haben großen Hunger. Und sie spüren, dass ihre bekannte Welt sich dramatisch verändert. Und wenn dann noch eine Bedrohung dazu kommt, stechen sie zu.

„Bienen und Wespen stechen, um sich zu verteidigen“, so Dr. Stephan Härtel. „Das ist ja bekannt, wird aber vielfach vergessen. Sie stechen nicht aus Spaß an der Freude.“ Und weil die Wespen kommunikative Wesen sind, teilen sie diese Information ihren Schwestern mit, indem beim Stich Alarmpheromon freigesetzt wird.

„Nach dem Stich fliegt die Wespe also nicht einfach nur weg, sondern sie hinterlässt für die anderen Wespen ein chemisches Signal, welches den Gestochenen als Angreifer markiert. Die Schwestern folgen dieser Markierung und stechen zu, so kann es schnell zu Dutzenden Stichen kommen“, weiß der Nabu-Experte.

Und dann kann es brenzlig werden: Die Wespen kommen dann nämlich als Gruppe zu Ihnen zurück und könnten Sie, die Bedrohung, angreifen. „Deshalb rate ich jedem Menschen, der gestochen wurde, sich möglichst weit von dem Ort zu entfernen, wo es passiert ist“, sagt Dr. Stephan Härtel.

Zwar ist es nicht so, dass gleich Hunderte Wespen angeflogen kommen, aber es reicht auch schon ein halbes Dutzend, um Ihnen zuzusetzen. Ein Wespenstich ist schmerzhaft, mehrere können je nach Ort des Stiches gefährlich werden.

Was hilft bei Wespenstichen?

Wespengift besteht hauptsächlich aus Proteinen und Enzymen, die eine allergische Reaktion auslösen können. Bei Kreislaufproblemen nach einem Stich bitte sofort einen Arzt beziehungsweise Ärztin oder den Notdienst benachrichtigen. „Wenn Sie gestochen wurden, ist die beste Behandlung ein Stichheiler, der die Einstichstelle erhitzt und die Giftbestandteile denaturiert“, so Dr. Stephan Härtel.

Sogenannte Stichheiler unterbrechen aufgrund der aufgebrachten Hitze die Reizweiterleitung und unterdrücken somit die Ausschüttung des körpereigenen Histamins. Histamin ist Teil der antiallergischen Immunabwehr und ist für das Jucken verantwortlich.

Kühlen ist immer die naheliegendste Sofortmaßnahme. Entweder unmittelbar nach dem Stich, oder – besser noch: nach der Applikation des Stichheilers. Durch die Kälte (Kühlpack, nasser Lappen) werden Schmerz und Juckreiz minimiert, Sie erfahren Linderung.

Vorsicht beim Aussaugen des Giftes: Erstens müssen Sie zügig handeln, weil sich der Stichkanal sehr schnell verschließt. Aber das Gift könnte über die Mundschleimhaut aufgenommen werden, weshalb Sie es umgehend ausspucken sollten. Alternativ gibt es kleine Saugpumpen zu kaufen, mit denen man das Gift auch herausziehen kann.