Seit mehr als 40 Jahren prägt die Mutter-Heimat-Statue die ukrainische Hauptstadt Kiew wie kaum ein anderes Wahrzeichen der Stadt. 102 Meter – so hoch ist die stählerne Figur, die Frau mit Schwert und Schutzschild in den Händen. Sie erinnert mit ihren imposanten Miene nicht nur an Ehrfurcht und Stolz, auch erinnern die sowjetischen Hammel und Sicher auf dem Schild an eine Zeit, die die Ukrainer wohl vergessen wollen.
Entworfen wurde sie von Jewgeni Wutschetitsch, demjenigen Bildhauer, der auch für die Figur des sowjetischen Soldaten mit Kind im Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park verantwortlich war. Warum will die Ukraine gerade jetzt das Wahrzeichen verändern?
Vor dem Hintergrund eines anderen Krieges wird dieses Denkmal bald ganz anders aussehen. Das Architekturbüro und Stadtplanungsamt der Ukraine, DIAM, hat die Erlaubnis zum Ersatz der Hammer und Sichel am Schild der 1981 erbauten Statue durch das Trysub – das dreizackige Wappen der Ukraine – erteilt. Damit soll jede Spur von russischem Einfluss oder russischer Besatzung in der Ukraine beseitigt werden, heißt es in einer Mitteilung des Amts. Die Hauptabmessungen und das Layout des Dreizacks auf dem Schild werden noch vom ukrainischen Ministerium für Kultur und Informationspolitik abgestimmt.
DIAM: „Wir feuern diesen Umbau aufrichtig an“
„Wir hoffen auf den baldigen Beginn der Bauarbeiten und freuen uns auf den Eingang der Dokumente für die Inbetriebnahme des Bauobjekts“, teilte das DIAM mit. „Wir feuern diesen Umbau aufrichtig an und tragen so weit wie möglich dazu bei, dass vom Feind und allem, was damit verbunden ist, in unserem Staat keine Spur mehr übrig bleibt.“
Pläne für den Ersatz von Hammer und Sichel standen schon länger im Raum. Seit 2015 hat die Ukraine mehrere Gesetze zur „Entkommunisierung“ verabschiedet: Diese verbieten Symbole und Ortsnamen mit Verbindung zu den Sowjet- und Naziregimen. Tausende Straßen, Plätze und manchmal ganze Städte wurden in diesem Zuge umbenannt, Statuen von Figuren wie Wladimir Lenin verschwanden aus dem öffentlichen Raum – bislang blieb die Mutter-Heimat-Statue in Kiew noch verschont.
Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar 2022 kochte das Thema Entkommunisierung aber wieder auf. Im Sommer 2022 stimmten 85 Prozent von 800.000 Ukrainern in einer Befragung des Ukrainischen Instituts für Nationale Erinnerung für den Austausch von Hammer und Sichel auf dem Schild der Mutter-Heimat-Statue gegen das Wappen der Ukraine.
Umbau soll 680.000 Euro kosten und im August abgeschlossen sein
Am 3. Mai 2023 verabschiedete das ukrainische Parlament ein Gesetz, das die Beseitigung sowjetischer und russisch-imperialer Kulturdenkmäler ermöglichte. Diese seien „ein Symbol der totalitären Politik und Ideologie des russischen Imperiums und der Sowjetunion“, sagte damals der Kulturminister der Ukraine, Oleksandr Tkatschenko. Nur wenige Tage später kündigte er an, die Vorbereitungen für die Beseitigung von Hammer und Sichel auf dem Wappenschild der Statue hätten begonnen.

Das Ukrainische Institut für Nationale Erinnerung teilte mit, der Umbau soll bis zum Unabhängigkeitstag der Ukraine am 24. August dieses Jahres abgeschlossen werden. Der Umbau soll um die 28 Millionen ukrainische Hrywnja (etwa 680.000 Euro) kosten, Haushaltsmittel werden für die Umsetzung offenbar nicht verwendet. „Das Geld für die Wiederherstellung historischer Gerechtigkeit wird ausschließlich von einem großen Unternehmen gesammelt, das an diesem Projekt beteiligt sein möchte“, so Kulturminister Tkatschenko.
Auch Estland und Lettland beseitigen Symbole der sowjetischen Vergangenheit
Die Statue wird damit das jüngste Denkmal aus der Sowjetzeit, dessen Aussehen seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine nachhaltig verändert oder ganz abgebaut worden ist – und zwar nicht nur in der Ukraine. Ein weiteres Wahrzeichen des Kiewer Skylines aus der Sowjetzeit, der Bogen der Völkerfreundschaft, wurde im April vergangenen Jahres in den Freiheitsbogen des ukrainischen Volkes umbenannt; eine darunter stehende Bronzeskulptur mit den Figuren eines russischen und eines ukrainischen Arbeiters wurde demontiert.




