Russland

Atomschlag gegen die Ukraine: Was halten die Russen davon? Das zeigt eine Umfrage

Ein Putin-Berater liebäugelt mit einem Atomanschlag, Lawrow warnt vor einer „nuklearen Bedrohung“ durch die Übergabe der F-16-Jets an die Ukraine. Was sagen die Russen dazu?

Dieser Schnappschuss aus einem vom russischen Verteidigungsministerium am 20. April 2022 veröffentlichten Video zeigt den Abschuss der Interkontinentalrakete Sarmat auf dem Testfeld Plessezk in Russland.
Dieser Schnappschuss aus einem vom russischen Verteidigungsministerium am 20. April 2022 veröffentlichten Video zeigt den Abschuss der Interkontinentalrakete Sarmat auf dem Testfeld Plessezk in Russland.Russian Defence Ministry/AFP

„Ist es Ihrer Meinung nach akzeptabel oder inakzeptabel, Atomwaffen einzusetzen, wenn dies [für Russland] notwendig wäre, um in der Ukraine zu siegen?“

Diese Frage hat die private russische Meinungsforschungsfirma Russian Field 1604 Menschen in Russland im Juni telefonisch gestellt. Das Ergebnis: 74 Prozent der Befragten lehnen einen möglichen Einsatz der Atomwaffen in der Ukraine kategorisch ab, elf Prozent halten es jedoch für zulässig. Weitere fünf Prozent halten es nur in dem Fall für zulässig, wenn Russlands Siegeschancen in der „Spezialoperation“, also im Krieg gegen die Ukraine, schwinden würden. Die anderen haben sich enthalten oder konnten die Frage nicht beantworten. 

„Ein Atomschlag ist für die Befürworter eine Machtdemonstration und die Kehrseite von Unsicherheit“

Einen Einsatz von Atomwaffen würden dabei vor allem Männer unterstützen. Am häufigsten stimmten Menschen im Alter von 30 bis 44 Jahren der Möglichkeit eines russischen Atomschlags auf die Ukraine zu. Über die Umfrage hat das russische Geschäftsportal RBC berichtet

Das Portal zitiert dabei die Leiterin der Abteilung für Methodik der Wissenschaft, Sozialtheorie und Technologie an der Staatlichen Universität Pensa, Anna Otschkina, die die Ergebnisse der Umfrage für Russian Field ausgewertet hat. „Ich glaube, ein Atomschlag ist aus Sicht der Befürworter eine Machtdemonstration, die jeden dazu zwingen wird, die Bedingungen desjenigen zu akzeptieren, der diesen Schlag ausführt.“ Und deshalb sollten nach der Logik dieser Menschen die anderen Angst haben, nicht sie. „Das ist die Kehrseite von Sucht und Unsicherheit – rohe Gewalt als Lösung für alle Probleme zu betrachten“, erklärte die Forscherin.

Ukraine-Krieg: Ukrainische Piloten werden für F-16-Kampjets ausgebildet

Die Diskussion über eine mögliche Eskalation des Krieges und den hypothetischen Einsatz von Atomwaffen wurde in Russland wieder aufgenommen, nachdem Präsident Wladimir Putin Ende März Pläne zur Stationierung taktischer Atomwaffen auf dem Territorium von Belarus angekündigt hatte. Der russische Außenminister Sergei Lawrow sagte zuletzt in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem regierungsnahen Portal Lenta, Russland würde eine Übergabe der amerikanischen F-16-Kampfflugzeuge an die Ukraine als eine nukleare Bedrohung betrachten.

Vorher hatten der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow und die Staats- und Regierungschefs von elf westlichen Ländern (ohne Deutschland) ein Memorandum zur Ausbildung ukrainischer Piloten für F-16-Kampfflugzeuge unterzeichnet. „Im Verlauf der Kämpfe werden unsere Militärs nicht klären, ob jedes einzelne Flugzeug des angegebenen Typs für die Lieferung von Atomwaffen ausgerüstet ist oder nicht“, warnte Lawrow und beschuldigte die USA und die Nato wachsender Risiken eines direkten bewaffneten Zusammenstoßes mit Russland, dessen mögliche Folgen er als „katastrophal“ bezeichnete.

Noch früher im Juni hatte der wissenschaftliche Direktor der Fakultät für Weltwirtschaft und Weltpolitik an der Hochschule für Wirtschaft sowie Putin-Berater Sergei Karaganow einen umstrittenen Artikel veröffentlicht unter dem Titel „Der Einsatz von Atomwaffen könnte die Menschheit vor einer globalen Katastrophe retten“. „Dies ist eine moralisch schreckliche Entscheidung – wir nutzen die Waffen Gottes und verurteilen uns selbst zu schweren spirituellen Verlusten. Aber wenn dies nicht geschieht, könnte nicht nur Russland zugrunde gehen, sondern höchstwahrscheinlich wird die gesamte menschliche Zivilisation untergehen“, schrieb Karaganow im Artikel. Studierende und Mitarbeiter der Universität wandten sich an die Ethikkommission der Hochschule mit dem Vorwurf, solch ein Artikel dürfe nicht mit Erwähnung der Universität veröffentlicht werden. Doch die Kommission hat keine Verstöße in Karaganows Artikel festgestellt und weigerte sich, seine Aussagen zu bewerten. 

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