Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stellt neben der geplanten Erweiterung des Kanzleramts im Spreebogen den Neubau des Bundesfinanzministeriums infrage. Beide sollen zusammen mehr als eine Milliarde Euro kosten.
„Sämtliche Vorhaben müssen mit Blick auf ihre Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit auf den Prüfstand gestellt werden“, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums am Dienstag auf Anfrage der Berliner Zeitung. „Das trifft den Erweiterungsbau des Bundesministeriums der Finanzen ebenso wie andere Bauprojekte.“
Von den Plänen für den Erweiterungsbau des Kanzleramts war Lindner bereits vor wenigen Tagen in der ARD-Sendung „Maischberger“ abgerückt. „Ich glaube, dass wir für den Haushalt 2024 auch im Bereich der Regierung im engeren Sinne sparen müssen“, sagte er. In Zeiten von mehr Homeoffice und ortsflexiblem Arbeiten sei ein mindestens 800 Millionen Euro teurer Neubau neben dem Kanzleramt entbehrlich.
Der Erweiterungsbau des Kanzleramts soll nach einem Entwurf der Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank gegenüber der jetzigen Regierungszentrale auf der anderen Seite der Spree entstehen. Bislang waren für das Projekt 777 Millionen Euro veranschlagt.
Nach offiziellen Angaben ist der Neubau nötig, um die wachsende Zahl der Mitarbeiter an einem Standort unterzubringen. Rund 400 Beschäftigte sollen in dem Neubau arbeiten. Auch ein Hubschrauberlandeplatz ist vorgesehen. Erste Arbeiten laufen bereits, im Jahr 2028 soll alles fertig sein.
Der Neubau des Finanzministeriums ist an der Wilhelmstraße geplant – gegenüber dem jetzigen Sitz des Finanzministeriums. Nach einem Entwurf des Architekturbüros Staab soll für rund 322 Millionen Euro (Stand 2021) ein Gebäude mit Büros für Ministeriumsbeschäftigte errichtet werden, die bislang auf mehrere, teils angemietete Standorte in Berlin verteilt sind. Außerdem sind in dem Neubau Räume für die Bundesfinanzakademie und ein Konferenzzentrum geplant.
Regierungssprecher verteidigt Pläne für den Erweiterungsbau
Ein Regierungssprecher verteidigte die Pläne für den Erweiterungsbau des Kanzleramts. „Der Bedarf für einen Neubau besteht unverändert“, sagte er am Dienstag. „Ausschlaggebend für die Größe des Erweiterungsbaus ist allein die Anzahl der Beschäftigten, die zum Kanzleramt gehören und aus arbeitsorganisatorischen Gründen wieder auf einer Liegenschaft zusammengeführt werden sollen.“
Die Beschäftigtenzahl sei in den vergangenen 20 Jahren seit dem Berlin-Umzug „aufgabenbedingt auf die jetzige notwendige Größe angewachsen“. Das Bauprojekt befinde sich seit 2016 in der Planung. „Die Realisierung des Erweiterungsbaus ist erforderlich, da die Notwendigkeit einer funktionalen Regierungszentrale gerade in Krisenzeiten besteht“, so der Sprecher.
Der Regierungssprecher verwies zudem auf bereits vergebene Aufträge und Kosten. „Ein verlustfreier Projektstopp wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr möglich“, sagte er. „Wesentliche Objekt-, Fachplanungs-, Beratungs- und Sachverständigenleistungen sowie Leistungen für vorgezogene Maßnahmen sind bereits beauftragt worden beziehungsweise werden durchgeführt, sodass bei Kündigung dieser Leistungen zum jetzigen Zeitpunkt voraussichtlich über 100 Millionen Euro anfallen würden.“
Bei einer Verschiebung des Baus würden aufgrund von Baupreissteigerungen zusätzliche Kosten von 40 bis 50 Millionen Euro pro Jahr der Verschiebung anfallen. „Ein Stopp des Projektes oder eine Umplanung ist aus den genannten Gründen nicht vorgesehen“, so der Sprecher.
Dass hohe Kosten bei einem Stopp des Projekts drohen, hat das SPD-geführte Bundeskanzleramt zumindest teilweise selbst zu verantworten. Es drängte im vergangenen Jahr darauf, bestimmte Arbeiten zur Errichtung des Erweiterungsbaus vorzuziehen.
So sollten die Auftragsvergabe für den Wachschutz, die Baufeldfreimachung und die Baugrube schon 2022 eingeleitet werden.Angeblich, um die Terminziele zu erreichen und die Kosten zu reduzieren. Gegner des Projekts warfen dem Kanzler hingegen vor, damit verhindern zu wollen, „dass über den gigantischen Neubau“ kritisch in der Öffentlichkeit diskutiert werde.
Lindner bringt den Bau von Wohnungen ins Spiel
Während das Kanzleramt seine Neubaupläne noch immer verteidigt, zeigt sich Finanzminister Lindner offen für eine Korrektur der Pläne für sein neues Ministerium. „Uns fehlen bezahlbare Wohnungen. Es macht daher wenig Sinn, die knappen Flächen für neue Ministerien zu nutzen“, wird der FDP-Chef in der Bild-Zeitung zitiert. „Wir werden stattdessen jetzt prüfen, ob hier nicht Wohnraum geschaffen werden kann.“
Zustimmung kommt aus der Opposition. „Die Bundesregierung muss diese kostspieligen Neubauprojekte stoppen“, forderte die Berliner Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch (Linke).„Es ist schon verrückt, dass ein FDP-Mann den Sozialdemokraten erklären muss, dass wir Wohnungen statt Schlösser brauchen“, sagte sie. Für mehr als eine Milliarde Euro, die bei einem Stopp der Neubauten für Kanzleramt und Finanzministerium gespart werden könnten, ließen sich „ziemlich viele bezahlbare Wohnungen bauen“, so Lötzsch.
Ähnlich sieht es die Unionsfraktion. „Es ist doch absurd, dass die Ampel an die Bevölkerung wohlfeile Spartipps verteilt, aber gleichzeitig am Erweiterungsbau mit explodierenden Kosten festhält. Ich hoffe sehr, dass Minister Lindner sich hier durchsetzen kann“, erklärte Unionsfraktionsvize Ulrich Lange.






