Rechtes Hoch

Die Zustimmung für die AfD ist leider kein Missverständnis

Falsche Kommunikation anderer Parteien soll für das Hoch der Rechten verantwortlich sein. Wie falsch das ist, zeigt die Causa Pechstein. Ein Kommentar.

Seit Wochen liegt die Alternative für Deutschland in Umfragen bei gut 20 Prozent.
Seit Wochen liegt die Alternative für Deutschland in Umfragen bei gut 20 Prozent.Markus Wächter/Berliner Zeitung

Das Gespenst der AfD geht wieder um in Deutschlands Talkshows, auf Parteikongressen und in den Redaktionsetagen. Eine Weile ließ sich die Partei ignorieren. Bei der Bundestagswahl hatte sich die Alternative für Deutschland gegenüber ihrem Ergebnis von 2017 um 2,3 Prozentpunkte verschlechtert. Sie schien sich auf niedrig zweistelligem Niveau einzupendeln – vielleicht würde sie ja auch wieder ganz verschwinden, ging die leise Hoffnung. Es gab zuletzt auch keine Landtagswahlen im Osten. Und immer wieder wurde Zustimmung für die AfD in Umfragen nicht so heiß gegessen, also gewählt, wie sie gekocht wurde.

Doch die Angst vor der AfD ist dank stabilen Umfragewerten von um die 20 Prozent wieder da, dank Stichwahlen wie in Schwerin vergangene Woche und der Landratswahl kommendes Wochenende in Sonneberg.

Jetzt schießen allerlei Erklärungen zu formellen Fehlern ins Kraut. Die Kommunikation soll das Problem sein. Der Streit in der Ampel zeige Zerstrittenheit der Regierung nach außen, das missfalle Wählern. Das Gebäudeenergiegesetz sei einfach schlecht kommuniziert worden, das habe Menschen überfordert. Und auch die CDU als größte Oppositionspartei kommuniziere einfach falsch. Den einen zu nah am Ton der AfD mit Äußerungen zu „kleinen Paschas“, den anderen zu weit weg von den Problemen der Menschen, die sich von der AfD verstanden fühlen. Deren Zustimmungswerte seien daher vor allem eines: ein großes Missverständnis.

Doch das stimmt nicht. Es geht nicht um die Verpackung. Es geht um den Inhalt. Die Kommunen haben keinen Platz mehr in ihren Räumlichkeiten für Migranten und Flüchtlinge. Auch mit weiteren Milliarden lassen sich bei den steigenden Zahlen keine Gebäude aus dem Boden stampfen. Das haben mittlerweile selbst Landräte von Grünen und SPD klar formuliert. Die Schulen haben keine Lehrer mehr, die Klassenstärken wachsen und wachsen. Und wer würde ernsthaft behaupten, dass die Umfragewerte der AfD niedriger wären, wenn die FDP einfach dem Heizgesetz zugestimmt hätte und es ohne Änderungen zum 1. Januar in Kraft getreten wäre? Im Gegenteil. Und die FDP wäre darüber geschreddert worden.

Ein anderes Missverständnis prägt die Debatte, ein mutwilliges. Exemplarisch ließ sich das an der Diskussion um den Auftritt der fünffachen Olympiagoldgewinnerin, Bundespolizistin und ehemaligen CDU-Politikerin Claudia Pechstein verfolgen. Pechstein hatte bei der CDU-Veranstaltung CDU pur unter anderem gesagt: „Wenn ein Richter nach Prüfung aller Fakten zu dem Schluss kommt, dass ein Antragsteller kein Recht hat, hier zu leben, dann versteht niemand, dass solche Menschen einfach hier bleiben dürfen.“

Sie folgerte, wenn Abschiebungen durchgesetzt würden, gäbe es „weniger ängstliche Blicke“ von älteren Menschen und Frauen in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Das sorge für mehr Sicherheit. Verbesserungen dort sollten wichtiger sein, „als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch Deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen“.

Doch die Debatte danach drehte sich nicht darum, dass Pechstein teils die Rechtslage referierte und CDU-Positionen hinterherschoss und dass diese Einstellungen von der weit überwiegenden Mehrheit der Wähler, vor allem möglicher AfD-Wähler aus der Mitte, geteilt werden. Stattdessen ging es danach vor allem darum, dass sie die Rede in ihrer Polizeiuniform gehalten hatte.

Stimmt, war blöd. Hätte sie nicht machen sollen. Dienstrechtlich heikel und einfach unklug. Aber seien wir doch ehrlich. Als ob Menschen in diesem Land nach Pechsteins Auftritt sagen würden: „Eigentlich teile ich ihre Meinung gar nicht, aber durch die Autorität der Uniform muss ich das wohl ändern.“ Als ob Deutschland heute Angst vor einem Hauptmann von Köpenick haben müsste.

Die Zustimmung zur AfD geht nicht auf Äußerlichkeiten, sondern auf eine Mischung aus Überforderung durch die Kosten des Krieges, den Druck der Migration und einen materiellen Niedergang zurück. Kosmetische Korrekturen werden sie auf Dauer nicht verringern können. Denn wenn die AfD durch ihr schwaches Personal und ihre andauernden Entgleisungen – eigentlich fährt sie rhetorisch mehr neben als in der Spur – eines zeigt: Die Themen sind wichtig, die Politiker egal.

Weil eine andere Kommunikation also nicht hilft und die Parteien aus Regierung und Opposition die Nöte hinter den Zustimmungswerten der Rechten bisher nicht lindern können oder wollen, wird nun eine dritte Variante des Umgangs mit der AfD ins Spiel gebracht: das Verbot.

„Wenn man die Partei verbieten könnte, wenn das so einfach wäre, würde ich das natürlich machen“, erklärte die CSU-Politikerin Dorothee Bär jüngst im Spiegel. Aber auch das wird nicht die Lösung sein. Nur weil ich das Ventil abschaffe, ist der Druck ja nicht aus dem Kessel. Die Temperatur muss gesenkt werden.