Bericht

G7-Treffen in Hiroshima: Der Westen will für Russland neue Sanktionen und die „Kriegsmaschinerie“ zerstören

Der G7-Gipfel in Japan ist gestartet. Die Partner einigten sich bereits auf neue Maßnahmen gegen Russland. Auch Selenskyj soll am Wochenende teilnehmen. Der Überblick.

Justin Trudeau, Charles Michel, Joe Biden, Emmanuel Macron und Fumio Kishida in Hiroshima am 19. Mai 2023. Ganz rechts sieht man auch Olaf Scholz.
Justin Trudeau, Charles Michel, Joe Biden, Emmanuel Macron und Fumio Kishida in Hiroshima am 19. Mai 2023. Ganz rechts sieht man auch Olaf Scholz.AFP

Die größte Überraschung für den Auftakt des G7-Gipfels war wohl die Nachricht, dass Wolodymyr Selenskyj persönlich am Treffen in Japan teilnehmen möchte. Der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, bestätigte dies am Freitagabend im ukrainischen Fernsehen.

Selenskyj wolle sich in Hiroshima unter anderem mit US-Präsident Joe Biden treffen. In erster Linie wolle der ukrainische Präsident mit dem US-Kollegen über die von diesem verkündete Beteiligung der Vereinigten Staaten an der sogenannten Kampfjet-Koalition sprechen. „Ich kann heute offiziell über die Bildung der Flugzeug-Koalition sprechen, und das bedeutet, dass die Ukraine sehr bald alles zum Schutz ihres Himmels, ihrer Städte und Bürger haben wird“, sagte Jermak.

USA unterstützen Ausbildung von Ukrainern an F-16-Kampfjets

US-Präsident Biden hatte die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten bei den Beratungen am Freitag informiert, dass die Vereinigten Staaten die Ausbildung ukrainischer Piloten an Kampfflugzeugen der vierten Generation, einschließlich der F-16, unterstützen werden, wie ein ranghoher US-Beamter mitteilte.

Zunächst sollten Piloten ausgebildet werden. Dann werde man entscheiden, wann und wie viele Flugzeuge geliefert werden und wer sie zur Verfügung stellt, sagte er. Mit der Zusage erfüllt Biden Selenskyj einen bereits vor Monaten vorgebrachten Wunsch.

Selenskyj erstmal zu Besuch bei der Arabischen Liga

Selenskyj nahm am Freitag zunächst überraschend am Gipfel der Arabischen Liga nach in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda teil. In den ersten zehn Monaten nach der russischen Invasion hatte er das Land gar nicht verlassen. Im Dezember besuchte er zunächst US-Präsident Biden in Washington, dann folgten mehrere Reisen innerhalb Europas, zuletzt auch nach Deutschland.

Weitere Sanktionen gegen Russland beschlossen

 Zum Auftakt des G7-Gipfels hatten die Mitglieder der Gruppe großer Industriestaaten ihre Entschlossenheit bekräftigt, weitere Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskriegs in der Ukraine zu verhängen. Die USA kündigten zu dem Treffen im japanischen Hiroshima am Freitag ein neues Sanktionspaket gegen dutzende Unternehmen an. Die EU und Großbritannien wollen ihrerseits den milliardenschweren Handel mit russischen Rohdiamanten ins Visier nehmen. 

Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter sagte vor dem Start des G7-Gipfels, rund 70 Unternehmen in Russland und anderen Ländern sollten keine US-Exporte mehr erhalten. Darüber hinaus würden rund 300 „Einzelpersonen, Einrichtungen, Schiffe und Flugzeuge“ von weiteren Sanktionen betroffen sein. Zusammen mit neuen Sanktionen der Partner werde das US-Paket Russland die Unterhaltung seiner „Kriegsmaschinerie“ enorm erschweren.

Charles Michel: „Wir werden den Handel mit russischen Diamanten beschränken“

London werde ein „Verbot für russische Diamanten“ verhängen und Unternehmen ins Visier nehmen, die am „militärisch-industriellen Komplex“ von Russlands Präsident Wladimir Putin beteiligt seien, teilte die britische Regierung mit. Londons neue Sanktionen zielen demnach auch auf Russlands Handel mit Aluminium, Kupfer und Nickel ab. Premierminister Rishi Sunak betonte, die G7 seien „geeint angesichts der Bedrohung von Russland und unbeirrbar in unserer Unterstützung der Ukraine“.

„Russische Diamanten sind nicht unvergänglich“, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. „Wir werden den Handel mit russischen Diamanten beschränken.“

Der Handel mit Rohdiamanten bringt Russland jährlich Einnahmen von vier bis fünf Milliarden Dollar (3,7 bis 4,6 Milliarden Euro). Michels Heimatland Belgien ist mit Indien und den Vereinigten arabischen Emiraten unter den größten Abnehmern russischer Diamanten. Die USA sind ein wichtiger Absatzmarkt für verarbeitete Diamanten.

EU-Ratspräsident Michel sagte in Hiroshima, die G7 würden auch die weitere militärische Unterstützung vor der erwarteten Frühjahrsoffensive gegen Russland beraten. „Es ist sehr klar, dass die Ukraine weiteres militärisches Gerät braucht“, sagte er. Dabei werde es auch um die Ausbildung von Kampfjet-Piloten gehen.

Ein Signal für nukleare Abrüstung

Japans Ministerpräsident Fumio Kishida empfing Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die anderen Teilnehmer zum Beginn des Gipfels am Vormittag im Friedenspark von Hiroshima, das 1945 durch den Abwurf einer Atombombe durch die USA zerstört worden war. Die G7-Staats- und Regierungschefs legten dort Kränze zum Gedenken an die schätzungsweise 140.000 Opfer des US-Atombombenabwurfs nieder.

Gastgeber Kishida hofft bei dem Treffen auf ein Signal für nukleare Abrüstung durch den Gipfel. Atommächte wie die USA, Frankreich und Großbritannien sind aber zurückhaltend bei der Reduzierung ihrer Arsenale – auch weil Moskau im Ukraine-Krieg immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht hat.

G7-Gipfel in Hiroshima will sich zu China positionieren

Am Samstag setzen die G7 ihren Gipfel in Japan mit Beratungen zu Wirtschaftsfragen fort. In einer ersten Arbeitssitzung des dreitägigen Treffens in Hiroshima geht es um „Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und Sicherheit“ . Dabei dürfte es auch um die starke Abhängigkeit von Lieferketten aus China vor dem Hintergrund des Taiwan-Konflikts und wachsender Spannungen zwischen der Volksrepublik und den USA gehen.

Nach US-Angaben wollen die führenden westlichen Industriestaaten eine gemeinsame Linie gegenüber China festhalten. Am Samstag solle eine Erklärung der G7-Gruppe zur wirtschaftlichen Sicherheit veröffentlicht werden, in der ein gemeinsamer Ansatz gegenüber China hervorgehoben werde, sagte eine hochrangige US-Regierungsvertreterin.

In einer weiteren Arbeitssitzung steht die Stärkung der Zusammenarbeit mit Ländern des sogenannten globalen Südens im Fokus. Gastgeber Japan hat zu dem Treffen auch acht Schwellen- und Entwicklungsländer eingeladen, darunter Brasilien und Indien. Mit ihnen soll eine Erklärung zur Ernährungssicherheit erarbeitet werden, die Thema der dritten Arbeitssitzung am Samstag ist. 

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