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Das Ungetüm hat Angst. Der politmediale Hauptstadtkomplex explodiert nach Elon Musks Gastbeitrag in der Welt am Sonntag in hassverzerrten Zuckungen: Illegale Einmischung sei das, Widerstand müsse geleistet werden, in die Schranken zu weisen habe man ihn. „Musk versucht nichts anderes als Putin“, behauptet der SPD-Vorsitzende Klingbeil. Mit solchen Aussagen machen sich viele Blätter und Politiker lächerlich.
Denn deutsche Politiker, Journalisten und Aktivisten mischen sich andauernd ungeniert in den amerikanischen Wahlkampf ein und lassen Ausländer sich bei uns einmischen. Vor wenigen Monaten erklärte Klingbeil im Radio: „Wir wollen Kamala Harris im Weißen Haus.“ Ralf Stegner und Luisa Neubauer machten in den USA Wahlkampf für die Demokraten. In der Zeit und im Handelsblatt erschienen vier Monate vor der Bundestagswahl von 2021 Gastbeiträge von Wladimir Putin – wohlgemerkt sieben Jahre nach der Annexion der Krim, also sieben Jahre nach dem eigentlichen Beginn des Krieges –, wie die Blätter nicht müde werden zu betonen. Danach gab es in den Redaktionen jedoch keinen größeren Aufschrei.
Genauso wenig Empörung zeitigten Gastbeiträge des amerikanischen Multimilliardärs (!) George Soros im Spiegel 2020, als er Anleihen forderte, die gegen EU-Recht verstoßen. Oder als er sich im Bundestagswahlkampf 2017 in der ARD gegen die Wahl der CSU aussprach. Bei der FAZ mischte sich Bill Gates noch im Juni in die deutsche Entwicklungshilfepolitik ein. Mit Abermillionen finanzierte er übrigens den Journalismus des Spiegel.
Esken will gegen Tesla-Werk nicht vorgehen
Wer diese Heuchelei sieht, erkennt, es geht nicht um Einmischung oder die „Demokratie“: Es geht um die politischen Interessen von Parteien und Medien. „Gute“ Milliardäre dürfen sich immer einmischen, „böse“ nicht. Der Hass auf Musk speist sich maßgeblich daraus, dass diese eklatanten Widersprüche auf X heutzutage sichtbar werden. Dort erscheinen dann unter den Posts der Angriffe auf Musk und Die Welt die ganzen Gegenbeispiele – und Kritiker sehen sehr alt aus.
Bezeichnend für die Schieflage war ein Interview mit SPD-Chefin Saskia Esken am Montagmorgen im Deutschlandfunk: Dort wurde nach der Doppelmoral der SPD nicht gefragt. Stattdessen wollte man wissen, ob die SPD nun gegen Musks Brandenburger Tesla-Werk vorgehen würde. „Sicher nicht!“, entgegnete Esken. Schon komisch, dass man die Investitionen von Musk im SPD-geführten Bundesland, die für das gute Wachstum dort verantwortlich sind, gerne nimmt und ihn gleichsam als „rassistisch“ bezeichnet, wie Esken es im DLF tat.
Es geht vielen Musk-Kritikern eben nicht um Meinungsfreiheit
Besonders peinlich ist, dass auch Friedrich Merz sich gegen Musk stellt. Erst kürzlich hatte er sich in den rumänischen Wahlkampf eingemischt, als er auf X zur Wahl der proeuropäischen Kandidaten dort aufrief. Aber auch bei der CDU geht die Angst um.
Die Ideologen und Mitläufer in Parteien und Redaktionen spüren, wie ihre Macht durch die sozialen Medien schwindet. Lügen, Widersprüche und Unredlichkeiten, die bisher verschwiegen wurden, werden unabweisbar. Die Düpierten reagieren mit wutschnaubenden Entgleisungen und Zensurwünschen. Solche Veröffentlichungen müssten „verhindert werden“, ließ Esken wissen.
Dass sie und viele andere sich damit direkt gegen das Grundgesetz wenden, ist ihnen egal. Das Verfassungsgericht hat unmissverständlich klargestellt: Der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit besteht „unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird“ (BVerfG, Beschl. v. 9.11.2022 – 1 BvR 523/21).
Es geht vielen Musk-Kritikern eben nicht um Meinungsfreiheit oder Demokratie oder den Rechtsstaat. Es geht darum, bestimmte Meinungen zu tabuisieren und ihre Vertreter niederzubrüllen.
Gibt es eine AfD-Politik ohne die AfD?
Die Empörung über Musk erinnert stark an einen ähnlichen Vorgang in der New York Times vor vier Jahren. Damals veröffentlichte die Zeitung einen Gastbeitrag des republikanischen Senators Tom Cotton zum Einsatz der Armee gegen gewalttätige Plünderer. Am Ende kündigte der Chef des Meinungsressorts. Im Unterschied zum jetzigen Fall bei der Welt stand er hinter der Veröffentlichung, doch Kollegen und der Eigentümer hatten ihn öffentlich angegriffen. Gastbeiträge der Taliban im Blatt hatten nie solche Konsequenzen. Doch auch diese Interventionen konnten die Abkehr von linksradikaler Politik nicht verhindern.
Am Ende ist der Musk-Vorfall nur ein weiteres Zucken eines sterbenden Systems. Wir liegen bei den grundstürzenden politischen Entwicklungen, die sich auf der ganzen Welt abspielen, einige Jahre hinter den USA, Osteuropa, Skandinavien oder Italien, aber sie kommen auch zu uns. Zu eklatant sind die Widersprüche zwischen Wunsch und Wirklichkeit.
„Kill the messenger!“, lautet die Devise vieler Reaktionen auf Musk. Doch die Botschaft lässt sich nicht töten. Deutschland muss sich überlegen, ob es die schmerzhaften Prozesse der Selbstspaltung den anderen nachmachen will oder Kämpfe, die nicht zu gewinnen sind, überspringt und zu innergesellschaftlichen Verhandlungen übergeht. Der designierte Chefredakteur der Welt hat in seiner Entgegnung auf Musk dazu einen Vorschlag unterbreitet. Musks AfD-Analyse sei richtig, doch viele AfD-Politiker seien verkappte Rechtsradikale. Wie wäre es dann mit AfD-Politik ohne die AfD? Darüber lohnt es sich zu streiten.
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