Skandal um Till Lindemann

Rammstein in den Medien: So unterschiedlich wird in den USA und in Russland berichtet

Die Vorwürfe gegen Till Lindemann dominieren hierzulande die Schlagzeilen. Doch wie sieht die Berichterstattung in anderen Ländern aus?

In Russland verehrt, in den USA verschwiegen: Till Lindemann und Rammstein.
In Russland verehrt, in den USA verschwiegen: Till Lindemann und Rammstein.Roshanak Amini für Berliner Zeitung am Wochenende. Bilder: Roshanak Amini

Ihnen gehören die Schlagzeilen, sie zieren hierzulande zahlreiche Titelseiten – eigentlich fehlt nur noch ein Brennpunkt nach der „Tagesschau“ zu den Vorwürfen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann.

Bei Konzerten der Band, so heißt es in Medienberichten, sollen Frauen gezielt für Sex mit Lindemann rekrutiert worden sein. Es soll ein ganzes System der Anbahnung geben. Das berichten nach ausführlichen Recherchen der NDR und die Süddeutsche Zeitung, auch die Welt hat eigene Recherchen angestrengt.

Frontman Lindemann bestreitet das vehement und wehrt sich nun mit einem Anwalt gegen die Anschuldigungen. Doch welche Rolle spielen die Vorwürfe gegen den 60-Jährigen in den Medien in anderen Teilen der Welt?

Russen beschweren sich, dass Lindemann gecancelt wird

Besonders große Beliebtheit genießt die Neue-Deutsche-Härte-Band Rammstein in Russland. Konzerte in Moskau und Sankt Petersburg sind verlässlich nach wenigen Minuten ausverkauft. Und die Zuneigung zwischen Till Lindemann und dem geografisch größten Land der Erde beruht auf Gegenseitigkeit. Er genießt Kultstatus in Russland, Lindemann tritt gerne und häufig auf Konzerten in Russland auf, seine offenbar persönliche „Casting-Managerin“ Alena Makeeva ist: Russin.

In einschlägigen russischen Fan-Foren ist die Stimmung jedenfalls eindeutig. Man verteidige Till Lindemann und werde „die Rammstein-Gruppe unter diesen schwierigen Umständen unterstützen“, heißt es dort. Der überwiegende Teil der Fans scheint sich in Kommentaren und Posts in den sozialen Medien hinter Lindemann zu stellen.

In Russland gibt es auch Bücher über Till Lindemann.
In Russland gibt es auch Bücher über Till Lindemann.ITAR-TASS/imago

Eine Userin schreibt in dem sozialen Netzwerk Vkontakte – einem russischen Facebook-Pendant –, es sei ihr Traum, mit Till Lindemann wenigstens ein paar Minuten Zweisamkeit zu genießen. Ein weiterer Fan echauffiert sich in einem Kommentar über die Verdachtsberichterstattung, da keine konkrete Anklage erhoben worden sei.

Auch in russischen Medien abseits der Social-Media-Plattformen ist die Verteidigung Lindemanns der Tenor. Ein Autor schreibt in dem kremltreuen Onlinemedium Absatz, Deutschland trete den musikalischen Erfolg der Band mit Füßen. Schuld daran sei eine „woke, linke Cancel-Culture“, die sich jetzt Lindemann als nächstes Opfer ausgesucht habe. Der Autor attackiert in seinem Kommentar umgekehrt „das Mädchen aus Irland“ – gemeint ist Shelby Lynn, die die Vorwürfe gegen Lindemann ins Rollen gebracht hatte. In ihrer Heimat Nordirland wird im Übrigen bisher noch gar nicht über die Vorwürfe gegen Rammstein berichtet. 

Das Boulevardmagazin The Voice Mag beschäftigt sich in einem Artikel indes mit der „Casting-Direktorin“ Alena Makeeva. Die Russin, die zuvor bereits mit Stars wie Marilyn Manson gearbeitet hatte, scheint in ihrer Heimat weitaus unbekannter zu sein als in Deutschland.

In den USA wird laut geschwiegen

Wahrscheinlich ebenso beliebt wie in Russland ist Rammstein in den Vereinigten Staaten. Tickets für die Konzerte in den größten und legendärsten Stadien der USA waren in Windeseile vergriffen; doch die Debatte um die Row Zero hat es anscheinend noch nicht über den Atlantik geschafft.

In den großen amerikanischen Leitmedien wie der New York Times oder der Washington Post finden sich bisher keine Artikel oder größere Recherchen zur Causa Rammstein. Der Europa-Korrespondent des Hollywood Reporter, Scott Roxborough, hat lediglich einen Übersichtsartikel über die Debatte geschrieben, in dem er die Recherchen der deutschsprachigen Zeitungen zusammenfasst.

Auf Nischenseiten wie Metalsucks, einer Webseite für Heavy-Metal-Musik, finden sich ebenfalls zusammenfassende Artikel zu den Vorwürfen gegen Till Lindemann. Auch das amerikanische Onlinemagazin Loudwire, das sich besonders mit Hard Rock und Metal befasst, ordnet die Nachrichtenlage der vergangenen Wochen rund um Rammstein ein.

Das Konzert in Litauen: Ausgangspunkt der Debatte

Das Konzert in der litauischen Hauptstadt Vilnius am 22. Mai 2023 war der Ausgangspunkt der Rammstein-Debatte, die zurzeit die Nachrichten dominiert. Hier war die Nordirin Shelby Lynn als Zuschauerin, danach hatte sie von angeblichen Erlebnissen im Rahmen des Konzerts berichtet. Die Berliner Zeitung sprach schon in der vergangenen Woche mit Litauern, die sich zu den Vorwürfen äußern wollten. Die Berichte Lynns hatten viele litauische Rammstein-Fans schockiert.

Die Medien im baltischen Staat setzen sich auch mehr als zwei Wochen nach dem Konzert im Vingis-Park in Vilius noch immer intensiv mit den Geschehnissen auseinander. Der öffentlich-rechtliche Sender LRT aus Litauen hat auf seiner Homepage sogar eine eigene Themenseite zu Rammstein erstellt. Dort finden sich ebenfalls Zusammenfassungen der Vorwürfe und Bilderstrecken vom Konzertabend.

Darüber hinaus kritisieren LRT-Autoren in einem Text die Polizei in Vilnius für ihr schwerfälliges Handeln: Shelby Lynn war erst einige Tage nach dem Konzert per Videoanruf eingehend befragt worden. Außerdem findet man litauische Artikel zur Bedeutung von Großveranstaltungen in Vilnius sowie Einschätzungen einer Wissenschaftlerin zum Rammstein-Konzert.

Eine brisante Meldung gab das reichweitenstarke Nachrichtenportal lrytas.lt heraus. Demnach habe sich die Polizei in Vilnius dafür entschieden, kein Strafverfahren gegen Till Lindemann einzuleiten. Nach Analyse und Auswertung der Faktenlage entschieden sich die Polizeibehörden, von einem Ermittlungsverfahren abzusehen. Lrytas beruft sich auf Quellen aus der Kommunikationsabteilung des Obersten Polizeikommissariats in Vilnius.

Auch das Online-Nachrichtenmagazin Delfi berichtet ausgiebig über die Lage rund um Rammstein und Till Lindemann: vom Rammstein-Statement, man solle die Band nicht vorverurteilen, über die Meldung, dass Backtage-Partys bei aktuellen Konzerten abgesagt wurden, bis zur Nachricht, dass sich Lindemann nun von einem Anwalt vertreten lasse.

In Dänemark ist man zwiegespalten

Im dänischen Odense fand eines der ersten Konzerte nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Till Lindemann statt. Die Debatte rund um die Berliner Band hatte zu diesem Zeitpunkt – eineinhalb Wochen nach dem Konzert in Vilnius – jedoch noch nicht an Fahrt gewonnen. Mit der Schlagzeile „Morgen wird es wild, wenn Rammstein die Stadt erreicht“ war ein Text in einer lokalen Zeitung überschrieben. Darüber hinaus erschienen Artikel über ausgebuchte Hotels und ein drohendes Verkehrschaos rund um den Veranstaltungsort.

Im dänischen Odense feierten Tausende das Rammstein-Konzert.
Im dänischen Odense feierten Tausende das Rammstein-Konzert.Gonzales Photo/imago

Erst in den vergangenen Tagen begannen auch die Dänen, sich intensiver mit den Vorwürfen des angeblichen Casting-Systems und der ausartenden Backstage-Partys zu beschäftigen. Lediglich das dänische Nachrichtenmedium Nyheder fasste kürzlich die Nachrichtenlage rund um die Band in einem längeren Artikel zusammen.