Störaktionen, Proteste und laute Gesänge: Das Sommerinterview mit AfD-Fraktionschefin Alice Weidel in der ARD war geprägt von zahlreichen Nebengeräuschen. Mittlerweile haben sich verschiedene Personen dazu geäußert – darunter Politiker, Verantwortliche der Polizei, die Protestierenden und sogar der Gründer des Sommerinterview-Formats. Es ist nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten.
Zum alljährlichen Sommerinterview der ARD wurde Alice Weidel vor den Bundestag eingeladen, um dort die Fragen von Moderator Markus Preiß zu beantworten. Eigentlich ein gewohntes Prozedere – wie auch schon Tage zuvor beim Gespräch mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Diesmal jedoch versammelten sich auf der anderen Seite der Spree mehrere Protestierende, die ein „normales“ Interview nahezu unmöglich machten.
Wusste die Polizei Bescheid?
Die Frage, die seit Tagen durch die deutsche Medienlandschaft geistert: Wusste die Polizei von der Protestaktion? Geht es nach Philipp Ruch, Gründer des Zentrums für Politische Schönheit, hatte die Berliner Polizei Kenntnis davon, dass eine solche Aktion geplant war.
Diese hingegen weist die Vorwürfe des Aktivisten entschieden zurück und behauptet, im Vorfeld des Sommerinterviews keinen Kontakt gehabt zu haben. In einem ausführlichen Statement rechtfertigt die Polizei ihr Vorgehen und spricht von einem „angemessenen Umgang mit der Situation“.
Die Polizei schreibt: Gegen 15.10 Uhr stellten Einsatzkräfte einen Reisebus mit der Aufschrift „Adenauer SRP+“ fest. Dabei handelt es sich um den Bus des Zentrums für Politische Schönheit. Der Fahrer des Busses hatte das Fahrzeug zügig verlassen. „Über eine fest installierte Lautsprecheranlage wurde fortlaufend ein musikalischer Beitrag abgespielt, der sich inhaltlich gegen die AfD richtete“. Die Kontaktperson, deren Daten am Bus angebracht waren, habe gegenüber der Polizei angegeben, den Bus nicht wegfahren zu können. Die Polizei habe ihn angewiesen, „die Schallemissionen umgehend zu beenden, da diese sowohl den Verkehr als auch die öffentliche Ordnung beeinträchtigten“.
Wird das Interview wiederholt?
Geht es nach der AfD selbst, muss das Sommerinterview mit ihrer Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel auf jeden Fall wiederholt werden. „In einer solchen Situation hätte die ARD für ein faires, ungestörtes Interview ins Studio ausweichen müssen“, sagte der Vize-Fraktionschef im Bundestag, Markus Frohnmaier, dem Nachrichtenportal Politico. „Ich erwarte, dass das Gespräch unter fairen Bedingungen wiederholt wird.“ Auch Weidel kritisierte die Protestaktion: „Es ist für die Debattenkultur in unserem Land nicht zuträglich, die Presse- und Informationsfreiheit derart anzugreifen. Dafür habe ich keinerlei Verständnis.“
Zieht die ARD Konsequenzen?
Die ARD hat bereits angekündigt, künftig ein deutlich besseres Sicherheitskonzept aufzustellen. Moderator Markus Preiß äußerte sich zum Vorfall wie folgt: „Das war ein unglaublich anstrengendes, intensives Interview, eine Extremsituation.“ Wegen des Lärms sei „journalistisch manches auf der Strecke geblieben“.
Was sagt der Erfinder des Formats?
Der Journalist und Erfinder des Formats, Wolfgang Herles, kritisiert die heutige Form des Sommerinterviews in einem Kommentar deutlich. „Die heute noch immer in ARD und ZDF üblichen Sommerinterviews mit den Parteivorsitzenden führte ich als Bonner Studioleiter des ZDF 1987 ein, um die Sauregurkenzeit zu überbrücken. Sie sollten anders sein als üblich“, so Herles. Der Journalist ist der Meinung, dass die Störer der Demokratie damit keinen Gefallen getan, sondern in erster Linie der AfD in Person von Alice Weidel geholfen hätten: „Aber dieses sogenannte Künstlerkollektiv machte nur Schleichwerbung für Alice Weidel – die wusste, dass die Rolle des Opfers ein Geschenk für sie war“, so Herles weiter.
Wie sind die Reaktionen aus der Politik?
Viele hochrangige Politiker sind sich einig: Mit der Störaktion wurde der AfD nicht geschadet – im Gegenteil, sie ist mehr denn je in aller Munde. So sagte zum Beispiel Boris Palmer: „Mal ehrlich, wer hätte sich das Sommerinterview mit Alice Weidel angeschaut, wenn es nicht die Störer gegeben hätte? Wer hätte darüber Artikel verfasst?“ Der parteilose Oberbürgermeister von Tübingen weiter: „Die Störer hätte die AfD auch bezahlen können, denn sie haben zwei Ziele erreicht: Erstens reden alle über die AfD. Zweitens kann die AfD ihre Opferrolle kultivieren.“



