Berlin

Fridays for Future-Demo in Mitte: „Habeck hätte ich gerne als Kanzler und als Schwiegersohn“

Kurz vor der Bundestagswahl machte die Organisation Fridays for Future für eine Klimademo am Brandenburger Tor mobil. Tausende folgten dem Aufruf. Unser Reporter war vor Ort.

Tausende demonstrierten vor dem Brandenburger Tor in Berlin für ein besseres Klima.
Tausende demonstrierten vor dem Brandenburger Tor in Berlin für ein besseres Klima.Ralph Hirschberger/AFP

Tausende Menschen haben in Berlin eine Woche vor der Bundestagswahl für einen besseren Klimaschutz demonstriert. Die Demonstranten hatten sich dazu am Freitagvormittag vor dem Brandenburger Tor in Mitte versammelt. Die Organisation Fridays for Future rief zu einem bundesweiten Klimastreik auf. Nach mehreren Reden, unter anderem von Klimaaktivistin Luisa Neubauer, zog die Demo durch das Regierungsviertel.

„Go Vote“: Die Demonstration zog durch das Regierungsviertel.
„Go Vote“: Die Demonstration zog durch das Regierungsviertel.Jannik Läkamp / Berliner Zeitung

Viele der Teilnehmer waren, für Fridays for Future-Demos nicht ungewöhnlich, auffällig jung. In der ersten Reihe des Demozuges etwa liefen einige Schulkinder mit. Das Publikum war bunt gemischt. Die Aktivisten vermeldeten, dass 10.000 Personen an der Demo teilgenommen haben sollen. Die Berliner Polizei schätzte die Teilnehmerzahl auf etwa 8000. Angemeldet waren zunächst 1000 Personen. Etliche Demonstranten hatten selbst gebastelte, bunte Schilder bei sich. Zwei große Ballons von BUND und Greenpeace schwebten über der Menge am Brandenburger Tor.

Bei der Kundgebung am Brandenburger Tor standen mehrere Polizeifahrzeuge hinter der Demonstration, mutmaßlich um sie vor einem Fahrzeug zu schützen. Rund 90 Einsatzkräfte waren vor Ort.

Luisa Neubauer: Kampfansage an Friedrich Merz

Klimaaktivistin Luisa Neubauer wurde zu ihrer Rede mit lautem, behandschuhtem Applaus empfangen. Sie sprach von bedingungslosem Zusammenstehen in Zeiten der Spaltung. „Wenn sie Hass auf die Straße bringen, bringen wir Haltung“, sagte sie auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor. Aus Klimasicht sei der aktuelle Wahlkampf eine „Shitshow“, wissenschaftliche Erkenntnisse würden ignoriert. Viele Fragen wie Migration und Weltwirtschaft könnten nicht ohne die Klimafrage diskutiert werden. Nach nur wenigen Minuten beendet sie ihre Rede mit einer Kampfansage: „Es macht garantiert mehr Spaß, gegen Friedrich Merz zu protestieren als gegen Olaf Scholz. Und wir sind am Start.“

Auch „mit am Start“ bei der Demo waren die beiden Rentner Klaus und Renate. Zwar würde der Klimaschutz vor allem die jüngeren Generationen betreffen. „Und nicht uns, die eh in den nächsten zwanzig Jahren abkratzen“, scherzt der 68-Jährige. Aber das Klima liege den beiden am Herzen. „Es ist mir wichtig, keinen Müllhaufen zu hinterlassen“, so Klaus. Er tue alles fürs Klima, was ihm möglich ist. Regelmäßige Besuche auf Klimademos seien da Ehrensache. „Für die nächsten Generationen und die, die jetzt schon unter der Klimakrise leiden.“

Renate und Klaus: „Die Wälder brennen schon.“
Renate und Klaus: „Die Wälder brennen schon.“Jannik Läkamp / Berliner Zeitung

„Die Wälder brennen schon“, ergänzt die 69-jährige Renate. „Nur in Gruppen kann man was erreichen.“ „Unsere ganze Wirtschaft ist darauf aufgebaut, dass andere weniger zu fressen haben. Uns geht es gut, andere verhungern, ersaufen, verbrennen“, sagt Klaus. Moralisch wollen die beiden „dafür nicht die Verantwortung tragen.“

Die anstehende Bundestagswahl macht den beiden Sorgen. „Die Wahl ist ein schreckliches Thema“, sagt Renate. „Ich fürchte, es wird eine Koalition von Merz mit der SPD geben.“ Lieber wäre ihr eine Koalition der SPD mit den Grünen. „Aber das ist illusorisch.“ Am liebsten sähen die beiden den Grünen Robert Habeck als Kanzler. „Den hätte ich auch gerne als Schwiegersohn“, witzelt die 69-Jährige. „Außerdem brauchen wir unbedingt eine stärkere Linke als Gegengewicht“, ergänzt ihr Mann. „Hauptsache FDP und die Wagenknechte schaffen es nicht über die Fünf-Prozent-Hürde.“

Obwohl am Freitag ein Fahrzeug in eine Verdi-Demo fuhr und 36 Teilnehmer verletzte, machen sich die beiden keine Sorgen um ihre Sicherheit. „Das Leben ist lebensgefährlich“, sagt Renate. „Aber wir fühlen uns sicher.“ „Auch ohne die Polizei“, fügt Klaus noch hinzu.

Verbotenes Plakat auf FFF-Demo

Mehrere Demonstranten hielten während der Kundgebung ein propalästinensisches Plakat mit der Aufschrift „From the river to the sea“ in die Höhe. Infolge des Angriffs der Hamas auf Israel ist dieser Ausruf von der Bundesregierung verboten worden. Der Polizei war der Vorfall am Freitagnachmittag nicht bekannt. Die Pressestelle sprach von einer durchgehend friedlichen und störungsfreien Demonstration.

Mehrere Teilnehmer halten eine Plakat mit einer verbotenen Parole in die Höhe.
Mehrere Teilnehmer halten eine Plakat mit einer verbotenen Parole in die Höhe.Jannik Läkamp

Lotti (21) und Christine (23) beziehen sich mit ihrem Plakat direkt auf das Motto der Demo. „Klimaschutz ist unantastbar“ steht darauf in schwarz, grün und rot. Was die beiden besonders ärgert: „Der Klimaschutz ist im Wahlkampf komplett untergegangen“, sagt Lotti. Christine nickt zustimmend. Die beiden Studentinnen gehen zu so vielen Klimademos wie möglich, beruflich, sozusagen. Sie studieren technischen Umweltschutz an der Technischen Universität Berlin, „um aktiv gegen die Klimakrise zu kämpfen“, so die 21-Jährige.

Lotti (l.) und Christine: Die beiden studieren technischen Umweltschutz an der TU Berlin.
Lotti (l.) und Christine: Die beiden studieren technischen Umweltschutz an der TU Berlin.Jannik Läkamp / Berliner Zeitung

Ihnen sei es wichtig, das Problem selbst anpacken zu können, Lösungen gegen den Klimawandel zu entwickeln und umzusetzen. Das sei sinnstiftend. „Es ist unsere Verantwortung, den Planeten zu schützen“, sagt Christine.

„Wenn die Klimakrise voll kommt, ist selbst die beste Gesellschaft im Arsch“, ergänzt Lotti. Gesellschaftliche Veränderungen seien immer möglich, auch nachträglich.„ Aber beim Klima haben wir Zeitdruck. Wenn das kaputt ist, kann man es nicht rückgängig machen.“ Deshalb ist das für die beiden Studentinnen so ein wichtiges Thema.

Es gebe schon von Wissenschaftlern entwickelte Lösungen, die umsetzbar seien. „Die werden teurer, umso länger wir warten.“ Eine lebenswerte Zukunft jedoch, da sind die beiden sich einig, sei alles Geld wert. Daher hoffen sie, dass die FFF-Demonstration das Thema Klima wieder stärker in die Politik bringt. „Aber da habe ich wenig Hoffnung“, sagt Lotti. „Trotzdem ist es immer besser, auf Demos zu gehen, als zu Hause zu bleiben.“

Bezüglich Bundestagswahl versucht die 21-Jährige, optimistisch zu bleiben. „Wenn die Linke in den Bundestag kommt, ist die Wahl für mich gut ausgegangen. Die Grünen gehen ein bisschen zu sehr in Richtung CDU, deshalb ist ein Gegengewicht wichtig.“ Die Grünen seien zu sehr eine Partei der Mitte geworden, findet sie. Ihre Freundin gibt ihr recht.

Wahlplakate von Christian Lindner werden ordentlich eingeseift

Ebenfalls kritisch den Grünen gegenüber sind Max, 38, Nikki, 32, und Gabi, 36. Die Grünen seien stark von ihren Kernthemen abgewichen, findet Max. Seine Begleiterinnen stimmen ihm zu. „Sie sind zu konservativ geworden. Für das Klima kann man sie nicht wählen.“ Die Gründe, warum die drei auf die FFF-Demo gegangen sind, haben sie dabei: Anna, 3, und Flora, 0, die beiden Kinder von Max und Nikki.

Gabi, Max und Nikki mit Anna und Flora: Sie gehen für die Zukunft der Kinder auf die FFF-Demo.
Gabi, Max und Nikki mit Anna und Flora: Sie gehen für die Zukunft der Kinder auf die FFF-Demo.Jannik Läkamp

„Vor allem wegen der Kinder machen wir uns Sorgen um die Zukunft wegen der Klimakrise“, sagt Max. „Wir wollen ein Zeichen setzen, damit die Politik die Krise ernst nimmt.“ Im Wahlkampf sei das Thema komplett ignoriert worden. „Stichwort Kanzlerduell, da ging es nur um Migration, nicht um wichtige Zukunftsthemen. Es ist viel zu wenig passiert, andere Themen umzusetzen.“ Viele der starken Parteien würden die Klimakrise nicht ernst nehmen, finden sie. „Deshalb kommt für mich nur die Linke infrage“, sagt Max.

Kräftig eingeseift: Für die <a href="https://www.berliner-zeitung.de/topics/fdp">FDP</a> und Christian Lindner gibt es offenbar wenig Liebe auf der FFF-Demo.
Kräftig eingeseift: Für die FDP und Christian Lindner gibt es offenbar wenig Liebe auf der FFF-Demo.Jannik Läkamp / Berliner Zeitung

Gegen 13 Uhr setzte sich der Demo-Zug in Bewegung. Mit viel lauter Musik und Sprechchören wie „Ganz Berlin hasst die AfD“ zogen die rund 8000 Demonstranten durch das Regierungsviertel. Unterbrochen wurde der Zug nur von einer kleinen Schneeballschlacht auf der Wiese vor dem Reichstag. Schneebälle flogen indes danach auch noch. Ziel waren zum einen Wahlplakate von Christian Lindner, die erst gründlich eingeseift und dann mitunter auch rabiat abgehängt wurden. Ein Schneeball flog auch in Richtung des Friseursalons Agaciak & Merz. Welcher der beiden Namen für Unmut gesorgt haben könnte, sei mal dahingestellt.