Eigentlich finde ich die Plakate zum Klima-Volksentscheid in Berlin sehr schön. Vor allem das Design spricht mich an. Keine unglaubwürdigen Stock-Fotos von diversen und glücklichen Bewohnern des (hoffentlich bald) klimaneutralen Berlins, die mit einem Elektrobike durch den Treptower Park radeln, sondern einfach kurze Wörter und fette Buchstaben.
Sie wollen sich informieren, warum Befürworter des Volksentscheids am Sonntag mit Ja stimmen? Lesen Sie den Gastbeitrag von Eckart von Hirschhausen in der Berliner Zeitung.
Einfach, reduziert und catchy, würden Werbetexter dazu sagen. Und auch die Farben liegen voll im Trend. In den letzten Jahren war ja die Kombination von Rosa und Rot wirklich in. Heute ist es Rot auf Grün. Das ist eine Mischung aus dem Plakatdesign der 1920er und Italo-Pop. Beides ist bei jungen Intellektuellen in Berlin gerade en vogue.
Die jungen Leute sind ja sowieso im Klimafieber. Und sie haben grundsätzlich recht damit. Berlin klimaneutral. Und das noch früher als geplant. Wer dagegen etwas hat, der hat kein Herz für unseren blauen Planeten. Das ist wie gegen Krieg sein. Wer für Krieg ist, der ist ein Schwein. Doch ist es wirklich so einfach? Nein. Die Welt ist komplizierter. Und die Volksentscheid-Kampagne vor allem Populismus und moralische Erpressung.
Schluss mit nerviger Sozialverträglichkeit?
Vor etwa einem Jahr habe ich mich bei einem Glas Rotwein mit einer Verwandten* von mir über die Letzte Generation unterhalten. Meine Verwandte ist Wissenschaftlerin und arbeitet in wichtiger Funktion bei einer Bundesbehörde, die sich, grob gesagt, vor allem mit dem Klimawandel und der Natur beschäftigt.
Da meine Verwandte sehr schlau ist und schon federführend manche Umweltkatastrophe weltweit bekämpft hat, wollte ich von ihr wissen, ob die jungen Leute wirklich die letzte menschliche Generation auf diesem Planeten sind, die etwas gegen den Zusammenbruch des ökologischen Gleichgewichts machen kann. Sie antwortete: „Natürlich nicht, aber es sieht nicht gut aus.“
Dann plauderten wir ein bisschen über die Klimakrise. Sie erzählte mir, dass sich Beamte bei ihr in der Behörde regelmäßig in informellen Runden mit Juristen träfen, die sich Gedanken darüber machten, wie man Artikel 1 des Grundgesetzes mit der Bekämpfung der Klimakrise in Einklang bringen könne.

Das alles erinnert an den Aktionismus des Sozialismus
Grob gesagt: Wie schafft man es, dass die Folgen des Klimawandels, etwa ausgelöst durch Verbrennungsmotoren oder Kohlekraftwerke, von Verfassungsrechtlern als „menschenunwürdig“ eingeschätzt werden? So könnte man Klimapolitik viel einfacher, zur Not auch gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen. Natürlich erst mal nur theoretisch, aber man müsse eben vorbereitet sein.
„Ich finde das schon ein bisschen unheimlich“, sagte sie. Aber generell meine sie auch: Auf die sogenannte Sozialverträglichkeit solcher Vorhaben könne man doch jetzt keine Rücksicht mehr nehmen: „Das ist eben kein Spaziergang.“
Wie gesagt, meine Verwandte hat nur bei einem Glas Wein laut gedacht. Aber für eine Staatsdienerin, die in hoher Besoldungsstufe eingruppiert ist, fand ich das sehr interessant.
Wo gehobelt wird, da fallen Späne
Ich musste dabei zwangsläufig an die Knochenmühle des Stalinismus denken. Für den Homo sovieticus und den niemals erreichbaren Sieg des Kommunismus wurden schließlich Millionen Menschenleben „geopfert“. Sinn ergaben die meisten Dinge in der Sowjetunion und der DDR trotz der hehren Ziele nicht. Aber hey, Schwamm drüber, wo gehobelt wird, da fallen Späne.
Der Klimawandel ist aber doch wirklich schlimm, werden Sie jetzt sagen. Was sind da ein paar Bürger, die ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen und die sich keinen Pauschalurlaub mehr auf Mallorca leisten können? Konsumieren wir nicht sowieso viel zu viel, wie die sogenannte Transformationsforscherin Maja Göpel immer sagt? Sollten wir nicht mit diesem Volksentscheid ein klares Zeichen setzen? Egal ob das nun im Einzelnen konkret umzusetzen ist oder nicht?
Auf Instagram jedenfalls denken die Leute so. Dort überbieten sich vor allem junge, vermögende und erfolgreiche Menschen mit „Promotion-Videos“ für diesen Volksentscheid. „Hey, ihr wisst, ich mache so was nicht oft, aber dieses Mal ist es wirklich wichtig“, sagt etwa ein bekannter junger Schriftsteller aus Prenzlauer Berg in die Kamera.

Auf Instagram werben und mit dem Flugzeug nach Mexiko
„Ich finde, das lohnt sich, dass jetzt wirklich alle, alle, alle, alle zur Wahl gehen. Es gibt keine Ausreden“, sagt der hübsche Mann mit Häkelmütze. Ansonsten ist sein Instagram-Account ziemlich vollgepackt mit Bildern aus Mexiko, einem Urlaubsland, in das der junge Mann ziemlich oft mit Kerosin schluckenden Jets zu fliegen scheint.
Geht es hier also noch ums Klima oder nur um das Ego einer reichen, pseudogrünen Innenstadtelite, die nur ihr schlechtes Gewissen beruhigen will? Ja, und das ist ziemlich arrogant, zumal ein großer Teil des Geldes für die Finanzierung von „Berlin 2030 klimaneutral“ durch reiche Investoren aus den USA bereitgestellt wurde.
Keine Verbrenner mehr in der Stadt, stattdessen teure E-Autos, kostspielige Gebäudesanierung, fiktive Wasserstoffkapazitäten, Straßen und Schienen umbauen, Industrieprozesse umstellen. Auch der Lebensstil muss komplett geändert werden. Für den Normalbürger wird das bitter. Wer sich das alles wie der Mann auf Instagram easy leisten kann, der stimmt natürlich am Sonntag mit Ja. Und gehört damit zu den „Guten“.
Kein Populismus, sondern zurück auf die Sachebene
Dabei bringt so ein Populismus wenig. Wir müssen bei dem Thema zurück auf die Sachebene und kluge politische Rahmenbedingungen vorgeben, die einen nachhaltigen Effekt haben. Es ist ja schön und gut, immer mehr Kapazitäten für Sonnen- und Windenergie zu schaffen. Landbesitzer und Betreiber werden dadurch derzeit reich.
Doch ist das bisher wenig effektiv, wie der Ökonom Daniel Stelter im Handelsblatt schreibt: „Allerdings wird dabei gern verkannt, dass ihr Einsatz (von Sonnen- und Windenergie, Anm. d. Red.) erhebliche Überkapazitäten und Doppelstrukturen erfordert, was die Gesamtkosten in die Höhe treibt. Es ist kein Zufall, dass Dänemark und Deutschland nicht nur den höchsten Anteil erneuerbarer Stromerzeugung haben, sondern auch die höchsten Strompreise.“
Die durch rein ästhetischen Bürgerdruck jetzt unterirdisch verlegte Stromtrasse Südlink von Norddeutschland nach Bayern ist das beste Beispiel für ineffektive und teure Politik, die nicht zielführend ist, denn die unterirdische Verlegung ist viel teurer als eine über Strommasten. Aber wer auf technische Fragen und Kosten hinweist, gilt in Berlin-Mitte ja als Nörgler und neoliberale Socke.

Olaf Scholz quatscht von einem neuen „Wirtschaftswunder“
Olaf Scholz räumt Kritiker mit dem Spruch ab, Klimaschutz werde zu mehr Wachstum und einem neuen „Wirtschaftswunder“ führen. Für mich ist das Ganze nach dem leeren „Zeitenwende“-Gequatsche auch nur ein neues dämliches Buzzword von unserem Bundeskanzler.
Denn haben solche Volksentscheide Erfolg, drohen die Verantwortlichen in der Politik wie die Betriebsleiter in der DDR in sinnlosen Aktionismus zu verfallen. „Ist ein Primat der Klimapolitik erst einmal etabliert, bindet das alle Politikbereiche und schränkt den Spielraum der demokratisch gewählten Volksvertreter massiv ein“, sagt der Ökonom Stelter dazu.
Würde sich diese Art der Klimapolitik weiter durchsetzen, sei absehbar, dass noch mehr als bisher auf unnötig teure und ineffiziente Maßnahmen gesetzt werden müsste: „Am Ende hat Deutschland dann nicht nur seine wirtschaftliche Zukunft verspielt, sondern auch klimapolitisch wenig erreicht.“
Und ich finde, da hat Stelter recht. Ich will mich nicht mit überheblicher Traumtänzerei beschäftigen, die mich am Ende nur ärmer macht, nur weil ein paar verwöhnte Erben in Berlin-Mitte ein schlechtes Gewissen haben und sich profilieren wollen.

Ein alter Verbrenner ist viel nachhaltiger als ein neuer Tesla
Deswegen stimme ich am Sonntag nicht mal mit Nein. Ich gehe nicht einmal ins Wahlbüro, sondern fahre mit meinem alten Verbrenner aufs Land. Der ist 38 Jahre alt, stinkt, verbraucht 15 Liter Super Plus und ist trotzdem nachhaltiger, umweltfreundlicher und auch billiger als so ein neuer E-Auto-Plastikbomber, der erst mal 150.000 Kilometer abjuckeln muss, um „klimaneutral“ zu werden.
Dass ein Tesla überhaupt so lange halten wird wie meine alte britische Limousine, glaube ich jedenfalls nicht. Der reiche Onkel am Steuer der neuen Klapperkiste fühlt sich aber jetzt schon sehr, sehr grün. Sie werden ihn am Sonntag sicher in Ihrem Wahlbüro treffen. Bestellen Sie einen schönen Gruß!
*Name der Redaktion bekannt.
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