Am Freitagmorgen bestätigte die Polizei Berlin: Auch in diesem Jahr werden ukrainische und russische Fahnen am 8. und 9. Mai verboten sein. Grund dafür ist, dass damit das Gedenken zum 78. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs möglichst friedlich bleibt und es zu keinem offenen Streit kommt. Bereits wenige Stunden später haben ukrainische Aktivisten Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung der Polizei in einem Eilantrag beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht.
Hinter der Klage steht der ukrainische Verein Vitsche gemeinsam mit der Allianz Ukrainischer Organisationen und dem Rechtsanwalt Patrick Heinemann. In dem Antrag, der der Berliner Zeitung vorliegt, wird darum gebeten, die Teile des Verbots aufzuheben, die das Zeigen von ukrainischen Fahnen sowie das Abspielen und Singen ukrainischer Marsch- und Militärlieder in und um das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park untersagen.
Ukrainer beklagen „Gleichstellung“ mit russischen Kriegssymbolen
In einer Pressemitteilung zeigen sich die Antragssteller „entsetzt“ über das Verbot – unter anderem, weil es aus ihrer Perspektive ukrainische Symbole mit den russischen Kriegssymbolen „V“ und „Z“, die ebenfalls verboten sind, gleichstellt. „Dies verharmlost Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und zeigt tiefe Ignoranz gegenüber den Leidtragenden“, heißt es. „Wir bedauern, dass statt gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die Berliner Polizei entschieden hat, mit dieser Entscheidung falsche politische Zeichen zu setzen.“
Das Verbot gilt für die Sowjetischen Ehrenmale in Treptow, Tiergarten und Schönholzer Heide sowie das jeweilige unmittelbare Umfeld. Die Polizei stehe in der Verpflichtung, sowjetische Ehrenmale und Kriegsgräber zu schützen – und es bestehe ein Risiko, dass mit Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine das Gedenken in „Konflikte oder Auseinandersetzungen“ münden könnte.
Im Eilantrag wird allerdings argumentiert, es bestehe keine „natürliche Einheit“ zwischen dem Zeigen von ukrainischen Fahnen und den von der Polizei befürchteten Risiken von Konflikten an den Gedenktagen. „Die Annahme, dass pro-russisch gesinnte Personen am 08./09.05.2023 bei der Begegnung mit Menschen, die ukrainische Fahnen und Flaggen zeigen oder ukrainische Militärlieder singen, im Einzelfall mit Gewalt reagieren könnten, reicht nicht zur Begründung einer konkreten Gefahr aus“, heißt es weiter im Antrag – zudem wird ein friedliches Gedenken „erhofft und erwartet“.
Ukrainischer Botschafter läuft am 8. Mai bei Gedenkmarsch mit
Der Antrag betont zudem auch, dass ukrainische Fahnen und Militärlieder ein „wesentlicher Bestandteil“ des ukrainischen Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg seien – sowohl am 8. als auch am 9. Mai. Es sei für Ukrainer als Angehörige eines „bereits vor, zu und nach den Zeiten der Sowjetunion durch Russland unterdrückten Gliedstaats“ ein „wichtiges Anliegen“, anhand dieser Symbole an das eigene große Opfer zu erinnern, gerade weil eine Gleichsetzung der Sowjetunion mit Russland im öffentlichen Bewusstsein so häufig stattfindet. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Symbole Gewalt provozieren könnten; im letzten Jahr habe die Berliner Polizei bis zum 20. Mai 2022 keine einzige Straftat im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg der pro-ukrainischen Seite an den Gedenktagen des 8. und 9. Mai zuordnen können.
Im Zweiten Weltkrieg starben etwa 24 Millionen sowjetische Kriegsopfer, darunter 10 Millionen Ukrainer. Am Abend des 8. Mai will man an sie mit einem von Vitsche organisierten Gedenkmarsch am Abend erinnern. Ab 18 Uhr wird die Demonstration von der Schönhauser Allee bis zum Handwerkervereinshaus in der Sophienstraße ziehen, wo sich während der NS-Zeit ein Arbeitslager für Zwangsarbeiter befand, unter anderem mit Menschen aus der Ukraine. Auf Anfrage bestätigt eine Sprecherin der ukrainischen Botschaft, dass der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, sich dieser Gedenkveranstaltung anschließen wird.





