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Nächster Stopp: Krieg, die ersten Busse fahren wieder von Berlin nach Kiew

In diesen Bussen sitzen Deutsche und Ukrainer. Wir haben mit beiden gesprochen. Einer sagt: „Heimat ist dort, wo du deine Familie hast, wo du Vater bist.“

Dieser Flixbus startet vom Bahnhof Südkreuz über Warschau nach Kiew.  Manuel Genolet
Dieser Flixbus startet vom Bahnhof Südkreuz über Warschau nach Kiew. Manuel GenoletManuel Genolet

Berlin-Jan Illig steht kurz nach 13 Uhr am Dienstag am Rande des Bürgersteigs vor dem Bahnhof Südkreuz. In der Hand hält er ein Ticket für eine Reise, die insgesamt 24 Stunden dauern soll. Er sagt, er fahre zu einer kranken Freundin, die es bisher nicht geschafft hat, das Land zu verlassen. „Alleine schafft sie die Reise nicht“, so der 51-Jährige. „Danach bringe ich sie wieder mit nach Berlin.“ Wohin fährt er? Nach Kiew.

Ab Montag ist es wieder möglich, auf diese Reise zu gehen, die seit fast zwei Monaten eigentlich undenkbar war – die Fernbusse fahren wieder direkt nach Kiew, von Berlin über Warschau in die Hauptstadt der Ukraine. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am 24. Februar ist es nicht mehr möglich, mit Flixbus & Co direkt in die ukrainische Hauptstadt zu fahren. Dabei galt es lange Zeit als das Ziel für Wochenendreisen von Billig-Touristen. Und obwohl in der Ukraine der Krieg andauert – und sich sogar im Osten der Ukraine verstärkt hat – ist die Nachfrage für die Busse überraschend groß: Am Dienstag sind alle Plätze in beiden Bussen, die über Warschau nach Kiew fahren, ausverkauft.

Geflüchtete Ukrainer, die von Berlin aus wieder zurück in die Ukraine wollen, mussten für eine Heimreise bisher zunächst einen Bus oder Zug bis zur polnisch-ukrainischen Grenze nehmen. Oft mussten sie sich einen privaten Fahrer besorgen, der sie direkt zur Grenze brachte. Derzeit aber ist das Leben nach Kiew zurückgekehrt, die Cafés sind wieder geöffnet, das Theater spielt wieder, es gibt wieder ein kleines Stück Normalität.

Am Berliner ZOB wartet der 77-jährige Ukrainer Serhii, sein ganzer Name ist der Redaktion bekannt. Am 11. März kam er in Berlin an, er war mit dem Zug über Warschau in die Stadt gereist. Seitdem wohnt er bei seinem Sohn, der seit Jahren in Berlin lebt. Aber jetzt fährt Serhii mit dem Fernbus ‚East-West-Eurolines‘ zurück in seine Heimat, nach Lwiw.

Für die Deutschen nur ein Wort: Danke!

Dass in den letzten Tagen Raketen die Stadt getroffen haben, hält Serhii nicht davon ab, zurückzufahren. Er habe keine Angst. „Ich bin 77, wovor soll ich Angst haben?“, fragt er. „Für Deutschland und die Deutschen habe ich nur ein Wort: Danke. In der Ukraine aber ist mein Haus, dort ist meine Stadt, ich will alles einfach noch einmal sehen.“ Seine Prioritäten nach Ankunft in Lwiw: kontrollieren, dass alles bei ihm zu Hause noch in Ordnung ist – und dann frische Blumen in seinem Garten pflanzen.

Auf seinem Handy zeigt Serhii ein Bild von seinem Haus in einer Lwiwer Vorstadt, das er im letzten Sommer aufgenommen hat. Direkt neben dem kleinen weißen Haus liegt ein Blumenbeet voller leuchtend rosa- und orangefarbener Blumen, auf seinem Dach flattert eine ukrainische Flagge. „Meine Heimat“, sagt Serhii und legt seine Hand aufs Herz.

Serhii weiß noch nicht, wie lang er noch in Lwiw bleibt – aber er ist sich sicher, dass er nach seinem Heimatbesuch nach Berlin zurückkehrt. Stolz zeigt er auf seinem Handy ein Bild seines Sohnes, der in Berlin lebt, und dessen Familie. Man sieht auch seine Frau und Serhiis zwei kleine Enkelsöhne. „Heimat ist, wo du deine Familie hast, wo du Vater bist“, sagt er. „Ich will unbedingt zurück zu meinen Jungs.“