Fragebogen Berlin

Aybi Era: „In Berlin nervt mich vor allem der Müll auf den Straßen“

Bekannte Bewohner der Stadt blicken auf Berlin. Heute: die deutsch-türkische Schauspielerin Aybi Era über Achtlosigkeit, Alltagsrassismus und den Stadtrand.

Lebt in Weißensee: die deutsch-türkische Schauspielerin Aybi Era.
Lebt in Weißensee: die deutsch-türkische Schauspielerin Aybi Era.Sasha Ilushina

Berlin hat rund 3,7 Millionen Einwohner, sie sind so verschieden wie die Stadt selbst. Was also macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern? In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und ihren persönlichen No-go-Areas. Sie verraten ihre Gastro-Tipps, Shopping-Favoriten und Kiezgeheimnisse. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

Diesmal hat die deutsch-türkische Schauspielerin Aybi Era unsere Fragen beantwortet. Sie ist nach vielen Jahren in Hamburg in ihre Heimatstadt Berlin zurückgekehrt und wohnt nun in Weißensee – und damit nicht in den üblichen Innenstadtbezirken, die bei den meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen so angesagt sind. Eine bewusste Entscheidung, wie die 32-Jährige sagt: „Ich wollte nicht so gerne in die Innenstadt ziehen, weil ich es eher ruhiger und grüner mag. Aber mit dem Fahrrad und der Bahn sind hier die anderen Stadtteile ja gut zu erreichen.“

Derzeit ist Aybi Era an der Seite von Jürgen Vogel in der ZDF-Krimiserie „Jenseits der Spree“ zu sehen, die in Berlin und Umgebung produziert wird – und im ebenfalls sehr schönen und grünen Stadtteil Köpenick spielt.

1.           Frau Era, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

Ich bin in Charlottenburg zur Welt gekommen und habe bis zu meinem siebten Lebensjahr dort die Schule besucht, danach sind wir nach Spandau gezogen. An meinem 14. Geburtstag ging es dann nach Hamburg, da ich als Scheidungskind die Wahl hatte, auch bei meiner Mutter zu leben. Also schon ein kleines Hin und Her, doch ich wusste immer, dass ich wieder zurückziehen würde. Und inzwischen bin ich tatsächlich wieder in Berlin. 

2.     Welche Rolle spielt Ihre deutsch-türkische Herkunft heute in Ihrem Leben in Berlin – und wie war das früher in Hamburg?

Leider hatte ich in den ersten zwei Monaten, seit ich wieder in Berlin wohne, schon zwei rassistische Erlebnisse, was ich in Hamburg in so kurzer Zeit hintereinander nicht erlebt habe – und das ist natürlich kein schönes Gefühl im Vergleich.

Aufgrund meines Aussehens werde ich noch immer als „nicht deutsch“ gelesen, und dann folgt auch gern mal der altbekannte Fragenkatalog: „Wo kommst du eigentlich her, bist du muslimisch erzogen worden, musstest du mal Kopftuch tragen, isst du Schwein, du sprichst ja sehr gut Deutsch ...“ Es sind vor allem ältere Menschen, die diese Fragen stellen, die jüngeren Generationen interessiert das fast gar nicht mehr, da sie immer weniger in solchen Mustern denken und ein Bewusstsein dafür haben, dass diese Fragen nichts über die Persönlichkeit eines Menschen aussagen, sondern nur das Schubladendenken bedienen. Auf meinen Beruf bezogen haben meine Wurzeln auch positive Auswirkungen: Ich habe tolle Rollen angeboten bekommen, weil ich Türkisch spreche und auch so aussehe, wie ich aussehe.

3.           Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

Ich habe Berlin eher als Kind wahrgenommen und bin jetzt dabei, die Stadt noch mal als erwachsener Mensch neu für mich zu entdecken. Für mich machen die Menschen einen Ort aus. Momentan habe ich einen größeren Bezug zu Mitte und Prenzlauer Berg, weil dort viele Freunde von mir sind.

4.           Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

Außerhalb meiner Wohnung zieht es mich wenn dann in die Natur, das kann der Liepnitzsee sein oder der Grunewald, dann am Wannsee vorbei bis nach Potsdam mit dem Fahrrad zum Beispiel. Hauptsache raus ins Grüne oder ans Wasser.

5.           Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

An meinen freien Tagen generell die Ballungszentren. Da der Job schon so trubelig, laut und schnell ist, ist mein Bedürfnis im Privaten genau das Gegenteil.

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Sasha Ilushina
Zur Person
Aybi Era kam 1990 in Charlottenburg zur Welt und wuchs in Berlin und Hamburg auf. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und arbeitete zunächst in diesem Beruf, bevor sie sich entschied, ihren Traum zu verwirklichen, und an die Schauspielschule ging. Bereits kurz nach dem Abschluss bekam sie eine Hauptrolle in der ZDF-Serie „Notruf Hafenkante“ , für die sie bis zum vergangenen Jahr vor der Kamera stand.

Die zweite Staffel ihrer Berlin-Serie „Jenseits der Spree“ läuft immer freitags um 20.15 Uhr im ZDF.

6.           Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

Ich glaube, in Berlin gibt es gar keine Gastro-Geheimtipps mehr. Wenn ich mal auswärts essen möchte, dann verschlägt es mich mit großer Sicherheit zu Feel Seoul Good in der Husemannstraße, da ich die koreanische Küche und auch die vietnamesische Küche liebe. Für mich muss es vegan, frisch und lecker sein.

7.           Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

Das sind die tollen Secondhand-Läden hier in Berlin. Ich bin ein Riesenfan von den Oxfam- und Humana-Shops, vor allem hier in Weißensee an der Berliner Allee. Da finde ich immer passende Teile und gehe zufrieden raus.

8.           Der beste Stadtteil Berlins ist … 

... vielleicht noch nicht von mir entdeckt worden.

9.           Das nervt mich am meisten an der Stadt:

Vor allem nervt mich der Müll auf den Straßen. Berlin könnte noch viel schöner sein, wenn ein bewussterer Umgang mit den öffentlichen Räumen herrschen würde. Denn dafür sind wir alle selbst verantwortlich. Dass viele so achtlos ihre Sachen wegwerfen oder liegenlassen, ist für mich unverständlich. Außerdem herrscht auf den Straßen fast immer Stau, alles voller Autos, das betrifft dann natürlich auch die Lautstärke, die Luftverschmutzung und die daraus resultierende Gereiztheit der Berliner:innen, ob Autofahrer:innen, Fußgänger:innen oder Fahrradfahrer:innen. Ein ewiger Kreislauf.

10.           Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

Wir selbst, als Bewohner:innen dieser Stadt, müssen uns ändern. Das, was wir als wünschenswert empfinden, sollten wir auch vorleben und danach handeln. Wir sollten uns fragen, was wir selbst neu gestalten können. Dann erst kommen wir in eine kollektive Bewegung, die immer einflussreicher ist als der Einzelkampf.

11.         Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

Mein Tipp ist, sich immer zu fragen, was die persönlichen Bedürfnisse und Wünsche sind und ob man die in Berlin wohl abdecken kann. Ich bin wegen der Serie wieder nach Berlin gezogen und weiß, dass es sich für mich lohnt, die Zelte hier neu aufzuschlagen – weil ich meiner beruflichen Sehnsucht nachgehe und das jetzt hier meine nächste Station im Leben ist.

12.         Cooler als Berlin ist nur noch …

Ansichtssache. Für mich beschränkt sich nichts auf einen Ort, sondern es zählt die Erfahrung, die ich mit den Menschen gemeinsam mache – und das kann überall anders sein. Generell aber finde ich die Natur am coolsten.