Verkehr

Immer weniger Doppeldeckerbusse: Eine Berliner Ikone verschwindet

Bei den Fahrgästen sind sie beliebt. Doch inzwischen  sind nicht mal mehr 100 Doppelstöcker im Einsatz. Dabei rollten einst 1000 Große Gelbe durch Berlin.

Gestatten, ich bin Dennis! Ein Prototyp des ADL Enviro 500 steht im Busbetriebshof Cicerostraße. Der andere Prototyp heißt Alexandra. Beide Namen erinnern an den Hersteller Alexander Dennis.
Gestatten, ich bin Dennis! Ein Prototyp des ADL Enviro 500 steht im Busbetriebshof Cicerostraße. Der andere Prototyp heißt Alexandra. Beide Namen erinnern an den Hersteller Alexander Dennis.dpa/Britta Pedersen

Sie gehören zu Berlin wie das Brandenburger Tor, die Currywurst und der frühere Grenzstreifen. Doch die Doppeldeckerbusse der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sind auf den Straßen der Stadt immer seltener zu sehen. Vor drei Jahrzehnten rollten rund tausend solche Fahrzeuge durch die Stadt, später blieb ihre Zahl bei etwas mehr als 410 stabil. Inzwischen ist die Zahl noch weiter zusammengeschmolzen.

„Die BVG hat derzeit 110 Fahrzeuge im Bestand“, sagt BVG-Sprecher Nils Kremmin. Davon sind jedoch weniger als 100 Busse einsatzfähig. Die Lieferung neuer Doppeldecker aus Großbritannien hat begonnen – allerdings gibt es Verspätungen, heißt es. Bus-Fans befürchten, dass weitere Busse ausgemustert werden und der Bestand weiter schrumpft.

Besonderes Kennzeichen: viele Sitzplätze für eine bequeme Reise und eine gute Aussicht auf die Stadt. Äste, die plötzlich gegen die vorderen Scheiben klatschen, sorgen für den zusätzlichen Thrill. Ob Tourist oder Berliner: Bei den meisten Fahrgästen sind die Doppeldeckerbusse beliebt – vor allem, weil sie so geräumig sind. Immer noch gibt es Verbindungen, auf denen man sich halbwegs darauf verlassen kann, dass ein „DD“ erscheint. Die Linien M48, M82, 101, 181, 186, 282 und 285 zählen dazu. Auf den stark genutzten Innenstadtstrecken M19 und M29 sind ebenfalls Doppeldecker im Einsatz, zum Leidwesen der Fahrgäste setzt die BVG aber oft auch kleinere Fahrzeuge ein.

Eine weitere Doppeldeckerbastion in Berlin ist gefallen

Ein wesentlicher Teil des Netzes ist schon auf einstöckige Busse umgestellt worden. Als jüngeres Beispiel gilt die 222, die Tegelort, Tegel und Lübars verbindet. Sie war die letzte Doppeldeckerbastion im Berliner Norden – jetzt sind dort Gelenkbusse unterwegs. Auf der bei Touristen beliebten Linie 100, die den Zoo mit dem Alexanderplatz verbindet, wurden die Großen Gelben aus einem speziellen Grund abgezogen: Die Betonplatte, die Unter den Linden eingebaut wurde, kann das Gewicht dieser Busse nicht tragen.

Auf dem Omnibus-Betriebshof Spandau, einst ebenfalls eine Doppeldeckerhochburg, sind gerade noch sieben Busse dieser Art stationiert, wie die BVG auf Anfrage mitteilte. Berichten zufolge sind sie meist an andere Höfe verborgt. In Britz seien nur noch etwas mehr als ein Dutzend Doppelstöcker beheimatet. Dieser große BVG-Standort bestückt zahlreiche Strecken im Süden Berlins mit Bussen, aber auch die Linie M29.

„Die Busse sind einfach fertig“

Faktisch sind unterm Strich in ganz Berlin derzeit weniger als hundert Doppelstockbusse im Einsatz – womit diese Gattung in der Flotte der mehr als 1500 Linienbusse der BVG kaum noch ins Gewicht fällt. Nicht alle 110 Doppeldecker werden aktuell im Fahrgastbetrieb eingesetzt, wie das Unternehmen bestätigte. „15 Fahrzeuge sind derzeit aus verschiedenen Gründen in der Werkstatt“, erklärt BVG-Sprecher Kremmin. Reparaturen und Wartungen sind gängige Gründe. Betroffen sind die langen Dreiachser vom Typ DL A39, die MAN bis 2010 nach Berlin geliefert hat.

Die ersten Serienfahrzeuge dieser Doppeldecker-Generation sind Ende 2005 zur BVG gekommen. „Selbst die jüngsten Fahrzeuge dieser Serie sind deutlich älter als zehn Jahre“, so Nils Kremmin. „Sie haben uns und der Stadt treu gedient, sind aber mittlerweile in einem Alter, in dem größere Reparaturen nicht mehr wirtschaftlich sind und die Busse dann entsprechend aus dem Fahrgastbetrieb genommen werden müssen.“

Ein Kenner der Berliner Bus-Szene berichtete: „Jüngst gab es wieder einen Schwung Abstellungen bei alten Doppeldeckern. Die Busse haben ihre Zeit gehabt. Nach 17 beziehungsweise 13 Jahren sind die Wagen bei der heutigen Belastung einfach fertig.“ Laufleistungen von 100.000 Kilometern pro Jahr gelten als normal. Dafür schlucken die Busse auch einiges: Von rund 60 Litern Diesel pro 100 Kilometer ist die Rede.

Schon bald nach den ersten Lieferungen vor fast 17 Jahren wurde den Fachleuten klar, dass sie schon wieder über eine neue Bus-Generation nachdenken müssten. Wie beim Vorgängertyp SD 202 begann Rost an den Karosserien zu nagen. Die hohen Beschaffungskosten ließen die BVG-Finanzer lange zögern. Personalabbau in den BVG-Buswerkstätten trug dazu bei, dass sich das Problem verschlimmerte. Zwar wurden zwei Doppelstockbusse 2012 probehalber erneuert, aber erst 2016 begann ein größeres Sanierungsprogramm. Die Ausschreibung neuer Doppeldecker, die das Management des Landesunternehmens immer wieder in Aussicht stellte, kam über Jahre nicht in Gang.

Und so musste ein Doppeldecker nach dem anderen aus dem Fahrgastbetrieb genommen werden. Es traf auch das Fahrzeug mit der Nummer 3492. Vor sechs Jahren bei einem Unfall beschädigt, wurde der Bus als Vorzeigeobjekt nach der Sanierung besonders aufwendig ausgestattet. Berichtet wird von USB-Ladesteckern, Wlan, Infobildschirmen und LED-Lichtbändern – eine Investition, die sich auf einen fünfstelligen Eurobetrag summierte. 2018 wurde der Bus einige Monate in die nordfranzösische Stadt Rouen verliehen. „Das Fahrzeug mit dem Kennzeichen B-V 3492 wurde für den Fahrgastbetrieb aussortiert, bleibt allerdings als Sonderfahrzeug im Bestand“, teilt die BVG dazu mit.

30 Busse aus Großbritannien sind schon bei der BVG angekommen

In der Bus-Szene ist davon die Rede, dass die noch vorhandenen Wagen der Baujahre 2009 und 2010 in der nächsten Zeit abgestellt werden. „Grund dafür sei, dass sie die schlechtesten Abgaswerte im BVG-Fuhrpark haben“, so ein Bus-Fan. Dadurch schmelze der Altbestand weiter zusammen. Befürchtet wird auch, dass 2005 bis 2007 gelieferte Doppeldecker, die damals mit einem Twintec-Abgasfilter versehen worden waren, ebenfalls auf der Liste stehen. Weil der Hersteller nicht mehr aktiv sei, könnte eine Filterreparatur schwierig werden. Der Exodus könnte also bald weitergehen.

Immerhin: Inzwischen hat tatsächlich die Lieferung neuer Doppelstockbusse begonnen. Den Großauftrag der BVG bekam, wie berichtet, Alexander Dennis, kurz ADL, aus Großbritannien. Mit Stand vom vergangenen Freitag sind 30 Doppeldeckerbusse von ADL zugelassen, berichtet BVG-Sprecher Kremmin. Nach Informationen aus der Bus-Szene sollten bis Juli aber eigentlich schon 50 britische Doppeldecker im BVG-Bestand sein. Man liege offensichtlich mindestens drei Monate hinter Plan, heißt es. 200 Enviro 500 hat die BVG bei dem britischen Marktführer bestellt. Die Lieferung soll 2023 enden.

Grund für die Verzögerungen soll angeblich ein Sturmschaden beim Hersteller in Schottland sein. Es soll aber auch Fertigungsprobleme geben, weshalb ein größerer Teil der gelieferten Busse noch nicht im Einsatz sei. Das könnte zum Teil auch daran liegen, dass noch nicht alle Fahrer auf den neuen Fahrzeugtyp geschult worden sind.

Droht weiteren Großen Gelben bald das Aus? Es gebe derzeit keine konkreten Planungen, weitere Doppeldecker abzustellen, erläutert Nils Kremmin von der BVG. „Das kann sich allerdings immer spontan ergeben, sobald einer von ihnen in die Werkstatt muss und sich eine Reparatur aufgrund des Zustands nicht mehr lohnt.“