Verkehr

Kaputte Infrastruktur: Warum die Linden für Doppeldecker bald tabu sind

Noch dürfen die großen Gelben die Prachtstraße im Berliner Zentrum befahren – aber nicht mehr lange. Schuld ist ein Tunnel, den kaum einer kennt.

Doppelstöckig durch Berlins gute Stube. Ein BVG-Doppeldecker fährt am Bebelplatz die Linden entlang. Im Hintergrund: die Alte Bibliothek und ein kleines rosarotes Stück der Staatsoper.
Doppelstöckig durch Berlins gute Stube. Ein BVG-Doppeldecker fährt am Bebelplatz die Linden entlang. Im Hintergrund: die Alte Bibliothek und ein kleines rosarotes Stück der Staatsoper.Gerd Engelsmann

Berlin - Der Kollaps der Elsenbrücke zwischen Treptow und Friedrichshain. Der Neubau der Salvador-Allende-Brücke in Köpenick, der wegen Betonkrebs notwendig wurde. Beschränkungen für Lastwagen am Autobahndreieck Funkturm. Wer durch Berlin fährt, sieht vielerorts, wie es um die Infrastruktur der Stadt bestellt ist. In Mitte zeigt sich nun, dass es auch im Verborgenen bröckelt und bröselt. Im Doppeldeckerbus die Linden entlangfahren: Das wird im Bereich des Lindentunnels, der einst für die Straßenbahn gebaut wurde, bald nicht mehr möglich sein. Der dortige Abschnitt der Straße Unter den Linden ist für derart schwere Fahrzeuge demnächst tabu. Das haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und der Senat auf Anfrage der Berliner Zeitung bestätigt.

„Die Information ist korrekt, es wird auf der Straße über dem Lindentunnel eine Gewichtsbeschränkung von 18 Tonnen geben“, sagte Nils Kremmin von der BVG. „Wir wurden rechtzeitig darüber informiert, dass die Straße künftig nicht mehr von Doppeldeckern befahren werden kann und werden die Linie 100 dann ausschließlich mit Gelenkbussen bedienen. Diese dürfen den Lindentunnel weiterhin überqueren, da sie wegen des größeren Achsabstandes eine bessere Gewichtsverteilung haben als die Doppeldecker.“

Städtebaulich sensibles Gebiet

Der Boulevard im östlichen Stadtzentrum wird also nicht aus dem Busliniennetz gestrichen. Doch es wird dort bald nicht mehr möglich sein, auf der Linie 100 die historische Mitte vom Oberdeck aus zu betrachten. Damit fällt nicht nur eine Touristenattraktion weg, auch einheimische Berliner schätzen den Blick von oben.

Doch es gebe keine Alternative, so Jan Thomsen, Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung. „Am Lindentunnel wurde kürzlich eine lastverteilende Betonplatte aufgebracht, die eine Belastung mit bis zu 18 Tonnen ermöglicht“, berichtete er. „Zuvor hatten Bauwerksprüfungen ergeben, dass die alte Decke des Tunnels die Achslasten sehr schwerer Fahrzeuge nicht mehr sicher tragen kann.“

Beliebt bei Touristen und Berlinern: Die Linie 100 wird derzeit noch mit Doppeldeckerbussen betrieben.
Beliebt bei Touristen und Berlinern: Die Linie 100 wird derzeit noch mit Doppeldeckerbussen betrieben.Gerd Engelsmann

Die geplante Sperrung beginne von Osten kommend direkt an der Neuen Wache gegenüber der Oberwallstraße. Im Westen endet sie mit dem Abschluss des Bebelplatzes, also noch vor dem Reiterstandbild von Friedrich dem Großen. „Die Verkehrszeichen für ein Durchfahrtverbot für Fahrzeuge über 18 Tonnen sind bestellt, aber noch nicht aufgestellt“, so der Sprecher. „Erst danach gilt die Beschränkung.“ Ab wann genau, sei noch unklar – die offizielle Information darüber ist daher noch nicht erfolgt.

Bevor es den Tunnel gab, hatte die damals noch privat betriebene Straßenbahn die Linden von 1894 an oberirdisch gekreuzt. Doch die Prachtstraße galt schon damals als städtebaulich sensibles Gebiet. Zunächst war im Querungsbereich keine Oberleitung erlaubt, weshalb es erst einen Akkubetrieb und dann eine Stromversorgung im Gleisbereich gab – die aber bei Laub- oder Schneefall oft verstopfte. Weil der Verkehr immer weiter zunahm, setzte sich die Große Berliner Straßenbahn für eine zweite Querung der Linden ein, die von der Stadt aber nicht genehmigt wurde. So einigte man sich später auf den Bau eines Tunnels mit einem östlichen und einem westlichen Ast.

„Ein Zeichen dafür, wie schlecht in Berlin auf die Infrastruktur geachtet wird“

1916 unterquerten erstmals Straßenbahnen den Boulevard. Doch schon 1951 endete der Fahrgastbetrieb. Ein Anlass war der Wiederaufbau der benachbarten Staatsoper, für den ein Teil des Tunnelbereichs in Anspruch genommen wurde. Hinzu kam, dass das Netz im östlichen Stadtzentrum immer weiter ausgedünnt wurde. Bis in die 1960er-Jahren wurde die Nordrampe noch zum Kehren genutzt, dann war endgültig Schluss. „Seitdem wurde der Tunnel für etliche andere Zwecke genutzt, etwa als Requisitenlager für das Maxim-Gorki-Theater“, sagte Jan Thomsen. Teile dienen auch als Entlüftungsschacht für die Tiefgarage unter dem Bebelplatz. „Der Tunnel soll zurück gebaut werden, wofür es noch keinen validen Zeitplan gibt. Bisher laufen vorbereitende Arbeiten.“

„Der Lindentunnel wird nicht gleich einstürzen“, sagte Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB. „Aber er ist natürlich ein Zeichen dafür, wie schlecht in Berlin auf die Infrastruktur geachtet wird.“