Brutal Berlin

Wie beim Sport aus Versehen eine Heroinspritze im Unterarm landete

Eigentlich will eine Fitnesstrainerin aus Neukölln nur ein paar Sportübungen am Maybachufer machen, doch dann sticht eine benutze Nadel in ihren Arm.

Ein Schock, wenn bei der Fitnessübung auf einmal eine Heroinspritze im Unterarm landet.
Ein Schock, wenn bei der Fitnessübung auf einmal eine Heroinspritze im Unterarm landet.imago/Panthermedia

Es ist ein sommerlicher Freitag in Berlin. Nach den zehn Kniebeugen folgen zehn Liegestütze, daraufhin gibt es zehn Strecksprünge, bevor es in die kurze Pause geht noch mal 30 Sekunden Unterarmstütz, Profis nennen das „plank“. Doch ein kleiner Pikser am Unterarm beendet das Training von Maria K. abrupt. Eine benutzte Heroin-Nadel fand ihren Weg in ihren Arm, sie ist schockiert.

Die 33-jährige Neuköllnerin ist selbstständige Fitnesstrainerin und bleibt gerne mit ihren Trainingspartnern im urbanen Raum. Sie ist eine von Hunderten „Berlin bewegt sich“-Trainerinnen, die allen Berlinern kostenfreie Sportübungen anbieten. Üblicherweise trainiert sie in ihrem Bezirk, am Weichselplatz, in unmittelbarer Nähe zum sogenannten Länderdreieck am Maybachufer.

Als die Fitnesstrainerin nach dem Piks ihren leicht blutenden Arm bemerkt und die Nadel sieht, überkommt sie eine Panik. „Habe ich jetzt Heroin in meinem Körper?“, fragt sie sich. Maria K. hat so schon Angst vor Spritzen. Blutabnehmen mag sie zum Beispiel überhaupt nicht. Was soll sie jetzt bloß machen?

In der Zwischenzeit alarmiert ihr Trainingskunde einen Krankenwagen, der auch nach nur fünf Minuten am Weichselplatz ankommt. Maria K. weint, sie ist niedergeschlagen. Sie befürchtet einen Heroinschock, eine Blutvergiftung, gar eine HIV- oder Hepatitis-Infektion. Die Ärzte versuchen die Neuköllnerin zu beruhigen, sonst könnte sie noch hyperventilieren.

Einen Monat lang Tabletten gegen HIV

Im nahe gelegenen Urban-Krankenhaus folgt eine erste kleine Entwarnung. „Das Risiko, sich anzustecken, ist sehr gering“, sagt der behandelnde Arzt. Maria hat nämlich Glück im Unglück: Die Nadel ist nicht sehr tief in ihren Unterarm eingedrungen. Trotzdem bekommt sie eine Postexpositionsprophylaxe (PEP). Das ist eine vorbeugende Maßnahme, wenn ein Mensch unbeabsichtigt mit einer Heroin-Nadel Kontakt hatte.

Die Fitnesstrainerin muss nun „einen Monat lang Tabletten nehmen, sonst herrsche eine Wahrscheinlichkeit von 0,3 Prozent, sich mit HIV anzustecken“, sagt der Arzt. Maria fragt, ob es schon vergleichbare Fälle gab, woraufhin man im Krankenhaus antwortet: „Den letzten ähnlichen Vorfall gab es 1999!“

Die Tabletten, die K. nun nimmt, haben starke Nebenwirkungen. „Ich habe Schlafstörungen, Ausschlag und Übelkeit“, sagt sie. Trotzdem macht sie sich für sichere Räume für Heroinkonsumenten stark. „Ich habe mich belesen die vergangenen Tage, und es kann nicht sein, dass es nur drei Räume für 14.000 Heroinabhängige in Berlin gibt.“ Zwar sei ihr bewusst, dass ein kleines Restrisiko in innerstädtischen Parks immer bestehe, jedoch könnten Rückzugsräume dieses Risiko weiter minimieren.

* Alle Namen sind geändert, der Redaktion aber bekannt.