Berlin

Neuer Nachtzug nach Berlin: An den ersten Tagen „praktisch ausverkauft“

Nicht mehr lange, dann startet der European Sleeper nach Amsterdam und Brüssel. Die teuerste Kategorie ist am besten gebucht, berichtet der Firmenchef.

Einsteigen für die Reise durch die Nacht! So sieht im European Sleeper ein Liegewagenabteil mit sechs Betten aus. Es gibt auch Vier-Bett-Liegeabteile – und Sitz- sowie Schlafwagen.
Einsteigen für die Reise durch die Nacht! So sieht im European Sleeper ein Liegewagenabteil mit sechs Betten aus. Es gibt auch Vier-Bett-Liegeabteile – und Sitz- sowie Schlafwagen.European Sleeper

Unter den Sternen von Berlin nach Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen und Brüssel – mit Anschluss nach London. Nicht mehr lange, dann geht ein neuer Nachtzug an den Start. Am Abend des 25. Mai soll der European Sleeper erstmals in die Niederlande und nach Belgien fahren. Jetzt hat Chris Engelsman, einer der Gründer und Geschäftsführer, eine erste Bilanz gezogen – die positiv ausfällt. „Wir sind zufrieden“, sagte er der Berliner Zeitung. „In den ersten Tagen ist der Zug praktisch ausverkauft.“ Erneut zeigt sich: Vor allem Schlafwagen sind gefragt.

Ein bezogenes Bett, Sitzplätze, Tisch und Waschbecken im Abteil, ein Frühstück am Morgen: Im Schlafwagen kann eine Bahnreise ziemlich angenehm sein. Obwohl er in Nachtzügen fast immer die Kategorie mit den höchsten Fahrpreisen ist, übersteigt die Nachfrage häufig das Angebot. Auf der neuen Verbindung zwischen Berlin und Brüssel ist das nicht anders. Ein Blick ins Buchungssystem zeigt, dass bei den ersten Fahrten des European Sleeper keine Plätze im Schlafwagen mehr verfügbar sind. In einem Fall ist nur noch ein Bett in einem Frauenabteil frei – das für Männer tabu ist. Für die erste Fahrt ab Berlin am 25. Mai gibt es Sitzplätze ab 89 Euro und Liegeplätze ab 139 Euro pro Weg. 

„Der Schlafwagen scheint die beliebteste Komfortklasse zu sein, aber auch Liegewagen sind gut gebucht“, berichtete Engelsman. Allerdings ist es auch so, dass der Markt für gebrauchte Schlafwagen besonders leer gefegt ist, sagten Experten. Nachdem der Nachtzugverkehr in Europa angesichts hoher Betriebskosten und wachsender Konkurrenz durch Billigflüge und Fernbusse jahrelang geschrumpft ist, stehen heute bei weitem nicht genug Fahrzeuge dieser Art zur Verfügung. Viele Schlafwagen wurden abgestellt. Der Mangel zeigt sich auch an der Zugkomposition des European Sleeper, mit dem vor Jahren eingestellte Nachtverbindungen von und nach Berlin wieder aufleben.

Der Euronight des staatlichen Betreibers SJ ist startklar. Es ist die zweite Nachtverbindung zwischen Berlin und Stockholm.
Der Euronight des staatlichen Betreibers SJ ist startklar. Es ist die zweite Nachtverbindung zwischen Berlin und Stockholm.Florian Danker/Back-on-track

„Unser Zug besteht aus acht bis zehn Wagen, je nach Bedarf“, erklärte Engelsman. Dazu gehören ein oder zwei Sitzwagen, fünf bis sieben Liegewagen mit Vierer- und Sechserabteilen – und ein Schlafwagen, dessen Abteile Platz für jeweils drei Fahrgäste haben. Lok und Wagen gehören unterschiedlichen Unternehmen, der Großteil gehört der Gesellschaft für Fahrzeugtechnik in Crailsheim. Auch für den Betrieb des Zuges hat European Sleeper Partner gewonnen. „Wir arbeiten mit verschiedenen Subunternehmen zusammen“, hieß es. Die Firma Train Charter Services stellt das Lok- und Zugbegleitpersonal. Das Servicepersonal arbeitet für ein belgisches Unternehmen. Es verkauft auch Snacks und Getränke. Übrigens: Fahrräder werden befördert.

Dienstags, donnerstags und sonntags geht es in Berlin los

„Wir erwarten auf jeden Fall ein profitables Geschäft“, so der Geschäftsführer. „Möglicherweise nicht direkt vom Start weg, aber die Nachfrageprognose ist positiv und die ersten Buchungen sind vielversprechend.“ Bei der ersten Fahrt nach Berlin, die am 26. Mai in Brüssel beginnt, sind nur noch Plätze im Sitzwagen im Angebot. Tickets für die Liegewagen und den Schlafwagen gibt es für diese Premierenfahrt nicht mehr.  

Der neue private Nachtzug soll dienstags, donnerstags und sonnabends in Berlin starten. Für die Gegenrichtung sieht der Fahrplan für montags, mittwochs und freitags Abfahrten in Brüssel vor. Wer sich über die genauen Fahrzeiten informieren möchte, hat es allerdings nicht leicht. Zumindest bislang ist der European Sleeper in der Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn (DB) nicht verzeichnet.  

Ein weiteres Handicap ist, dass Angaben differieren. So heißt es auf der Internetseite des belgisch-niederländischen Unternehmens aus Utrecht, dass die Fahrt am 25. Mai angeblich um 20.30 Uhr am Berliner Hauptbahnhof beginnt. In einer Mitteilung an die Presse ist dagegen von einer Abfahrt um 21.09 Uhr am Bahnhof Gesundbrunnen die Rede. Bei den Ankunftszeiten gibt es weniger Unterschiede. So soll der Zug gegen halb sieben in Amsterdam und gegen halb zehn in Brüssel eintreffen. Dort beginnt die Rückfahrt an den Betriebstagen um 19.22 Uhr. Die Ankunft in Berlin ist für 9 Uhr vorgesehen.  

Zunächst startet der neue Nachtzug am Gesundbrunnen

Reisende sollten auf jeden Fall aufmerksam sein. Denn der Standardfahrplan sieht spätere Abfahrten und frühere Ankünfte in Berlin vor, die Differenz kann bis zu zweieinhalb Stunden betragen. „Unser Standard-Abfahrtsbahnhof ist Hauptbahnhof (Stadtbahn). Aufgrund von Gleisarbeiten werden wir in den ersten Wochen jedoch regelmäßig von Gesundbrunnen abfahren“, so Chris Engelsman. Mit Zugstreichungen aufgrund von Baustellen rechnet er nicht, aber mit Herausforderungen und Umwegen.  

Die jüngste Nachtzugpremiere in Berlin, der Start der Verbindung des staatlichen  Zugbetreibers SJ nach Stockholm Anfang April 2023, war von vielen gravierenden Pannen begleitet. Fahrgäste wurden mit differierenden, zum Teil unzutreffenden, manchmal nicht aktuellen Zeitangaben und Zugnummern konfrontiert. So gab es schon vor der Premierenfahrt Verwirrung darüber, wann der Zug am Hauptbahnhof und wann am Gesundbrunnen abfährt. Zum Teil fuhr der Euronight EN 346, mit dem die schwedische Staatsbahn SJ die Firma RDC beauftragt hat, mehr als eine halbe Stunde früher ab, als auf den Tickets angezeigt worden war. Personal auf den Berliner Bahnhöfen zeigte sich außerstande, die Schweden-Reisenden zu informieren und zu betreuen. 

Doch auch die neue Nachtverbindung zwischen Berlin und Stockholm, neben dem Zug des privaten Anbieters Snälltåget das zweite Angebot auf dieser Strecke, erfreut sich großer Beliebtheit. Interessenten berichten, dass der Euronight für mehrere Termine im Sommer 2023 schon seit längerem ausgebucht ist, für andere steigen die Preise.

Neue Nachtverbindungen nach Paris und Polen in Sicht

Zwar gelten Nachtzüge mit Schlaf- und Liegewagen im Vergleich zum Flugverkehr als Nischenangebot, das von wenigen Menschen genutzt wird. Aber das liegt nicht daran, dass die Nachfrage zu gering ist – das Zugangebot hält mit dem Bedarf nicht Schritt. Ein weiteres Hemmnis ist, dass Tickets und Informationen schwer zu erlangen sind.  

European Sleeper bestätigte, dass die Laufstrecke des neuen Nachtzuges künftig über Berlin hinaus nach Dresden und Prag verlängert wird. „Das planen wir derzeit für Ende März 2024“, so der Firmenchef. „Wir müssten zusätzlichen Waggons mieten und bräuchten Streckenkapazität. Beides scheint uns zum jetzigen Zeitpunkt realistisch zu sein.“ Dagegen sei noch unsicher, ob der Nachtzug durchlaufende Wagen von und nach Warschau bekommt, sagte Engelsman.  

Ein Nachtzug der Österreichischen Bundesbahnen hält im Berliner Hauptbahnhof. Nightjets fahren von Berlin derzeit nach Freiburg, Basel, Zürich sowie nach Wien. Im Dezember 2023 könnten Brüssel und Paris dazukommen.
Ein Nachtzug der Österreichischen Bundesbahnen hält im Berliner Hauptbahnhof. Nightjets fahren von Berlin derzeit nach Freiburg, Basel, Zürich sowie nach Wien. Im Dezember 2023 könnten Brüssel und Paris dazukommen.imago/Rüdiger Wölk

Wie zwischen Berlin und Stockholm könnte es auch zwischen Berlin und Paris zwei unterschiedliche Nachtzugangebote geben. Wie berichtet streben die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) an, ihr Night-Netz vom Fahrplanwechsel im Dezember 2023 an mit einer täglichen Verbindung zwischen Berlin und Paris/Brüssel zu ergänzen. Die Berliner Wagen werden an die bereits bestehenden ÖBB-Nachtzüge von Wien nach Paris und Brüssel gehängt, die dann statt dreimal wöchentlich täglich verkehren sollen.  

Wie berichtet plant das polnische Unternehmen PKP Intercity zum selben Termin eine Nachtverbindung zwischen Berlin, Krakau und Przemyśl. Ein Anlass ist, dass der Nightjet Berlin–Wien dann nicht mehr wie derzeit über Wroclaw (Breslau), sondern über Prag verkehrt. Ob die neue Verbindung wie ihre Ende 2021 eingestellte Vorgängerin Schlaf- und Liegewagen erhält, wurde bislang noch nicht mitgeteilt.