Am 1. April hat die Spargelzeit wieder begonnen. Die einzige wirklich ernstzunehmenden deutschen kulinarischen Feierwochen des Jahres. Noch etwas schleppend ist es dieses Jahr angelaufen, denn die Temperaturen waren lange noch zu niedrig. Aber mit etwas Glück finden Sie den ersten Beelitzer, Schrobenhausener oder Schwetzinger Spargel nun schon auf den Wochenmärkten oder sogar in einigen Supermärkten.
Die knackigen weißen Stangen sind natürlich wie jedes Jahr heiß begehrt, viele Konsumenten nehmen Preise von mehr als zehn Euro pro Kilogramm in Kauf. Top-Qualität kostet gut und gerne 15 Euro das Kilo. Mir geht es immer genauso. In der Hochzeit esse ich manchmal jeden Tag Spargel. Mit Buttersoße, Hollandaise oder kleinen Pfannkuchen. Da ich aber jetzt auf Mallorca lebe, fällt die Spargelzeit aus, denn hier isst man eigentlich nur grünen Spargel.
Auch eine Spargelzeit kennt man in Spanien nicht. Den Spargel-Fanatismus gibt es schließlich nur in Deutschland. Aber warum ist das eigentlich so? Warum gibt es diesen Spargel-Boom nur in Deutschland?

21.000 Hektar: Auf 17 Prozent der Anbaufläche für Gemüse wächst Spargel
Erst einmal ein paar Zahlen: Kaum einem anderen Gemüse in Deutschland kommt so viel Bedeutung zu wie dem Spargel; die Anbaufläche betrug 2022 gut 21.400 Hektar, das entspricht knapp 17 Prozent der bundesweiten Anbaufläche für Gemüse. Das ist vor allem so beeindruckend, da der weiße Spargel ein sehr saisonales Produkt ist. Sie können sich also ausmalen, welchen wirtschaftlichen Stellenwert diese paar Wochen im Jahr für Gemüsebauern haben.
Und kaum einem anderen landwirtschaftlichen Produkt schenken wir so viel Aufmerksamkeit zur Saison. Und kein anderes Produkt würde zur falschen Jahreszeit so vollkommen fremd im Supermarktregal wirken wie weißer heimischer Spargel. Oder haben Sie schon einmal im November heimischen Spargel mit Kartöffelchen und Hollandaise angeboten bekommen? Das wäre doch eigenartig, nicht wahr?
Dabei könnte man nicht nur grünen Spargel aus Übersee das ganze Jahr hindurch essen. Irgendwo auf der Welt könnte zu jeder Jahreszeit weißer Spargel reif sein. Und man könnte ihn auch ohne großen Frischeverlust heranschaffen. Auch lila Spargel, welcher vor allem in Frankreich sehr beliebt ist, findet nur selten nach Deutschland. Und wilden Spargel findet man kaum noch in Deutschland. Dafür gibt es viele Gründe, vor allem aber die intensive Landnutzung.

Warum essen wir Deutschen nur weißen Spargel?
Sehr schade, denn wilder Spargel ist ein echter Hochgenuss. Frei erhältlich in der Natur. Ich sammle die langen dünnen grünen Stangen oft auf Mallorca in den Feldern und Hügeln des Tramuntana-Gebirges. Einmal habe ich ihn sogar mit Hollandaise gegessen. Das schmeckt wunderbar. Die wilde Spargelzeit auf Mallorca dauert zwei bis drei Wochen von März bis April.
Wie kommt es aber, dass bei uns lange nur die weißen Stangen so beliebt waren und sind? Grüner Spargel ist ja erst seit ein paar Jahren wieder beliebt in Deutschland. Dabei fing mit dem grünen Vertreter im Mittelmeerraum alles an. Bei den Ägyptern und alten Griechen war Spargel als Heilpflanze bekannt. Aus getrocknetem Spargel stellte man beispielsweise eine stark harntreibende Medizin her.
Bei der Römern war Spargel dann als ein Genusslebensmittel bekannt. Sie brachten ihn wohl auch das erste Mal nach Deutschland. Das belegen zumindest römische Preisschilder aus dem 2. Jahrhundert, welche man im rheinland-pfälzischen Trier fand. Aber es handelte sich damals immer noch nur um den grünen Spargel, und mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches verschwand wohl auch der Spargel insgesamt wieder aus Germanien.

Die Entdeckung des weißen Spargels war ein Versehen
Im 16. Jahrhundert fand Spargel vermehrt am französischen Königshof seinen Weg auf den Tisch. Er war wohl auch ein Mitbringsel der florentinischen Prinzessin Caterina de Medici (1519–1589), die insgesamt die französische Küche revolutionierte. Ihr grüner Spargel war in Frankreich schnell sehr beliebt, denn er war nicht nur schmackhaft und brandneu, nein, ihm eilte auch gleich noch ein uralter Ruf als königliches Gemüse voraus.
Zur gleichen Zeit etwa wurde der Spargel dann wohl zum ersten Mal wieder bewusst auch in Deutschland angebaut, und zwar in Urach und später im Stuttgarter Lustgarten. Und auch hier hatte wohl wieder eine italienische Prinzessin ihre Finger im Spiel. Namentlich Barbara Gonzaga von Mantua (1455–1503). Sie heiratete den Grafen von Württemberg-Urach und späteren Herzog Eberhard I. von Württemberg-Teck (1445–1496).
Sie residierte mit ihm in Urach (heute Bad Urach) und später in Stuttgart. Im dortigen Lustgarten wurde seit 1565 Spargel angebaut, das belegen Urkunden aus den württembergischen Archiven. Auch alte Briefe der Prinzessin an ihre Mutter belegen ihre Sehnsucht nach dem frischen, heimatlichen Gemüse.

Grüner Spargel: Aus Italien über die Alpen nach Brandenburg
Dank der verständnisvollen Mutter, im übrigen eine geborene brandenburgische Prinzessin (Barbara, Tochter des Markgrafen Johann von Brandenburg), fand der Spargel wohl das erste Mal seit der Antike wieder seinen Weg über die Alpen, in Form von Saatgut. Es war zwar auch grüner Spargel, doch ist es irgendwie ein irrer Zufall, dass ausgerechnet ein Brandenburgerin dafür verantwortlich ist. Schließlich kommt mit der beste weiße Spargel aus Beelitz, und das liegt ja in Brandenburg.
Aber wie ging es weiter? Und wie kam nun der weiße Spargel nach Beelitz? Eigentlich viel einfacher als man denkt. Denn das heimische Klima ist kälter als in Italien und damit nicht optimal für Spargel. Vor allem Frost kann ihm im Frühjahr noch zusetzen. Also bedeckte man die Triebe der Pflanzen in Stuttgart und Urach mit Tonhauben. Und unter einigen vergessenen Tonhauben fand man schließlich den schneeweißen Bleichspargel.
So etwas musste probiert werden. Der feine Geschmack und das leuchtende Weiß überzeugten schnell und waren neu und aufregend. Königsgemüse, aber eben in weiß, der Farbe des Adels, und noch ein bisschen exklusiver. So etwas Vornehmes, und das aus dem damals dunklen und rückständigen Heiligen Römischen Reich: incroyable!

So wurde Beelitz zum Mekka der deutschen Spargelproduktion
Dass der Spargel bei uns weiß ist, ist also wahrscheinlich dem Zufall geschuldet, zumindest könnte man annehmen, dass die Entdecker ziemlich stolz waren, als sie den schneeweißen Spargel den Gesandtschaften aus Italien und Frankreich zeigten. In Frankreich essen sie vereinzelt auch gerne den weißen Spargel. In Italien und Spanien kennt man bis heute nur den grünen Spargel.
Ein Versehen war also quasi der Urknall des deutschen Spargelfanatismus. Man begann dann im Reich, den Spargel unter der Erde anzubauen. Innovationen in der Landwirtschaft taten später ihr weiteres und unterstützten den Vormarsch des Spargelanbaus in Deutschland. Bald aßen nicht nur Könige und Adlige das Gemüse, sondern mehr und mehr freie Bürger.
Und schließlich stolperte auch der Beelitzer Glasermeister und Ackerbürger Carl Friedrich Wilhelm Herrmann über das weiße königliche Gemüse. Er erkannte, dass die beginnende Industrialisierung auch die Essgewohnheiten der Berliner veränderte, getrieben durch aufkommenden Wohlstand.

Spargel: Nicht nur für Könige, sondern auch für stolze Bürger
Herrmann glaubte an die Zukunft des Spargels und baute diesen erstmalig 1861 an. Er lag wohl richtig, denn nur unterbrochen durch die Jahre des Nationalsozialismus und der sowjetischen Besatzung ging es den Beelitzern mit ihrem Spargel stets gut. Noch heute gilt der Beelitzer Spargel als einer der besten des Landes. Hatten Sie ihn schon auf dem Tisch in diesem Jahr?
Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, dann scheinen Sie auch ein Spargelliebhaber zu sein. Genießen Sie also die Zeit. Sie ist kurz und geht nur bis zum 24. Juni. Dann heißt es wieder: „Kirschen rot, Spargel tot.“
Und wie ich Sie kenne, essen Sie ihren Spargel fast immer gleich. Entweder mit Buttersoße oder Hollandaise. Das passt auch wunderbar, aber man hätte doch gerne auch mal ein bisschen Abwechslung. Hier kommen zwei Rezepte für jeweils eine schmackhafte Variante beider Soßen. Sie gehen so kinderleicht und einfach. Probieren Sie es aus:

Frankfurter-Grüne-Butter
Dieses Rezept ist sehr einfach und ist angelehnt an die klassische Frankfurter Soße. In meiner niedersächsischen Heimat gibt es zum Spargel meist Butter; warum also nicht beides vermählen? Sie benötigen recht viele Kräuter, teilweise gibt es Tiefkühlmischungen, die „Frankfurter Grüne Soße“ (meist 125 Gramm) heißen, die sind völlig in Ordnung. Haben Sie jedoch zu viele Kräuter übrig, machen Sie einfach eine Soße oder Vinaigrette daraus, es wird sich schon was finden.
Zutaten: 1 Stück Butter (250 g, Zimmertemperatur), 75 g grüne Kräuter (Petersilie, Sauerampfer, Borretsch, Kerbel, Pimpinelle, Kresse, Schnittlauch),
Meersalz, Abrieb einer Zitrone
Zubereitung: Waschen Sie alle Kräuter und trocknen Sie sie gut ab. Anschließend relativ fein hacken. Nun wandern alle Zutaten gemeinsam in eine Küchenmaschine, ein Stabmixer funktioniert auch. Zu einer glatten Masse pürieren, fertig. Geben Sie die grünliche Butter dann auf ein kleines Butterbrotpapier und drehen Sie eine Wurst daraus. Zwei bis drei Stunden kühlen, fertig.
Ich gebe die Butter direkt auf heißen, gekochten Spargel. Oder ich schmiere sie auf ein Stück Brot. Mit einer Scheibe Kochschinken esse ich das dann zu kaltem Spargel vom Vortag.

Hollandaise mit Yuzu und rotem Pfeffer
Diese Soße müsste eigentlich Japonaise heißen, denn wir geben japanische Zutaten hinzu. Und zwar Yuzusaft und roten Sanchopfeffer. Yuzu ist eine asiatische Zitrusfrucht und Sancho japanischer Pfeffer. Beides bekommen Sie in gut sortierten Asia-Shops oder online. Sie werden sehen, es lohnt sich; das ist ein völlig neues Geschmacksbild. Es passt aber ganz wunderbar zu unserem Spargel und auch zu Kartoffeln.
Kleiner Tipp: Wenn Sie keine Lust haben, eine Hollandaise aufzuschlagen, nehmen Sie die fertige von Thomy und geben Yuzusaft und Sanchopfeffer dazu. Schmeckt auch sehr gut.
Zutaten: 200 g geklärte Butter (temperiert), 3 Eigelb, 1 Schalotte, 1/2 TL fein gemörserter Sanchopfeffer, 50 ml Yuzusaft, 25 ml Wasser, Salz.
Zubereitung: Wir benötigen ein Wasserbad für diese Soße, also einen Topf mit heißem Wasser und eine Rührschüssel. Zuerst kochen wir aber eine schnelle Reduktion. Würfeln Sie dafür die Schalotte sehr fein. Dann in einem separaten Topf mit etwas Fett farblos anschwitzen. Mit dem Yuzusaft und Wasser einkochen, bis Sie etwa 30 bis 40 Milliliter übrig haben.
Mit einem Schneebesen schlagen Sie nun die Eigelb, gemeinsam mit der Reduktion, in der Rührschüssel zu einer schaumigen, recht festen Creme, fast wie eine Sabayonne. Nehmen Sie sich Zeit und haben Sie dabei etwas Geduld. In diese Eimasse geben Sie dann die geklärte Butter, erst tröfpchenweise und dann im dünnen Strahl, dabei konstant mit dem Schneebesen weiterschlagen. Zum Ende dann mit Salz, Sanchopfeffer und vielleicht noch mit etwas Yuzusaft abschmecken.
Abwandlung: Sie mögen lieber Bernaise? Kein Problem, auch die sollen Sie haben! Hacken Sie einfach etwas Koriander und Schnittlauch und geben Sie ihn dazu. Für den Feinschliff ein kleiner Trick: Wer Zitronengras im Tiefkühlfach aufbewahrt, kann es dort heraus direkt mit einer Microplane zu einer feinen Paste reiben. Diese Paste gibt den letzten Kick.

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