Palma de Mallorca-Aus meinen Kindheitstagen in der Lüneburger Heide habe ich noch viele wunderbare kulinarische Erinnerungen. In meiner Zeit als Koch sind diese in meinem Gehirn eingebrannten Geschmackserlebnisse immer wieder in Gerichten verarbeitet worden. Auch manchen Kollegen und viele Gäste katapultierten diese Gerichte dann in die heimische Küche der Kindheit zurück.
Ich erinnere mich besonders daran, wie bei uns in der Adventszeit Plätzchen gemacht wurden. Wie meine Hände dann ganz buttrig waren. Noch heute habe ich den Geruch von frischem Apfelmost oder eingekochten Äpfeln, Birnen oder frischen Walnüssen und Bucheckern in der Nase, wenn ich an zu Hause denke. Klassiker bei uns waren etwa: Erdbeerkuchen mit viel zu viel Gelee und ordentlich Sahne, Aalsuppe, Wild mit Preiselbeeren. Es wurde immer viel gekocht und direkt aus der Natur verwertet, da waren wir schon viel früher als viele andere Familien nachhaltig und „Bio“.
Doch es gab bei uns neben der guten noch eine zweite „Küche“: die für die schnelle Raubtierfütterung. Mit fünf Kindern, regelmäßigen Ausstauschschülern (zeitweise drei auf einmal) und einer „open house policy“ musste meist einfach und schnell ordentlich was auf den Tisch. Denn wir Kinder waren hatten nicht nur aufgeschlagene Knie, sondern vor allem Hunger. Und auch die Kriegskasse meiner Eltern wollte geschont werden, und so landeten natürlich auch selbst ausgedachte „klassische Kindergerichte“ auf dem Tisch.
Unsere Familie war schon ziemlich früh nachhaltig und „bio“
Interessant ist auch, dass meine französischen Kollegen in de Sterneküche über den Begriff „Kinderessen“ immer gelacht haben. Denn dort gibt es keine Kinderküche, sondern die Kinder essen von Anfang an das Gleiche wie die Erwachsenen. Ich habe mal in Toulouse in einer École Maternelle - das ist eine französische Grundschule - gesehen, wie sie den 8-Jährigen Perlhuhn mit einer dicken Scheibe Entenstopfleber serviert haben. Das ist auch ein Grund, warum diese Kinder nicht wie unsere immer nur Nudeln mit Ketchup essen wollen.
Kürzlich habe ich also mit meinen Geschwistern über unser Kinderessen gesprochen. So mancher vergessene Schatz kam wieder zum Vorschein. Lieferdienste gab es damals kaum (quasi nur Pizza und ganz neu Croque), aber am Ortseingang gab es einen Imbiss (mit Sandboden) wo man Schaschlik mit Pommes essen konnte. Gelegentlich wurden Fischbrötchen von Nordsee serviert, und wenn wir sehr viel Glück hatten überwürzte Hähnchen von der Kette Kochlöffel.
Der Sandwichmaker war ein Hit. Aber es wurde eben auch selber „gekocht“: Obligatorisch natürlich Maggi Ravioli aus der Dose, welche mit Sahne und tiefgefrorenen Schnittlauch „verfeinert“ wurden. Für knapp 20 Personen waren Fischstäbchen zu schwierig (es gab nicht genug Platz im Ofen oder auf dem Herd), aber „Afrika“ eine Reispfanne mit Hackfleisch, Dosenmais, Erbsen und Sojasprossen war eine beliebte Alternative. Dazu gab es Sojasoße und Ketchup. Die nordische und etwas exklusivere Variante war Reis mit einer heißen Sahnesauce mit viel Dill und Krabben. Komischerweise gab es hierfür keinen Namen, hätte es doch konsequenterweise „Skandinavien“ oder so heißen müssen …
Besonders beliebt war Bihun-Suppe mit einem buttrigen Toast auf dem viel Currypulver war oder Nasigoreng aus der Dose. Ich denke „bizarre Exotik“ beschreibt diese Gerichte gut. Aber nun ja, wir wollen nicht meckern und zum Glück wurden wir von der Küche des Wirtschaftswunders verschont. Wobei Sie ja den Krabbencocktail inzwischen lieben gelernt haben, oder?
Ein Gericht aus der Kategorie Raubtierfütterung bleibt bei mir besonders hängen. Es ist so gut und sogar erwachsenengerecht, dass ich es heute regelmäßig koche. Das Rezept – ausgedacht hat es sich meine Mutter – ist einfach und irgendwie genial: Es heißt einfach Penne mit Corned Beef in Sahne. Man braucht neben Salz und Pfeffer nur drei Zutaten. Einfacher geht’s kaum. Und eine Sache sei gesagt, es schmeckt viel viel besser als es sich anhört.
Penne mit Corned Beef in Sahne
Zutaten für 4 Personen: 1 Packung Penne (ich bevorzuge Rummo oder De Cecco), 1 Dose Corned Beef (stielecht bitte Exeter, Libby‘s oder Hereford), 1 Becher Sahne, Salz & Pfeffer.
Zubereitung: Kochen Sie die Nudeln quasi über-al dente, das heißt nur ca. 90 Prozent fertig. Parallel kochen Sie die Sahne in einer Pfanne auf und geben dann - trauen Sie sich! - die ganze Dose Corned Beef dazu. Es wird sich in der heißen Sahne einfach auflösen. Salzen und pfeffern Sie. Dann die fast fertigen Nudeln mit einer Kelle Nudelwasser dazutun und in der Pfanne fertig kochen. Wie easy ist das denn?!
Der Pfiff: Wer mag kann noch mit etwas gekörnter Brühe abschmecken. Gab es bei uns nie, soll aber gut sein. Hab ich mal gehört. Für den Gourmet dann noch etwas Parmesan darüber. Dazu empfehle ich eine Capri-Sonne in der Geschmacksrichtung Cola-Mix oder eine Schorle aus dem Sodastream mit Tri Top-Kirsche. Viel Spaß und genießen Sie Ihre Reise zurück in die Kindheit!
Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann machte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung schreibt er regelmäßig über seine Lieblingsprodukte.



