Rezept am Wochenende

Alle stehen auf Pastrami, aber das geht auch anders: Zungenbrot auf Berliner Art

In alten Kochbüchern ist sie ein Superstar: die Rinderzunge! Heute kann und will sie kaum einer zubereiten. Ein riesiger Fehler, findet unser Koch Felix Hanika.

Von wegen Etepetete: Fleischhauen war früher heftigste Handarbeit.
Von wegen Etepetete: Fleischhauen war früher heftigste Handarbeit.C.KHARBINE

Palma de Mallorca-Hui, das klingt nach einer echten Herausforderung. Ist es irgendwie auch, denn Zunge generell ist zwar im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde, aber nicht jeder mag sie heute noch essen. Blättert man durch alte Kochbücher, dann ist ein schönes Frikassee aus Kalbszunge eigentlich immer vertreten. Zu Hause haben wir solche Gerichte jedenfalls schon als Kinder gegessen.

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Annalena hat wenig Chancen auf das Kanzleramt. Wird Robert Habeck in vier Jahren also der erste grüne Regierungschef? Wir haben ihn für unsere große Reportage getroffen

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Kolumne „Berlin Brutal“: Bye-bye, urbanes Paradies: Warum die Oderberger Straße eine Zumutung ist

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Denn auch wenn sie sich bei diesen Worten jetzt ekeln sollten, handelt es sich bei der Zunge um ein köstliches Lebensmittel und getreu dem Ansatz nose to tail tut man eigentlich noch was Gutes, wenn man Zunge isst. Und vor allem können Sie eigentlich jede Zunge essen. Ich habe im vergangenen Jahr mal Rehzungen probiert. Normalerweise werden die vom Jäger immer weggeschmissen, das ist wirklich schade, denn sie sind zwar winzig, schmecken aber wirklich toll. Aber nun zum Thema:

Pastrami ist mittlerweile in Deutschland bekannt. Über die USA kam es quasi zurück in seine europäische Heimat. Der Ursprung liegt in der jüdischen Küche, und so wundert es nicht, dass es mit weiteren typischen Produkten der jüdischen Küche verzehrt wird. Noch heute erhält man im legendären Katz’s Delicatessen in der Lower East Side in New York Pastrami Sandwiches mit sauren Gurken. Aber eben sauren Gurken, nicht den süß-sauren Gurken, wie man sie in Deutschland kennt.

Eine schöne Rinderzunge für German Pastrami

Doch lassen wir dieses Gurkenfass mal lieber zu, denn über eingelegte saure Gurken könnte man seitenweise schreiben. Zwischen zwei Scheiben zartem Weißbrot bekommt man die lauwarme Delikatesse also mit sauren Gurken, meistens etwas Senf und oft Meerrettich. Köstlich! Doch wie könnte man die Rinderbrust oder das Schulterstück vom Rind substituieren? Wir finden: mit Zunge.

Ob Zunge in der jüdischen Küche Berlins eine Rolle spielte, ist uns leider nicht bekannt, dass aber die jüdische Küche in Berlin ihre Spuren hinterlassen hat, ist offensichtlich. Und die vielen jüdischen Restaurants prägen die Gastronomie Berlins heute wieder. Pastrami jedenfalls kommt angeblich aus Rumänien. Der aufwendige Herstellungsprozess aus Pökeln und Räuchern hat seinen Ursprung in der Verlängerung der Haltbarkeit.

Das war früher sehr wichtig. Das Ergebnis zumindest ist ein butterzartes, angenehm salziges und rauchig-würziges Saftfleisch. Unglaublich gut! Und das geht auch mit Zunge, der Prozess ist lang, aber der ambitionierte Gourmand wird es schaffen. Diesmal ist es schon etwas anspruchsvoller. Aber das Zungenbrot Berliner Art wird Sie umhauen, versprochen! Und Sie schaffen das!

Steigen Sie um: Sprotte statt Sardine!

Von Felix Hanika

02.04.2021

Zungenbrot Berliner Art

Zutaten: 1 Rinderzunge (ca. 800–1000g), ½ TL Muskat, 2 Knoblauchzehen, 1 EL Piment, 3 Nelken, 2 EL Korindersaat, 2 EL Senfsaat, 2 EL Räuchersalz ,1 EL Paprikapulver, 1 EL Pfefferkörner, 5 Liter Wasser, 550g Nitritpökelsalz, 100g brauner Zucker, Meerrettich, Senf, Honig, Rapsöl

Zubereitung: Kaufen Sie beim Metzger eine Rinderzunge. Zu Hause waschen sie diese und stechen auf sie ein. Ja, tatsächlich, am besten mit einer langen Fleischgabel. Die Kanäle werden der Pökellake erlauben, das Fleisch besser zu penetrieren und die Aromen besser zu verteilen. Legen sie die Zunge in eine große Schale und geben sie die Gewürze, bis auf das Nitritpökelsalz und den Zucker, dazu.

Kochen Sie das Wasser auf, lösen Sie das Nitritpökelsalz und den Zucker darin auf und geben Sie die warme Lake über die Zunge. Die Regel heißt hier: Das Pökelgut muss unter der Lake sein, also voll bedeckt! Nun finden Sie Platz in Ihrem Kühlschrank und bewahren Sie die Zunge darin mindestens fünf, maximal zehn Tage lang auf. Ist die ewig lange Zeit vorbei, nehmen Sie die Zunge aus der Lake und entsorgen Sie die Flüssigkeit. Die Zunge einmal ordentlich spülen.

Nun in leicht siedender Brühe köcheln. Machen Sie einen schönen Brühe-Ansatz mit Mire Poix (Karotte, Sellerie und Zwiebel) und würzen Sie mit dem geräucherten Salz, Koriandersaat und ordentlich Pfeffer. Die Kochzeit beträgt drei Stunden. Ich weiß, das dauert alles lange. Aber Sie können die nächsten fünf Tage mit Ihren Lieben Zungenbrot Berliner Art essen, das ist doch was! Lassen Sie die Zunge die letzte halbe Stunde nur noch abseits vom Herd ziehen. Sie wird dann direkt aus der Brühe auf einem Brett frisch aufgeschnitten.

Zum Anrichten benutze ich ein schönes luftiges Sauerteigbrot, darauf kommt ordentlich Senf (ABB-Senf ist toll. Der kommt aus Düsseldorf, tut mir leid, aber der ist super!). Schneiden Sie Gewürzgurken (hier bieten sich Spreewaldgurken an) in fünf Millimeter dicke Scheiben. Dann kommt Sie, direkt aus der warmen Brühe, die Zunge. Ich schneide Sie in etwas dünnere Scheiben und fächere diese auf die Gurken. Ruhig ordentlich, drei bis vier Lagen sind drin. Obenauf reibe ich etwas frischen Meerrettich (der aus dem Glas tut es aber auch) und verteile eine schöne Vinaigrette aus Honig, Senf und gutem Rapsöl. Noch Pfeffer aus der Mühle und die zweite Scheibe Brot oben drauf. Oha, ganz schön viel Arbeit für ein Sandwich, aber wie gesagt, wir sind halt echte Champions.

Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann machte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung schreibt er regelmäßig über seine Lieblingsprodukte.

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.