Antriebe für die Zukunft

E-Auto kontra Verbrenner: Wie sich ein Gymnasiast mit Klimafragen beschäftigt

Über Elektroautos wird viel geredet. Doch welches Potenzial haben E-Antriebe wirklich? Was bedeuten sie für die Zukunft? Ein Abiturient hat das analysiert.

Dichter Stau in Berlin. Eine große Klimafrage lautet: Wie sieht die Zukunft des Autoverkehrs aus?
Dichter Stau in Berlin. Eine große Klimafrage lautet: Wie sieht die Zukunft des Autoverkehrs aus?Michael Kappeler/dpa

In den vergangenen Wochen gab es auch in Berlin wieder Aktionen der Letzten Generation. Aus Angst vor dem Klimawandel besudelten junge Leute zum Beispiel das Brandenburger Tor mit Farbe. Eine irrationale Handlung. Aber es gibt auch junge Leute, die nach praktischen Lösungen suchen, um die Lage zu verbessern. Zu ihnen gehört Sebastian Peek, ein 19-jähriger Abiturient aus Braunschweig, der jetzt ein Maschinenbau-Studium beginnt.

Bereits in seiner Abiturzeit hat Sebastian Peek Preise der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, der Gesellschaft Deutscher Chemiker und der Deutschen Mathematiker-Vereinigung erhalten – für herausragende Leistungen in der Oberstufe. „Technik im Allgemeinen, aber besonders Automobile und deren Technologie haben mich schon als Kind fasziniert“, erzählt er. Auch im Studium will er in diese Richtung gehen.

Der Sektor Verkehr und Mobilität sei mit einem Fünftel an den deutschlandweiten CO₂-Emissionen beteiligt, sagt Peek, die Energiewirtschaft sogar mit etwa 38 Prozent. Durch die Umstellung der Auto-Antriebe und vor allem die Umstellung auf regenerative Energieerzeugung könnte man seiner Meinung nach „einen sehr entscheidenden Beitrag gegen den Klimawandel leisten“, und zwar auf globaler Ebene.

Die Frage lautet: Welches Potenzial haben E-Autos wirklich?

„Automobilantriebe der Zukunft“ – so  lautet der Titel einer Facharbeit, die Sebastian Peek bereits als 17-Jähriger verfasste. Die im Rahmen des Abiturs entstandene Arbeit kann als Beispiel dafür dienen, wie man sich systematisch mit einem Thema auseinandersetzt und darüber zu einem Urteil kommt. Denn über Elektroautos wird ja viel geredet. Dabei geht es um geringere Reichweite, um fehlende Ladesäulen und vieles andere. Manche sehen E-Autos ohnehin nur als ein grünes Ideologie-Projekt. Doch welches Potenzial haben diese E-Antriebe wirklich? Was bedeuten sie für die Zukunft?

Sebastian Peek wollte es genau wissen. Er analysierte mit gründlichen Berechnungen und Quellenverweisen die Unterschiede zwischen dem Elektroantrieb und dem Verbrennungsantrieb – und zwar an zwei vergleichbaren Auto-Modellen der S-Klasse: dem Mercedes-Benz EQS 450+ (Elektroauto) und dem Mercedes-Benz S400d (Verbrenner). Diese Modelle entsprächen dem neuesten Entwicklungsstand, schreibt Peek.

Zunächst vergleicht er, wie effizient die Energie in den beiden Autos umgesetzt wird. Neben dem gewünschten Effekt – der Bewegung – entstehen ja auch Verluste. Durch Wärme zum Beispiel. Elektroantriebe haben laut Peek einen viel höheren Wirkungsgrad als herkömmliche Verbrennungsantriebe, weil sie deutlich weniger Wärme freisetzen. So beträgt der Wirkungsgrad – also die Umsetzung von Energie in Bewegung – beim Elektrofahrzeug 88 Prozent und beim Verbrenner mit Dieselantrieb 35 bis 40 Prozent. Beim Benzinantrieb sind es sogar nur etwa 25 Prozent.

Ein Akku wiegt noch zwölfeinhalbmal so viel wie ein voller Diesel-Tank

Allerdings rechnet der Autor auch andere Energieverluste dagegen. Sie entstehen zum Beispiel beim Laden des Akkus von E-Autos. Wenn man diese hinzunimmt, beträgt der Wirkungsgrad von E-Autos noch 71 Prozent. Zugleich betrachtet Peek, in welche Richtung sich die Technologie entwickelt. Er nimmt als Beispiel „für ein effizientes Elektroauto der Zukunft“ das Automobilkonzept Vision EQXX von Mercedes-Benz. Bei diesem sei „schon heute in der Praxis ein Spitzenwirkungsgrad im elektrischen Triebstrang von 95 Prozent realisierbar“, während bei den Verbrennern das Potenzial „weitestgehend ausgereizt“ sei. „Es lässt sich also klar sagen, dass unter dieser Betrachtung der Elektroantrieb mit einem mehr als doppelt so hohem Wirkungsgrad dem Verbrennungsmotor klar überlegen ist“, schreibt Peek.

Der Gymnasiast Sebastian Peek macht sich über die Zukunft der Autoantriebe Gedanken.
Der Gymnasiast Sebastian Peek macht sich über die Zukunft der Autoantriebe Gedanken.privat

Aber der Autor betrachtet noch andere Aspekte. Unter anderem gehört dazu die Speicherdichte „des Energielieferanten“. Salopp gesagt die Frage: Wie viel passt in einen Tank und wie viel in einen Akku? Hier schneiden die herkömmlichen Verbrenner mit einer etwa „81-fachen Energiedichte im Vergleich zum Akku“ wesentlich besser ab. Das sei „ein großer Vorteil für den Verbrennungsantrieb“. So soll der Mercedes-Benz EQS 450+ (E-Auto) bis zu 760 Kilometer mit einer Akkuladung schaffen. Der Mercedes-Benz S400d (Verbrenner) schafft dagegen etwa 1000 Kilometer mit einer Tankfüllung.

Hinzu kommen Unterschiede im Gewicht. Ein Akku in der von Peek betrachteten Fahrzeugklasse wiegt 692 Kilogramm, gut zwölfeinhalbmal so viel wie ein voller Diesel-Tank (54 Kilogramm), der dazu auch noch eine wesentlich höhere Speicherdichte besitzt. Aber auch hier blickt Peek in die Zukunft. Er schreibt, „dass die Energiedichte von Akkus in Elektrofahrzeugen im Laufe der Jahre ständig optimiert werden konnte“. Innerhalb der nächsten zehn Jahre könnte sie zum Beispiel durch die Verwendung von Lithium-Metall-Anoden deutlich erhöht werden. Mehr abgespeicherte Energie, weniger Gewicht, das sei die Zukunft der Akkus, während die Energiedichte bei Diesel und Benzinern immer gleich bleiben werde.

Großer aerodynamischer Vorteil beim schnellen Fahren

Im weiteren Vergleich geht es um die Fahrwiderstände – also das, was die Autos abbremst. Was den Luftwiderstand betrifft, haben elektrisch betriebene Autos laut Peek „einen nicht vernachlässigbaren aerodynamischen Vorteil“, vor allem bei hohen Geschwindigkeiten ab 100 km/h. Während der Fahrt mit Diesel oder Benzin entsteht nämlich deutlich mehr Abwärme. Das erfordert eine viel umfassendere Kühlung von Verbrennungsmotoren. Die dazu notwendigen Kühllufteinlässe „wirken aerodynamisch wie ein Segel, welches im Wind steht“, so Peek.

Beim Rollwiderstand sieht die Sache etwas anders aus, wegen des hohen Gewichts von E-Autos. Sie liegen schwerer auf der Straße – und das wirkt sich vor allem bei niedrigeren Geschwindigkeiten, also im Stadtverkehr aus. Aus demselben Grund sind Verbrenner bei der Beschleunigung im Vorteil. Aber auch hier gibt es eine Gegenrechnung, denn E-Autos „können durch ihren Beschleunigungswiderstand bei Verzögerungen Energie zurückgewinnen“. Zum Beispiel, wenn das Auto an einer roten Ampel abbremst und zum Stehen kommt. Der Elektromotor wirkt zugleich als Generator, der bei der Bremsung „kinetische Energie zurück in elektrische Energie“ umwandelt, um den Akku wieder aufzuladen. Die Technologie nennt sich Rekuperationsbremse. Sie funktioniert auch bei Hybridautos.

„Automobile mit Verbrennungsantrieb können diese Art der Energierückgewinnung nicht betreiben“, schreibt Peek. Dafür sind sie bei großer Kälte im Vorteil, weil sie einen Teil der Abwärme für die Heizung des Innenraums nutzen und keine zusätzliche Energie dafür brauchen. E-Autos verlieren bei Kälte laut Peek bis zu 30 Prozent an Reichweite. Auch ihre Effizienz verschlechtert sich um bis zu 30 Prozent.

Die Klimafreundlichkeit hängt von sehr vielen Dingen ab

Insgesamt jedoch kommt der Autor nach der genaueren Betrachtung der einzelnen Aspekte zu dem Schluss, „dass der Elektroantrieb deutlich energieeffizienter arbeitet als der Verbrennungsmotor“. E-Autos hätten „klare Vorteile beim Wirkungsgrad, beim wichtigsten Fahrwiderstand, dem Luftwiderstand und durch die Möglichkeit der Rekuperation“. 

Was aber ist mit der oft zitierten Klimafreundlichkeit von E-Autos? Zum Beispiel mit dem geringeren Ausstoß von Treibhausgasen, gemessen in „CO₂-Äquivalenten“? Auch hier betrachtet Sebastian Peek den Gesamtprozess. Seiner Darstellung zufolge ist die Herstellung der Akkus von Autos mit Elektroantrieb „besonders energieaufwendig“. Bei der Produktion eines E-Autos werden etwa 70 bis 130 Prozent mehr Treibhausgase emittiert als bei einem vergleichbaren Automobil mit Verbrennungsantrieb.

Auch die Zusammensetzung des Stroms, der bei der Herstellung der E-Autos genutzt wird, ist sehr wichtig. Deshalb muss man dem Autor zufolge genau den Produktionsstandort betrachten. Denn Strom, der mithilfe von fossilen Energieträgern gewonnen wird, sorgt „für eine deutlich schlechtere CO₂-Bilanz bei der Akkuherstellung, als Strom, der hauptsächlich durch regenerative Energien gewonnen wird“. Allerdings steigt der Anteil der verwendeten regenerativen Energien stetig. „Daher halte ich die Prognose, dass sich die emittierten Treibhausgase bei der Produktion von Automobilen, insbesondere mit Elektroantrieb, in Zukunft verringern werden, durchaus für plausibel“, schreibt Peek.

Bei der Produktion des Stroms für E-Autos entstehen Klimagase

Auch beim Fahren muss man dem Autor zufolge schauen, woher die Energie kommt. Zwar entstehen beim Antrieb von Elektroautos keine Treibhausgasemissionen – anders als „bei der Verbrennung von Kohlenwasserstoffen“ in herkömmlichen Benzin- und Dieselfahrzeugen. Das von Peek untersuchte Elektroauto emittiert beim Fahren überhaupt kein CO₂, während der in der Klasse vergleichbare Verbrenner zwischen 174 und 200 Gramm CO₂ pro Kilometer ausstößt. Folglich ist der Elektroantrieb laut Peek „nach den lokalen Emissionen deutlich umweltfreundlicher als der Verbrennungsantrieb“.

„Allerdings ist es für die globale Klimaerwärmung irrelevant, an welchem Punkt der Erde die Treibhausgase entstehen“, ob beim Fahren oder bei der Produktion der Kraftstoffe und des Stroms für die Antriebe, erklärt Peek. „Automobile mit Elektroantrieb nutzen als Energielieferant den elektrischen Strom, welcher in Deutschland unter anderem aus Kohlekraftwerken gewonnen wird.“ Beispielsweise verursachte die Produktion von einer Kilowattstunde (kWh) elektrischer Energie im Jahre 2019 Treibhausgasemissionen von 408 Gramm CO₂. „Demnach liegen also auch beim Elektroautomobil CO₂-Emissionen beim Fahrbetrieb vor.“

Aber auch bei der Produktion von Benzin und Diesel entstehen Treibhausgase. Im Jahre 2015 waren es der Darstellung zufolge umgerechnet 390 Gramm CO₂ pro Liter Kraftstoff. Alle Faktoren zusammen betrachtet, kommt der Autor bereits jetzt auf einen Vorteil, was E-Autos betrifft. Beim Fahrbetrieb des von ihm betrachteten Elektroautos werden insgesamt etwa 70 Gramm CO₂ pro Kilometer freigesetzt. Beim Verbrenner derselben Fahrzeugklasse sind es zwischen 202 und 228 Gramm. „Der Elektroantrieb ist also während des Fahrbetriebs schon heute deutlich klimafreundlicher als der Verbrennungsmotor“, schreibt Sebastian Peek. „Dieser Unterschied wird sich durch die Umgestaltung der Stromversorgung in Zukunft noch vergrößern.“

Bei der Herstellung von E-Fuels geht viel Energie verloren

Peek betrachtet auch E-Fuels, also Kraftstoffe, die mithilfe von elektrischem Strom auf erneuerbarem Wege produziert werden – regenerativ hergestellte Kohlenwasserstoffe. Diese seien „in langfristiger Zukunft die einzige Möglichkeit, Automobile mit Verbrennungsantrieben mit Energie zu versorgen“, weil andere Quellen versiegen. Und sie sind auch ein Lieblingsthema bestimmter Politiker, was Autos der Zukunft betrifft.

Allerdings sieht schon der viel jüngere Gymnasiast Sebastian Peek ganz klar, dass „die Synthese der E-Fuels sehr viel elektrischen Strom benötigt, weil diese sehr energieintensiv erfolgt“. Auch nach einer zu erwartenden Optimierung der Verfahren hin zu einem Wirkungsgrad von 70 Prozent geht seiner Darstellung zufolge ein großer Teil an Energie verloren. Auch gibt es beim Fahren Effizienzunterschiede, sodass Peek es als deutliche sinnvoller ansieht, „den Strom zum Laden von Elektroautos, anstatt zur Herstellung von E-Fuels zu verwenden“. Auch unter Berücksichtigung der ökologischen Auswirkungen sei dies deutlich effektiver.

Alles in allem: Der elektrische Antrieb ist „der Sinnvollere für die Zukunft“

Peek hält „die Verwendung von E-Fuels aus energetischer und ökologischer Sicht nur für sinnvoll, wenn ein großer Überschuss an vorhandener elektrischer Energie besteht und die Produktion des Stroms vollständig regenerativ erfolgt“. In seiner Arbeit kommt er zu dem Schluss, „dass der elektrische Antrieb in Automobilen der Sinnvollere für die Zukunft ist“. Elektrische Antriebe arbeiten seiner Analyse zufolge deutlich effizienter, sind bereits heute klimafreundlicher. „Jedoch entsteht dieser Vorteil erst nach einer gewissen Laufleistung, da bei ihrer Produktion viele Treibhausgasemissionen anfallen.“

„Durch den Ausbau erneuerbarer Energien wird sich dieser Vorteil von Elektroantrieben gegenüber den Verbrennungsantrieben wahrscheinlich weiter vergrößern“, schreibt Peek. „Andererseits besteht auch die Möglichkeit zur Reduktion der Treibhausgasemissionen von Verbrennungsantrieben durch die Verwendung von E-Fuels, welche ich aufgrund ihrer energetischen Ineffizienz aber zumindest in der näheren Zukunft nicht als sinnvoll empfinde.“ So lautet also das Urteil eines Abiturienten. Vielleicht wird er in absehbarer Zukunft auch praktisch an der Transformation der Mobilität in Deutschland mitarbeiten.