Immer wieder gibt es fantastische Nachrichten aus der Wissenschaft. So ist es Forschern gelungen, 46.000 Jahre alte winzige Fadenwürmer aus Sibirien – sogenannte Nematoden – wieder zum Leben zu erwecken. Wir berichteten darüber. Winzige Zeitgenossen der letzten Neandertaler und Mammute wimmeln sozusagen nach jahrtausendelanger sogenannter Kryptobiose wieder munter umher und vermehren sich sogar.
Ähnliches stellt sich auch so mancher Menschen für sich selbst vor. Es gibt bereits Hunderte weltweit, die sich „kryokonservieren“, also in flüssigem Stickstoff „einfrieren“ ließen, um dereinst wieder zum Leben erweckt zu werden. Nicht nur die Angst vor endgültigem Tod und Verwesung treibt sie, sondern auch die – höchstwahrscheinlich völlig irrige – Hoffnung, dass sie in einigen Jahrhunderten wieder „aufgetaut“ und alle ihre Krankheiten geheilt werden könnten.
Andere Wege gehen sogenannte Verjüngungsforscher. Sie wollen das menschliche Altern stoppen, und zwar mit neuesten Gen- und Stammzelltherapien, synthetischen Organen und Millionen von winzigsten Reparatur-Robotern, die durch den Körper reisen. US-Milliardäre fördern solche Forschungen in Kalifornien mit großen Summen. Mancher glaubt sogar, dass der Tod ganz „abgeschafft“ werden könnte.
Neuartige Mammute sollen durch Sibirien stapfen
Auch Berlin will zum Zentrum einer Medizin werden, die Krankheiten möglichst früh erkennt, verhindert oder gar wieder rückgängig macht (auch wenn es hier nicht um „Unsterblichkeit“ geht). Bei der Entwicklung neuester Therapien spielt jedenfalls auch die Erforschung der Besonderheiten von „Überlebenskünstlern“ eine Rolle. Zu denen gehören nicht nur die erwähnten Fadenwürmer, sondern auch mikrometergroße Bärtierchen (die sogar im Weltraum überleben können), Rädertierchen oder Nacktmulle.
Nun ist aber der Mensch kein Fadenwurm, Bärtierchen oder Nacktmull. Er will es auch gar nicht sein. Er will nur das Beste aus der Natur nehmen, um es sozusagen in seine Welt einzubauen. So, wie er es immer tat. Doch die Frage ist, was davon überhaupt sinnvoll ist. Und vor allem: Wie ordnet es sich ins Ganzheitliche ein? Forscher sehen nämlich oft nur ihr kleines Gebiet. Und manche Forschungs-Enthusiasten glauben, dass man die Probleme der Welt allein mit immer besseren Technologien lösen kann.
Dabei geht es nicht nur um den „Sieg“ über Alter und Krankheiten, sondern auch um die Bewältigung von Krisen wie die Erderwärmung. So wollen einige Forscher zum Beispiel das ausgestorbene Wollhaarmammut wiederbeleben, wie jüngst berichtet wurde. Und zwar aus dem Erbgut in fast 40.000 Jahre alten Geweberesten. Unzählige Mammut-Elefanten-Hybride sollen dereinst die auftauenden Permafrostböden Sibiriens feststapfen und so die Menge der frei werdenden Klimagase verringern. So der Traum.
Unzählige aussterbende Arten gegen ein paar wiederbelebte
Als Wissenschaftsredakteur ist man immer wieder begeistert von einzelnen Ideen. Aber beim ganzheitlichen Blick zeigt sich, dass dennoch alles nicht zusammenpasst. Der Mensch als Art ist verblüffend irrational und widersprüchlich, wenn es ums eigene Überleben geht. Ein Beispiel: Eine Million Arten könnte bis zum Ende des Jahrhunderts von der Erde verschwinden, so die Schätzung – durch Raub der Lebensräume, Monokulturen, die Folgen der Erderwärmung und anderes. Was dagegen sind ein paar wiederbelebte Arten aus der Urzeit? Müsste man nicht eher die existierenden Arten retten – und damit die Ökosysteme, die der Mensch braucht, um zu überleben?
Ähnlich ist es mit der menschlichen Gesundheit. Die Behauptung, dass die neuesten Zell- und Gentherapien allen zugutekommen könnten, ist bestenfalls naiv. Während Forscher im reichen Westen an der „Unsterblichkeit“ einiger weniger basteln, sterben in ärmeren Gegenden der Welt Millionen Menschen an Malaria, Dengue-Fieber, Hunger, Durchfall und Tuberkulose. Kriege und Erderwärmung verschlimmern ihre Lage. Und wenn Elon Musk davon redet, eines Tages „die Menschheit“ zur Rettung auf den Mars umsiedeln zu wollen, dann ist das reiner Zynismus.




