Heizungen

Wärmepumpe kommt – Berliner Ingenieur: Nicht Habeck, sondern Merkel hat es vermasselt

Ab 2024 müsste auch Berlin auf alternative Heizungen umsteigen. Wie sollte das gelingen? Der Ingenieur und Klimaschutz-Professor Volker Quaschning geht in die Offensive.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, steht beim Besuch eines Krankenhauses mit nachhaltigem Energiekonzept in Horenka nahe Kiew vor dem Statusmonitor der Energieanlage, welche auf Solarmodulen und einer Wärmepumpe basiert. Symbolbild.
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, steht beim Besuch eines Krankenhauses mit nachhaltigem Energiekonzept in Horenka nahe Kiew vor dem Statusmonitor der Energieanlage, welche auf Solarmodulen und einer Wärmepumpe basiert. Symbolbild.dpa

Über neun Milliarden Euro werden die Bürgerinnen und Bürger in den nächsten fünf Jahren jährlich in neue Heizungen investieren müssen, seien es Fernwärme, Wärmepumpen oder andere Alternativen wie Wasserstoff-Ready-Heizungen.

Diese reinen Investitionskosten hat das Wirtschaftsministerium im Entwurf zum neuen Gebäudeenergiegesetz berechnet. Ein spannender Vergleich drängt sich auf: Der Bau der inzwischen teils sabotierten Gaspipeline Nord Stream 2 hatte ein gesamtes Investitionsvolumen von über neun Milliarden Euro, der Bau der Nord Stream 1 noch weniger. Das russische Gas gehört aber der Geschichte an. Selbst wenn an der Nord- und Ostseeküste parallel mit Unterstützung des Habeck-Ministeriums elf (!) LNG-Terminals entstehen, sollten sie die neuen Pläne von Habeck, nämlich einen kompletten Verzicht auf die Gasheizungen im Laufe der Jahre, nicht konterkarieren.

Denn die Bundesregierung hat sogar schon die Einsparungen berechnet, die sich nach einer Betriebszeit der Heizung von 18 Jahren sichtbar machen würden, nämlich rund elf Milliarden Euro jährlich. Auf diese Zahl ist das Wirtschaftsministerium mit der Annahme gekommen, dass Öl und Erdgas sich in den kommenden Jahren deutlich verteuern werden. Selbst die Gasbranche traut sich nicht, Vorhersagen für die Zukunft zu machen, die Profis in den Ministerien aber schon.

Keine neuen Öl- und Gasheizungen: Wie sollte der Umstieg in Berlin stattfinden?

Die Koalitionspartner in Berlin, CDU und SPD, haben sich bereits auf einen Klimaschutzplan im Wert von mindestens fünf Milliarden Euro geeinigt. Unklar ist, ob die Hilfen für den Umstieg auf die alternativen Heizungen drin sind. Sie wären aber bald dringend nötig.

Aus der letzten Studie des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zum Alter von Heizungen von 2019 geht hervor, dass die Erdgas-Zentralheizungen in Berlin zu diesem Zeitpunkt ein Durchschnittsalter von 15,3 Jahren hatten, bei Öl-Zentralheizungen lag es schon bei 24,8 Jahren. Damit landet Berlin nach Bayern und Baden-Württemberg auf Platz drei der Bundesländer mit den ältesten Heizungen in Deutschland. Wenn wir die vergangenen vier Jahre grob dazurechnen, ergibt sich, dass der durchschnittliche Hauptstadtbewohner sich bei Gasheizungen in elf Jahren mit einer Alternative befassen sollte, bei Ölheizungen jedoch in weniger als zwei Jahren. Für den Übergang gilt für bestehende Öl- und Gasheizungen eine Betriebszeit von 30 Jahren.

Am logischsten aus der technischen Sicht wäre für Nutzer der Gasheizungen in Mehrfamilienhäusern ein Umstieg auf Fernwärme, während Eigenheimeigentümer sich eher für Wärmepumpen entscheiden sollten. Das Wirtschaftsministerium plant deswegen für die größtenteils fossil erzeugte Fernwärme eine Ausnahme von der 65-Prozent-Pflicht, wonach neue Heizungen ab 2024 zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen sollen. Doch macht es Sinn, schon jetzt auf neue Gasheizungen zu verzichten, wenn Fernwärme etwa bei Vattenfall Wärme, dem Berliner Grundversorger, einen Anteil von nur acht Prozent an den erneuerbaren Energien hat?

Wärmepumpen: Dänemark, Norwegen und Schweden als Vorbilder für Deutschland?

„Das Problem ist: Jede Heizung, die jetzt eingebaut wird, schafft für die nächsten 25 bis 30 Jahre Fakten“, sagt der Ingenieur und Professor für erneuerbare Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Dr. Volker Quaschning, der Berliner Zeitung.

Deutschlands Ziel sei es, spätestens bis 2045 klimaneutral zu werden, erinnert er. Wenn jetzt neue Gasheizungen eingebaut würden, die auch mit Gas und nicht etwa Wasserstoff laufen, würden sie in den nächsten 22 Jahren bis 2045 keinen Beitrag zur Klimaneutralität leisten. Die Fernwärme sollte dagegen bis 2030 einen auf zumindest auf 50 Prozent erhöhten Anteil der erneuerbaren Energien erhalten. „Sonst müssten wir die neuen Gasheizungen schon vor dem Ablauf der Betriebszeit von 30 Jahren rausschmeißen“, argumentiert der Ingenieur. Je später man mit dem Umstieg beginne, desto radikaler und teurer werde es. Es sei daher weniger schmerzvoll, auf Öl- und Gasheizungen allmählich schon ab 2024 mit dem Ablauf der Betriebszeit zu verzichten.

„Man muss deswegen schon heute diese harten Maßnahmen treffen“, bekräftigt unser Gesprächspartner. Sie kämen sogar viel zu spät. Dänemark habe schon 2013 beschlossen, keine neuen Gasheizungen mehr einzubauen, verweist Quaschning. Ähnlich früh hätten auch Norwegen und Schweden gehandelt und hätten jetzt einen Anteil von Wärmepumpen in allen Wohnhäusern von bis zu 60 Prozent. Die Gasheizung würde da „gar keine Rolle mehr“ spielen, weil man die Rahmenbedingungen rechtzeitig gesetzt habe. „Und Deutschland tut sich immer so enorm schwer und sagt: Das geht nicht. Und deswegen haben wir aktuell nur noch drei Prozent von Wärmepumpen im Bestand“, kritisiert Volker Quaschning.

Ja zur Fernwärme? Wie Vattelfall und Gasag sich auf die Heizwende vorbereiten

Fast zehn Prozent der Berliner Wohnungen hatten nach letzten Umfragen des BDEW 2019 sogenannte Gasetagenheizungen, also wenn in jeder Wohnung eine kleine Gasheizung drin ist. „Das Umrüsten auf die Wärmepumpen ist in solchen Häusern sehr komplex, also wäre der Umstieg auf die Fernwärme vorerst eine Alternative“, merkt der Experte an. Man könnte als Hausbesitzer oder Eigentümergemeinschaft das Problem outsourcen und die Verantwortung anders als bei den Wärmepumpen an den Fernwärmenetzbetreiber abgeben.

Im Moment beliefert Vattenfall Wärme nach eigenen Angaben rund 840.000 Berliner Haushalte mit Fernwärme, dies entspricht einem Marktanteil am Berliner Heizungsmarkt von mehr als 30 Prozent. Zusammen mit industriellen Kunden, Krankenhäusern und Behörden kommt man auf eine Anzahl von 1,4 Millionen Wohneinheiten. Noch besteht der Vattenfall-Brennstoffmix in der Stadtwärme zu 77 Prozent aus Erdgas und zu 15 Prozent aus Steinkohle.

Blick auf das Vattenfall-Heizkraftwerk auf Erdgasbasis in Lichterfelde am frühen Morgen im August 2022. Das Werk ist für die Versorgung des Berliner Südens mit Strom und Fernwärme verantwortlich.
Blick auf das Vattenfall-Heizkraftwerk auf Erdgasbasis in Lichterfelde am frühen Morgen im August 2022. Das Werk ist für die Versorgung des Berliner Südens mit Strom und Fernwärme verantwortlich.dpa

Um den Anteil an grünen Energien zu erhöhen, will das Unternehmen laut Sprecher Christian Jekat den Fokus auf die thermische Abfallverwertung, Power-to-Heat, oder Elektroenergie, Abwärme durch Großwärmepumpen, Biomasse und auch die Geothermie verlegen. Ein Monopolist sollte Vattenfall künftig nicht werden, denn auch der Berliner Grundversorger für Gas – Gasag – will künftig das Fernwärme-Angebot erhöhen und stellt mit dem Projekt Antonia bereits langsam auf die 100-prozentige Wärmeversorgung über Geothermie um. Allerdings werden noch rund 500.000 Kunden von Gasag mit Gas versorgt.

Heizungsfirmen wollen nur noch Wärmepumpen

In der Unternehmerwelt dreht sich die Erde am Ende doch eher um Wärmepumpen. „Wenn Sie mit den Heizungsfirmen auf der Internationalen Sanitär- und Heizungsmesse in Frankfurt am Main sprechen, merken Sie, dass sie kein Interesse mehr an der Herstellung von Gasheizungen haben“, erzählt Volker Quaschning. Zweigleisiges Fahren führe zu doppelten Kosten und treibe am Ende auch die Wärmepumpen-Preise hoch. „Ein ganz klares Signal, dass man praktisch weg von der Gasheizung sein muss, wird von der Industrie begrüßt. Also insofern ist das nicht nur eine Idee der Grünen, sondern ein Erkenntnis aller, die sich mit der Lage auf dem Markt auskennen.“

Monteur Daniele Russo und Gebietsleiter Christian Beggerow der Firma Thermondo transportieren eine Wärmepumpe für die Montage in einem Haus in Berlin am 22. November 2022.
Monteur Daniele Russo und Gebietsleiter Christian Beggerow der Firma Thermondo transportieren eine Wärmepumpe für die Montage in einem Haus in Berlin am 22. November 2022.Emmanuele Contini

Dass die Hersteller die Energiewende akzeptieren, ist nicht verwunderlich, denn sie können mit den im Vergleich zu Heizungen teureren Wärmepumpen bei einer stets höheren Nachfrage auch Kasse machen. Man könne im Detail darüber diskutieren, ob Wirtschaftsminister Habeck bei der Heizungswende alles richtig mache, erwidert der Klimaschutz-Professor auf Nachfrage. Klar sei für ihn, dass die Regierung Angela Merkels die Heizungswende bereits vorher vermasselt habe. Sie habe die Abhängigkeit von Russland gestärkt und die Deutschen noch enger an fossile Energien gebunden.

Aber auch Habeck lässt unzählige LNG-Terminals an der deutschen Nord- und Ostseeküste bauen, lässt sich erwidern. Ist es nicht ein weiterer Fehler? Für Volker Quaschning sind es angesichts der geplanten Heizungswende auch zu viele. Auch habe Habecks Ministerium am Anfang zu schlecht kommuniziert und die Ängste der Menschen geschürt, als ob sie sich komplett überlassen wären.

„Natürlich wollen die Menschen diese Kosten nicht tragen“, gibt Quaschning zu. „Deswegen muss der Staat jetzt den Fehler der Merkel-Regierung korrigieren und aufhören, die Gaslieferanten zu subventionieren.“ Dass die Menschen in Deutschland diese Wärmewende schaffen werden, zweifelt unser Gesprächspartner nicht an. „Die Hälfte der Hausbesitzer haben genug Sparvermögen, um sich eine Wärmewende leisten zu können. Nur diejenigen, die wirklich finanziell überfordert wären, brauchen die Unterstützung des Staates. Und hier müsste der Staat sie gezielt unterstützen und nicht alle nach dem Gießkannenprinzip wie bei der Energiepauschale und der Gaspreisbremse“, so Volker Quaschning.

Investieren müsste der Staat auch in Handwerker. „Wenn man in das Branchenverzeichnis reinguckt, findet man nur Gasheizungsinstallateure. Mit Wärmepumpen kennen sich noch viele Handwerker gar nicht aus“, erklärt unser Gesprächspartner. Das Fachwissen müsse schnell nachgeholt werden, sonst wird die Wärmewende nicht vom Fleck kommen.

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