Wirtschaftskrieg gegen China

Streit über China-Sanktionen: Will Habeck amerikanische Wirtschaftsdoktrin durchsetzen?

Der deutsche Wirtschaftsminister will vor dem Treffen der G7 amerikanische Pläne gegen China voranbringen. Exportwirtschaft und EU haben kein Verständnis, Peking kündigt Widerstand an.

Wirtschaftsminister Robert Habeck mit US-Außenminister Antony Blinken in Washington.
Wirtschaftsminister Robert Habeck mit US-Außenminister Antony Blinken in Washington.Olivier Douliery/AFP

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die deutsche Industrie, die Regierungskoalition und sein eigenes Ministerium brüskiert. Völlig aus der Luft gegriffen hatte er am Donnerstag auf einer Konferenz mit Vertretern der deutschen Außenhandelskammer angekündigt, Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland künftig vom deutschen Staat kontrollieren zu wollen.

Das Kuriose: Nur wenige Minuten zuvor hatte sich ein Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums gegen die Einführung dieser Maßnahme ausgesprochen. „Oh je, warum hat er das denn jetzt gesagt?“, sagte ein Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums dem Handelsblatt. Man befände sich bei dem Thema noch im „embryonalen Stadium“, wird ein anderer Mitarbeiter von der Zeitung zitiert.

Wirtschaftsministerium: USA haben die Debatte angestoßen

„Die Überlegungen stehen hinsichtlich ihrer Konkretisierung noch ganz am Anfang“, teilte das Wirtschaftsministerium der Berliner Zeitung mit. Habeck habe „zum Ausdruck gebracht, dass ihm daran liege, deutsches und europäisches Hochtechnologiewissen nicht an Länder außerhalb Europas zu verlieren, und dass darüber auch eine Debatte hinsichtlich geeigneter Instrumente zu führen sei.“ Das Ministerium bringe sich in diesen Prozess auf EU-Ebene ein. „Auch haben die USA eine Debatte hierzu im G7-Kreis angestoßen“, sagte ein Sprecher der Berliner Zeitung.

Und das scheint der springende Punkt. Will Robert Habeck die Position Washingtons am Kabinettstisch durchdrücken? Vertreter der amerikanischen Regierung hätten dem Kanzleramt deutlich gemacht, von „welch überragender Bedeutung“ das sogenannte Outbound Screening für Präsident Joe Biden persönlich sei, berichtet das Handelsblatt. Habeck wolle verhindern, dass Deutschland bei dem Thema wieder einmal international den Anschluss verpasse, berichtet die Zeitung unter Verweise auf Vertraute von Habeck. Der deutsche Wirtschaftsminister wolle sich an den USA orientieren. Das Weiße Haus, so sei in Washington zu hören, werde zu einem „sehr eng begrenzten“ Pilotprogramm tendieren, das sich auf Halbleiter, Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie konzentriert – Branchen, die einen „zentralen Bezug zur nationalen Sicherheit haben“.

Die amerikanische Regierung macht Druck, weil sie ohne eine wirksame Kontrolle ihrer Verbündeten das Screening nicht konsequent durchführen kann. Auf dem kommenden G7-Gipfel, der vom 19. bis zum 21. Mai im japanischen Hiroshima stattfindet, will Biden eine Vorlage auf den Tisch legen. „Die USA bräuchten aber auch die EU an Bord, um das Instrument wirkungsvoll einsetzen zu können“, erklärt der Industrie- und Handelskammertag Düsseldorf unter Verweis auf Studien der amerikanischen Think Tanks Center for Strategic & International Studies und dem Atlantic Council, in denen die Umsetzbarkeit des Outbound Screenings durchgespielt wird.  

Deutsche Wirtschaft und Verbündete haben kein Verständnis für Habecks Plan

Deutsche Wirtschaftsvertreter schütteln den Kopf: „Bisher kennen wir kein plausibles Beispiel, unter welchen Umständen eine Outbound-Investition für Europa sicherheitskritisch sein sollte“, teilte der Außenwirtschaftsexperte des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Klaus Friedrich, auf Anfrage der Berliner Zeitung mit. Der VDMA, der die Interessen der Exportwirtschaft vertritt, hält die Pläne von US-Präsident Joe Biden für völlig unausgereift: „Auch von Seiten der USA ist die uns bekannte Argumentationsbasis bestenfalls dünn“, erklärt Friedrich.

Auch Deutschlands wichtigster Verbündeter in der EU zeigt sich wenig begeistert von einer direkten Übernahme des Forderungskatalogs aus Washington. Die französische Europastaatssekretärin Laurence Boone sagte im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Unsere Gemeinsamkeit ist, dass weder Deutschland noch Frankreich ihre Chinapolitik vollständig nach der amerikanischen ausrichten wollen. Deutschland handelt viel mit China, und Frankreich will seine eigene europäische Doktrin haben. Wir wollen nicht in eine Logik der Blöcke geraten.“

Peking will sich gegen Investitionsbeschränkung wehren

Vielmehr sollte die EU eine eigenständige Position im Handelsstreit zwischen China und den USA vertreten, forderte der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, in einem Brief an die Außenminister der EU-Mitgliedstaaten, aus der die Financial Times zitierte. Darin zeigt sich Borrell besorgt: Die EU solle nicht versuchen, „die aufstrebende Macht der Schwellenländer zu blockieren“, womit er auf die Zurückhaltung der Mitgliedstaaten hinwies, den härteren Ansatz der USA gegenüber China zu akzeptieren. Die EU brauche eine „kohärente Strategie“ für den Umgang mit China, die sowohl auf den zunehmenden Nationalismus Pekings als auch auf eine „Verschärfung des Wettbewerbs zwischen den USA und China“ reagiere.

Während Habeck am Donnerstag seinen Vorschlag zur Überwachung von deutschen Investitionen in China deutschen Wirtschaftsvertretern in Berlin unterbreitete, verhandelten hochrangige Vertreter der chinesischen und amerikanischen Regierung in Wien.

Das chinesische Handelsministerium erklärte, dass sich die chinesische Regierung entschieden gegen jeden Schritt der USA wehren werde, der amerikanische Unternehmen daran hindere, in China zu investieren, oder ihre Verbündeten zwinge, diesem Beispiel zu folgen, berichtete die staatliche chinesische Zeitung China Daily.