Geopolitik

Baerbock: Wir erwarten von China, dass es auf seine Firmen einwirkt

Beim Thema Russland gibt es vorerst keine Verständigung zwischen Deutschland und China. 

Unterschiedlicher Blick auf Russland: die Außenminister Qin Gang und Annalena Baerbock. 
Unterschiedlicher Blick auf Russland: die Außenminister Qin Gang und Annalena Baerbock. Michael Kappeler/Pool photo via AP

Chinas Außenminister Qin Gang hat die Europäische Union vor Sanktionen gegen chinesische Unternehmen im Rahmen der geplanten neuen Strafmaßnahmen gegen Russland gewarnt. China sei „strikt dagegen“, dass Länder nach ihren eigenen inländischen Gesetzen einseitige Sanktionen gegenüber China oder anderen Ländern einleiteten, sagte er am Dienstag auf einer Pressekonferenz mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. „Wenn das der Fall wäre, werden wir auch strikt und streng darauf reagieren. Und wir werden auch die legitimen Interessen unseres Landes und unserer Unternehmen verteidigen.“ Der „normale Wirtschaftsaustausch“ zwischen China und der EU dürfe „nicht politisiert werden“.

Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Maßnahmenpaket gegen Russland ist so gestaltet, dass erstmals auch Firmen aus China und Hongkong von den Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs betroffen wären. Mehreren Firmen wird der Export von Dual-use-Gütern nach Russland vorgeworfen, die zivil, aber auch militärisch eingesetzt werden können.

Qin sagte, es gebe einen „normalen Austausch und Kooperationen zwischen chinesischen und russischen Unternehmen“. Dieser normale Austausch dürfe nicht gestört werden. China habe ein Gesetz, keine Waffen an Krisenregionen zu liefern. Entsprechende Vorschriften gebe es auch für sogenannte Dual-use-Güter.

Die Sanktionen gegen China und andere Drittstaaten sind der Kern des elften Sanktionspakets, das die EU gegen Russland beschließen will. Mit diesen Sanktionen soll verhindert werden, dass die EU-Sanktionen von einzelnen Staaten umgangen werden. Baerbock sagte, die Sanktionen richteten sich nicht gegen ganze Staaten, sondern gegen einzelne Unternehmen. Sie widerspricht damit Medienberichten, wonach der Zweck dieses Pakets zunächst vor allem sei, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, um andere Staaten wegen ihrer Geschäfte mit Russland zu bestrafen.

Baerbock sagte, sie könne sich noch nicht zu Details des geplanten elften Sanktionspakets gegen Russland äußern. Diese würden noch beraten. Grundsätzlich gelte für die Sanktionen der EU gegen Russland, dass diese „nicht über Umwege unterwandert werden“ dürften. Besonders kritisch sei es, „wenn dabei russische Rüstungsunternehmen an kriegsrelevante Güter gelangen“. Baerbock: „Wir erwarten aber von allen Ländern, wir erwarten auch von China, dass es auf seine Firmen in dem Sinne entsprechend einwirkt.“

Die unterschiedlichen Positionen Deutschlands und Chinas zum Krieg in der Ukraine wurden in der rund einstündigen Pressekonferenz der beiden Minister abermals deutlich. Während Baerbock die russischen Angriffe scharf kritisierte und einen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine forderte, vermied der chinesische Minister Schuldzuweisungen an die Kriegsparteien.

Minister Qin sagte: „Die Position Chinas zur Ukraine-Kris ist ganz kontinuierlich: Wir fordern alle Seiten auf, den Krieg zu beenden und die friedliche Verhandlungen aufzunehmen.“ China wolle dabei „nicht Öl ins Feuer gießen“. Auf einige kritische Mediennachfragen antwortete er zwar ausweichend. Anders als jedoch vom Inforadio des rbb am Dienstag wiederholt behauptet, sprach Qin sehr wohl und sogar mehrfach vom „Krieg“ und nicht nur von einer „Krise“. Er machte vielmehr klar, dass er den Krieg in der Ukraine als Teil einer größeren Auseinandersetzung sieht: Der chinesische Außenminister warnte vor dem Versuch der wirtschaftlichen „Entkopplung“ und davor, Gegensätze anzuheizen oder ein Währungsmonopol auszunutzen – ein offensichtlicher Bezug auf die Politik der USA. „Wenn dieser neue Kalte Krieg Realität wird, würde das nicht nur auf Kosten Chinas, sondern auch auf Kosten Europas gehen“, sagte er laut Übersetzung. Er rief dazu auf, China und Deutschland sollten gemeinsam handeln, um die Stabilität der weltweiten Lieferketten sicherzustellen.

Baerbock hingegen forderte die Volksrepublik auf, ihren Einfluss zu nutzen, um Russland zu einer Beendigung der Angriffe zu drängen. Sie zitierte in diesem Zusammenhang einen Ausspruch des südafrikanischen Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu: „Neutralität bedeutet, sich auf die Seite des Aggressors zu stellen.“ Deshalb sei es die Leitlinie der Bundesregierung, „deutlich zu machen, dass wir an der Seite der Opfer stehen“.

Das Treffen diente der Vorbereitung der für Juni geplanten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, zu denen der neue chinesische Ministerpräsident Li Qiang nach Berlin eingeladen wurde. Solche Gespräche veranstaltet die Bundesregierung mit mehreren engen oder strategisch wichtigen Partnern, darunter Frankreich, Japan, Indien, Brasilien und Israel. Die letzten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen fanden 2021 statt. (mit AFP und dpa)