Handelsstreit mit China

Chinas Importe sind gesunken: Verliert die deutsche Wirtschaft ihren Zukunftsmarkt?

Umbrüche in der Weltwirtschaft: Der Handel zwischen Peking und Moskau floriert, der chinesische Binnenmarkt schrumpft. Werden die Sanktionen des Westens zum Bumerang?

Die Bundesregierung verschärft den Ton gegenüber China. Unternehmen sind in Sorge.
Die Bundesregierung verschärft den Ton gegenüber China. Unternehmen sind in Sorge.Uroš Pajović/Berliner Zeitung

Die Weltwirtschaft schlittert der Rezession entgegen. Schlechte Zahlen von der globalen Wachstumslokomotive kann da keiner gebrauchen. Umso bitterer wirkt der Umstand, dass die chinesischen Exporte im April weniger stark gewachsen sind. Das Exportvolumen legte nur um 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu, wie der chinesische Zoll am Dienstag mitteilte.

Im März waren die Ausfuhren noch um 14,8 Prozent gestiegen. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht auch die Kräfteverschiebung auf dem Weltmarkt: Während das gesamte Handelsvolumen Chinas mit den USA und der EU um 11,2 respektive 3,5 Prozent sank, tauschte die Volksrepublik vor allem mit Russland bedeutend mehr Waren aus. Das Handelsvolumen stieg um 41,3 Prozent, die Exporte in das Land legten um satte 67,2 Prozent zu.

China investiert weniger in Europa

Auch die Direktinvestitionen in europäische Unternehmen sind rückläufig. Die Übernahmen fielen im vergangenen Jahr um 22 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro, wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Mercator Institute for China Studies (Merics) und der Rhodium-Gruppe hervorgeht. Besonderes Interesse zeigt China an der Autoindustrie. Im vergangenen Jahr hat China Deutschland erstmals als Exportweltmeister für Autos abgelöst.

Die jüngsten Investitionen flossen in europäische Firmen, die Komponenten für den Bereich der E-Mobilität produzieren. Chinesische Batteriehersteller wie CATL, Envision AESC und SVOLT investierten in Werke in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Ungarn. Diese vier Länder waren auch die größten Empfängerländer und hatten einen Anteil von 88 Prozent an Chinas Direktinvestitionen in Europa. Der Boom in den Bereichen wurde auch dadurch begünstigt, dass chinesische Investitionen in kritische Infrastruktur erschwert worden sind. Die Bundesregierung hatte zuletzt den Einstieg des chinesischen Schifffahrtunternehmens COSCO im Hamburger Hafen erschwert.

Die Handelsrestriktionen drohen auszugreifen. Die EU erwägt einem Medienbericht zufolge Strafen gegen chinesische Unternehmen, die Geschäfte mit russischen Firmen machen und dadurch EU-Sanktionen umgehen. Chinas Außenminister Qin Gang verurteilte am Dienstag die EU-Maßnahme und versprach, „streng und entschieden“ zu reagieren, um seine Unternehmen zu verteidigen.

EU und USA verschärfen Handelskrieg

Derweil verschärft die Bundesregierung den Ton gegen Peking. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte in dem Podcast „The Pioneer Briefing“ vom Dienstag „einen selbstbewussten und realistischen Umgang mit China“ und „ein weniger samtpfötiges Auftreten“, als es die Vorgängerregierungen an den Tag gelegt hätten. „Wir lassen uns unsere liberalen Werte nicht für gute Geschäfte abkaufen“, sagte der FDP-Chef. Wer nur auf wirtschaftliche Beziehungen setze, verliere ein Stück der zivilisatorischen Mission. Wer andererseits nur mit Gesinnung argumentiere, werde nichts bewegen. „Wir brauchen eine bessere Balance als in der Vergangenheit, als wir zu sehr auf die Wirtschaft geschaut haben.“

Auch die USA scheinen ihren Druck auf Verbündete zu erhöhen, die Isolierung Chinas weiter voranzutreiben. Medienberichten zufolge will sich die italienische Regierung aus dem globalen chinesischen Infrastrukturprojekt Neue Seidenstraße zurückzuziehen. Das habe Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in der vergangenen Woche bei einem Treffen mit dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, zugesichert, berichtete Bloomberg am Dienstag mit Verweis auf Teilnehmerkreise. Rom war der Infrastrukturinitiative 2019 als einziges Land der G7 beigetreten.

Westlichen Unternehmern dürfte unterdessen der Einbruch des chinesischen Absatzmarkts Kopfzerbrechen bereiten. Die Deutsche Handelskammer (AHK) erklärte am Dienstag: „Sorgen bereitet das Schwächeln des Binnenmarktes, was sich im negativen Importwachstum widerspiegelt.“ Die Importe Chinas gingen im April im Jahresvergleich um 7,9 Prozent zurück. Im vergangenen Jahr war China der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Die Volksrepublik importierte Waren im Wert von 106,8 Milliarden Euro. Einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge hingen im Jahr 2018 etwa 2,7 Prozent der deutschen gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und 2,4 Prozent der Gesamtbeschäftigung direkt und indirekt vom Export nach China ab – inzwischen dürften es jeweils rund drei Prozent sein.