Heizungsmarkt

Ingenieur erklärt den Wärmepumpen-Markt: „Viessmann macht sich schön die Kassen voll“

Habecks Wärmewende lässt bei Wärmepumpen-Herstellern die Kassen klingeln, oder? Der Ingenieur und Energieexperte Volker Quaschning erklärt, was jetzt auf dem Markt passiert.

Die Fertigungshalle für Wärmepumpen bei Viessmann in Hessen
Die Fertigungshalle für Wärmepumpen bei Viessmann in HessenViessmann

Wer jetzt Geschäfte mit Wärmepumpen machen will, kommt zu spät, denn die große Umverteilung auf dem Markt hat bereits begonnen. Deutschlands größter Wärmepumpen-Hersteller, das hessische Familienunternehmen Viessmann, verkauft seinen wichtigsten und profitablsten Geschäftsbereich „Klimalösungen“ an den amerikanischen Konkurrenten Carrier Global.

Man schaffe gemeinsam einen neuen globalen Champion für Klima- und Energielösungen, heißt es von Viessmann. Aber warum jetzt? Dem Unternehmen ging es zuletzt sehr gut, und die große Wärmewende von Robert Habeck bietet eine gute Basis für noch lukrativere Geschäfte in der Zukunft, oder?

So einfach ist es nicht. „Man kann mit den Wärmepumpen aktuell noch sehr gute Geschäfte machen, und die  Hersteller werden sehr hoch taxiert“, sagt der Ingenieur und Professor für erneuerbare Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Dr. Volker Quaschning, der Berliner Zeitung. „Aber wir sehen, dass wir in absehbarer Zeit ein Überangebot kriegen, weil auch ausländische Hersteller, vor allen Dingen aus Asien, auf den europäischen Markt stürmen.“

Die Carrier-Zentrale in Palm Beach
Die Carrier-Zentrale in Palm BeachCarrier/dpa

Viessmann-Übernahme: Das Mittelständische gibt „industrieller Größe“ nach

Viessmann sei dem amerikanischen Investor zudem deswegen so wertvoll gewesen, weil das Unternehmen über die Installateure einen besseren Zugang zum deutschen Heizungsmarkt hätten, erklärt Quaschning. Dem Vernehmen nach zahlte Carrier Global für die Übernahme des mittelständischen Unternehmen rund zwölf Milliarden Euro. 

„Bevor die Eigentümer Viessmann wegen des Konkurrenzdrucks irgendwie aus der Not heraus an ausländische Investoren verkaufen, tun sie es lieber jetzt und machen sich schön ordentlich die Kassen voll.“ Zwei Jahre später wäre das wahrscheinlich deutlich weniger Geld gewesen.

Und der Konkurrenzdruck wird kommen. Fakt ist, dass traditionelle deutsche Heizungsbauer noch bis vor kurzem vor allem Öl-und Gasheizungen hergestellt haben und damit auch marktführend in Europa waren. Im deutschen Bestand entfallen nur noch drei Prozent aller Heizungen auf die Wärmepumpen, und trotzdem kommen die Unternehmen der Produktion und Installation von Wärmepumpen bei stets steigender Nachfrage nicht hinterher. Amerikanische und asiatische Hersteller haben dagegen viel mehr Erfahrung im Bereich der Klimaanlagen, die den Wärmepumpen technologisch ähnlich sind, und riesige Produktionskapazitäten.

Man sei als Unternehmen davon überzeugt, dass sich der Markt für Klimalösungen radikal verändern werde, sagte der Geschäftsführer Max Viessmann dazu im Handelsblatt. Vielleicht hätte es noch attraktivere Kaufangebote gegeben, aber seinem Vater und ihm sei es um den richtigen Moment gegangen sowie darum, die Zukunft des Geschäftsbereichs und der Arbeitsplätze langfristig zu sichern. „Industrielle Größe wird künftig ein wichtiger Erfolgsfaktor“, fügte Max Viessmann hinzu.

Viessmann-Chef Max Viessmann ist überzeugt, dass sich der Markt radikal verändern wird.
Viessmann-Chef Max Viessmann ist überzeugt, dass sich der Markt radikal verändern wird.Viessmann

„Interessant für die Verbraucher“: Werden die Wärmepumpen jetzt günstiger?

Für die junge Wärmepumpen-Industrie hierzulande ist es eine schlechte Nachricht, denn sie ist kein Nonplusultra weltweit. Deutschland habe mit der Wärmewende zu spät angefangen, kritisiert Quaschning, da würden Länder wie Norwegen, Schweden schon bei bis zu 60 Prozent Anteil der Wärmepumpen liegen. Man habe also die Chance längst verpasst, Innovationstreiber zu werden.

Aus dem Wirtschaftsunterricht weiß man andererseits, dass industrielle Größe oft zum sogenannten positiven Skaleneffekt führt und das Produkt letztendlich vergünstigt. „Für die Verbraucher hierzulande ist es interessant, denn mit der Zunahme des Wettbewerbs werden wir in absehbarer Zeit deutlich fallende Wärmepumpen-Preise sehen. Und die ganzen Angstgespinste über eine angeblich nicht bezahlbare Energiewende werden sich offensichtlich gar nicht bewahrheiten“, so der Hochschul-Ingenieur.

Ähnlich sieht es auch der führende Ökonom am Düsseldorf Institute for Competition Economics und Berater des Wirtschaftsministeriums, Dr. Jens Südekum. Die Mengen am Wärmepumpen-Markt werden steigen, aber nicht die Gewinne der etablierten Anbieter, schrieb Südekum auf Twitter. Es sei zwar traurig, wenn ein Mittelständler nach über 100 Jahren Firmengeschichte sein Kerngeschäft abstoßen müsse. Aber der Verkauf finde wegen des volkswirtschaftlich positiven Ausblicks auf sinkende Konsumentenpreise für die Wärmepumpen statt.

Deutsche Wärmepumpen-Hersteller bauen neue Fabriken in Europa

Deutschlands andere führende Wärmepumpen-Hersteller wie Bosch, Stiebel Eltron oder Vaillant konzentrieren sich vorerst auf den Ausbau ihrer Produktionskapazitäten. So baut Vaillant eine Fabrik in der Slowakei, Stiebel investiert in Deutschland und Bosch stärkt sein europäisches Standort-Netzwerk. Auch Viessmann baut eine Fabrik in Polen. Es werde auf dem Markt sicher noch Veränderungen geben, prognostiziert Volker Quaschning, – ob durch den Verkauf an ausländische Investoren oder Zusammenschlüsse unter deutschen Herstellern. Aber man müsste es nicht dramatisch sehen. „Und das ist halt der Lauf der Dinge, wenn man sehr spät anfängt. Und die deutsche Politik hat sehr lange die Energie- und Wärmewende verschlafen“, sagt Quaschning.

Was die chinesischen Hersteller angeht, da ist sich unser Gesprächspartner sicher: Sie werden den deutschen Markt eher durch die Importe erschließen, statt über den Kauf der Kapazitäten in Europa.

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