Wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine dürfen russische Hersteller keinen Wodka oder andere alkoholische Getränke in die EU exportieren. Bei Produkten aus der EU gilt ein derartiges Verbot dagegen nur für Luxusalkohol. Bier ist von den Sanktionen nicht betroffen, und auch moralische Bedenken scheinen hier bei vielen deutschen Herstellern keine Rolle zu spielen.
Denn Deutschland bleibt Russlands Bierlieferant Nummer eins. Mehr noch: Deutsche Bierhersteller haben im ersten Halbjahr 2023 ihre Lieferungen nach Russland im Vergleich zum letzten Jahr um 46,4 Prozent offenbar auf rund 103 Millionen Liter erhöht. Das sind 58 Prozent der gesamten russischen Bierimporte. Darüber berichtet die russische Zeitung Kommersant unter Berufung auf Daten der russischen Marktteilnehmer.
Deutsches Bier in Russland: Diese Marken werden jetzt eingeführt
Insgesamt sind die Bierimporte in Russland in den ersten sechs Monaten des Jahres dem Bericht zufolge um rund 40 Prozent gestiegen. Das sind rund 21 Prozent mehr als etwa im gleichen Zeitraum 2019 vor der Pandemie, aber noch 19 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2021 vor dem Ukraine-Krieg. Im letzten Jahr gingen die Bierimporte in Russland laut dem Vertriebshändler Swam Group um bis zu 35 Prozent zurück: Damals stellten vor allem Hersteller aus den USA, Großbritannien und Kanada ihre Lieferungen nach Russland ein. Auch litauische Hersteller ziehen sich langsam zurück.
Hersteller aus der EU profitieren nun von dieser Entscheidung der Konkurrenten. Die Lieferungen aus Belgien haben sich im gleichen Zeitraum nach Angaben der russischen Importeure auf 19 Millionen Liter verdoppelt, die Importe aus Tschechien sind um drei Prozent auf 19 Millionen Liter gestiegen. Mehr als verdoppelt haben sich auch die Importe aus China, und zwar auf 8,4 Millionen Liter. Die meisten Importe werden vom Einzelhandel mitgetragen.
Laut dem russischen Händler X5 Import werden aktuell besonders oft die günstigen deutschen Marken wie Frankfurter, Fürstkeg und Perlenbacher Patronus sowie die Mittelklassemarken Lauterbacher und The Oaktree Troll Brew eingeführt. Das Unternehmen plant, deren Importe zu erhöhen und die teureren Positionen der lokalen russischen Bierhersteller so zu ersetzen. Ein anderer Händler freut sich darüber, dass große Brauereien in Deutschland bereit seien, Eigenmarken für die Einzelhandelsketten zu produzieren. Das Interesse der Importeure am deutschen Bier wird grundsätzlich damit erklärt, dass russische Verbraucher deutsches Bier mit hoher Qualität assoziieren würden.

Russland: Interesse am Bier aus Deutschland deutlich gesunken
Doch die gestiegenen Importe treffen nicht unbedingt auf eine höhere Kaufbereitschaft der Russen. Wie ein Vertreter des Händlers Swam Group im Bericht betont, sinke die Nachfrage nach dem massenhaft importierten Bier auch aus Deutschland. Die Verkäufe des importierten Biers sind in Russland der Recherche zufolge in der ersten Jahreshälfte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19 Prozent in Litern und um 25 Prozent im Wert zurückgegangen. Doch auch die Vergleichsbasis ist hoch: Vor einem Jahr war die Nachfrage nach dem importierten Bier in Russland spekulativ hoch gewesen, weil man verschärfte Sanktionen auch für den Biermarkt erwartet hatte. Mit der Wiederherstellung der Importe hat sich die Nachfrage aber beruhigt. Die Bierverkäufe generell sind in Russland dabei „nur“ um vier Prozent gefallen.




