Geopolitik

„Multipolare Welt“: Arabische Liga will mitspielen

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman will kein Vasall sein – weder von Russland, noch von China oder den USA. 

Mohammed bin Salman (l), Kronprinz von Saudi-Arabien, und der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, vor dem 32. arabischen Gipfel in Dschidda.
Mohammed bin Salman (l), Kronprinz von Saudi-Arabien, und der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, vor dem 32. arabischen Gipfel in Dschidda.Saudi Press Agency

Es ist das Wochenende der Gipfel, die die Welt verändern wollen: Beim Treffen der Arabischen Liga im saudi-arabischen Dschidda hat sich der Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) als neuer starker Mann im Nahen Osten präsentiert.

Zu Beginn des Gipfels zelebrierte MBS die Rückkehr des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, für den die Wiederaufnahme in die Liga nach zehn Jahren ein großer Erfolg ist. MBS sagte: „Wir freuen uns heute über die Anwesenheit des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.“ Er hoffe, dass die Wiederaufnahme in die Liga „Stabilität“ in Syrien herbeiführe. „Ich möchte Syrien lautstark dazu aufrufen, seinen Platz unter seinen Brüdern wieder einzunehmen“, sagte der algerische Regierungschef Ayman Benabderrahmane in seiner Eröffnungsrede in der Küstenstadt.

Die Rückkehr Assads signalisiert nach Einschätzung des katarischen Senders al-Dschasira das Ende des Arabischen Frühlings: Es sei deutlich geworden, dass die arabischen Staaten keine revolutionären Bewegungen in ihren Ländern dulden wollten. Für Syrien bedeute die Normalisierung mit Assad, dass sich alle Oppositionsgruppen von der Illusion eines Sturzes von Assad befreien müssten. Millionen Flüchtlinge, die das Land wegen Assad verlassen hätten, müssten nun erkennen, dass der Präsident die Oberhand behalten habe.

Katar, das enge Beziehungen mit den USA unterhält, sowie Marokko und Kuweit hatten zuvor die Wiederaufnahme Assads abgelehnt. Syrien war seit 2011 wegen Kriegsverbrechen am eigenen Volk aus der Liga ausgeschlossen worden, Assad wurde im Kampf gegen zahlreiche Kampf-, Terror- und Söldner-Truppen von Russland und dem Iran unterstützt, die Saudis dagegen standen auf der Seite der Assad-Gegner. Zuletzt hatten die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien aber wieder diplomatische Beziehungen mit Syrien etabliert. Saudi-Arabien hat jedoch auch diplomatische Beziehungen mit dem Iran aufgenommen – auf diplomatische Initiative Chinas hin.

Der Einfluss Pekings in der Region ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Mit der Aussöhnung zwischen dem Iran und den Saudis hat sich China als Vermittler etabliert. Beim Treffen der Arabischen Liga sprachen zahlreiche Staatslenker von einer „neuen Weltordnung“ und der „multipolaren Welt“, in der die arabische Region nicht mehr nur Vasall von Großmächten sein, sondern eine eigenständige Rolle spielen wolle. Dazu müsse die Region befriedet werden. Dies betrifft sowohl den Krieg im Jemen, aus dem Saudi-Arabien sich zurückziehen könnte, als auch den israelisch-palästinensischen Konflikt. Vor allem aber kann der saudische Kronprinz darauf verweisen, dass er gemeinsam mit den Amerikanern einen Waffenstillstand im Sudan vermittelt hat, aus dem nun ein Friedensplan entstehen soll.

Das neue arabische Selbstbewusstsein fand seinen Ausdruck auch darin, dass sich der Nahe Osten nicht zu eng an Russland binden möchte. MBS hatte daher den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zum Gipfel eingeladen. Viele arabische Länder pflegen meist gute Beziehungen mit Russland und bemühen sich im Ukrainekrieg um Neutralität. Es sollte jedoch, so die Gastgeber, einen offenen Dialog geben, weshalb Selenskyj auch deutlich werden konnte und die Araber deutlich kritisierte.

Selenskyjs Aufgabe bei dem Besuch dürfte gewesen zu sein, ein zu starkes Abdriften der arabischen Welt in die chinesisch-russische Einflusssphäre zu bremsen. Er spielt in diesem Zusammenhang eine größere Rolle als nur die des ukrainischen Präsidenten. Als Handlungsreisender in Sachen westliche Werte und Waffenlieferungen sollte Selenskyj nach seinem Besuch in Dschidda auf dem G7-Gipfel in Hiroshima auftreten.

Dort beschlossen die G7-Staaten neue, harte Sanktionen gegen Russland. So sollen die russischen Zentralbankreserven bis zur Rückgabe der eroberten Gebiete eingefroren bleiben. Auch weitere finanzielle Restriktionen sowie ein Verbot der Ausfuhr von Diamanten sollen kommen. Die G7 wollen aber vor allem all jenen in die Parade fahren, die Russland unterstützen oder die Sanktionen umgehen. Länder, die das russische Militär unterstützen, würden einen „erheblichen Preis“ zahlen, wenn sie diese Aktivitäten nicht „sofort“ einstellen, heißt es in einem Kommuniqué.

Der dritte globale Gipfel an diesem Wochenende, das Bilderberg-Treffen, ist wegen der Weltlage etwas ins Hintertreffen geraten. Die Wirtschaftsführer sprechen in Lissabon über Künstliche Intelligenz, Russland, Indien, die amerikanische Führungsrolle und China. Deutschland wird unter anderem von Springer-Chef Mathias Döpfner, Anton Hofreiter von den Grünen und Norbert Röttgen vertreten.