Fußball-Nationalmannschaft

„Wenn Rudi gewinnt ...“: Bleibt er dann Deutschlands Fußball-Bundestrainer?

Lothar Matthäus plädiert für einen längeren Verbleib von Rudi Völler als Teamchef. Doch der sucht andere Kandidaten für die Neuausrichtung im DFB.

Rudi Völler springt als Interims-Teamchef der Fußball-Nationalmannschaft ein.
Rudi Völler springt als Interims-Teamchef der Fußball-Nationalmannschaft ein.Swen Pförtner/dpa

Es gibt Leute hierzulande, die fürchten, es könnte so weit kommen, dass Rudi Völler nicht nur für ein Spiel den Bundestrainer gibt. Dass „Rudi Nationale“ also nicht bloß am Dienstagabend im Länderspiel gegen Frankreich (21 Uhr/ARD) als Notlösung einspringt. Diese Furcht ist weitgehend unbegründet, wiewohl Lothar Matthäus am Montag im Dortmunder Fußballmuseum kräftig für den alten Kumpel warb: „Wenn Rudi gegen Frankreich gewinnt und ganz Deutschland ihn feiert, dann darf er die Euphorie nicht kaputtmachen und muss bleiben. Dann ist er für mich die Nummer eins bis zur EM“, sagte der Rekord-Nationalspieler bei einem Pressegespräch seines Partners Interwetten.

Völler, 63, hat allerdings andere Pläne. Er sucht intensiv einen neuen Bundestrainer. Fürs Testspiel in Dortmund nimmt er sich sicherheitshalber die jungen Fußballlehrer Hannes Wolf, 42, und Sandro Wagner, 35, mit in die Coachingzone und sagt: „Wir dürfen uns nicht in die Hose machen jetzt. Wir sind immer noch Deutschland.“ Sein alter Weggefährte Reiner Calmund ist sicher: „Selbst mit Zuckerküssen und Peitschenschlägen würden sie Rudi nicht dazu bringen können, das länger zu machen.“

Flicks Sechs-Millionen-Vertrag läuft bis Juni 2024 weiter

Völler ist ein Sportsmann, der sich schon in Leverkusen schwergetan hat, Trainer rauszuwerfen. Aber inzwischen weiß er, dass er als zuständiger Sportdirektor zu lange an Hansi Flick festgehalten hat. Der hätte mit einem Rücktritt, wie es im Herbst 1998 Berti Vogts mit allerdings beleidigtem Unterton vorgemacht hatte, den ersten Rauswurf eines Bundestrainers in der 123-jährigen DFB-Historie vermeiden können. Flick verzichtete darauf offenbar aus mangelnder Einsicht. Der mit rund sechs Millionen Euro dotierte, bis Juni 2024 noch mit Oliver Bierhoff verabredete Vertrag läuft weiter. Eine schwere Last für den DFB.

Völler sagt, die Entscheidung sei am Sonntagnachmittag für ihn „kein einfacher Moment“ gewesen, „denn ich bin im Februar beim DFB angetreten, um Hansi Flick mit all meinen Möglichkeiten zu unterstützen“. Aber da die Gemengelage am Ende nur noch Hoffnungslosigkeit verbreitet hat, verbat sich ein erneutes „Weiter so“. „Wir müssen jetzt etwas verändern, um bei der EM im eigenen Land die Gastgeberrolle spielen zu können, die wir uns alle erhoffen“, ließ Völler wissen. „Das ist es, was die Fans zu Recht von uns erwarten.“

Atmosphärisch hat Völler schon höchstpersönlich einmal für eine Wende im Fußballland gesorgt. Im Sommer 2000 sollte er lediglich für eine einjährige Übergangsphase von Erich Ribbeck übernehmen, ehe Christoph Daum als Bundestrainer fest eingeplant war. Die Stimmung war nach dem damaligen EM-Vorrundenaus ähnlich mies wie aktuell, doch als Deutschland unter Teamchef Völler in Hannover gegen Spanien antrat, jubelten die Menschen ihm zu.

Deutschland gewann 4:1, und Daum wurde wegen seiner Drogenaffäre nie Bundestrainer. Völler führte die Nationalmannschaft 2002 zu Platz zwei bei der WM. 2004 trat er aus eigenen Stücken nach dem frühen Scheitern bei der EM in Portugal zurück. Er sollte, leider, mit dieser selbstkritischen Haltung Hansi Flick kein Vorbild geworden sein.

Aufgabe: Neuausrichtung und Vorbereitung auf Heim-EM

Bei der Fahndung nach einem Flick-Nachfolger wird nun jemand gesucht, der Mannschaft und Land gleichermaßen begeistern kann, ähnlich, wie das 2006 Jürgen Klinsmann hingekriegt hat, eine Rolle, die Flick nicht auszufüllen imstande war. „Die dringlichste Aufgabe ist es jetzt, einen Bundestrainer zu verpflichten, der unsere Mannschaft neu ausrichtet und auf das große EM-Heimturnier im kommenden Jahr vorbereitet“, sagt Völler.

Im Verband sind sich alle einig: Wer könnte das besser managen als Jürgen Klopp? Der wurde schon von Ex-Präsident Reinhard Grindel seinerzeit von langer Hand angefragt und jetzt von Völler noch einmal kurzfristig. Aber klar ist auch, dass der Mann, der alle Fans hinter sich versammeln könnte, sich beim FC Liverpool vertragsgemäß bis 2026 in der Pflicht sieht.

Überlegungen, Klopp könnte nur für anderthalb Monate einen Ferienjob im Sommer 2024 antreten, gelten als unrealistisch. Nicht gänzlich auszuschließen ist jedoch, dass der 56-Jährige nach Saisonschluss der Premier League unmittelbar das DFB-Team übernehmen und langfristig als Bundestrainer fungieren könnte.

Matthias Sammer wäre eine denkbare Lösung

Sollte Klopp übernehmen, wäre für Lothar Matthäus neben Völler auch Matthias Sammer als Übergangslösung denkbar. Der Berater von Borussia Dortmund hat laut des gut informierten Matthäus (der selbst nicht zur Verfügung steht) sein Interesse am Bundestrainerposten hinterlegt. Dass Sammer zuletzt vor 18 Jahren eine Mannschaft trainiert hat, sieht Matthäus nicht als gravierendes Problem. „Dafür hätte er ja ein Trainerteam dabei. Ich glaube, dass er Spieler packen kann.“ Wenig hält Matthäus von Lösungen wie Felix Magath (70), der von Stefan Effenberg vorgeschlagen wurde, oder Louis van Gaal (72), denn: „Wir wollen doch in die Zukunft gehen.“

Dafür wäre laut Matthäus Julian Nagelsmann ein guter Mann, dessen mit rund sieben Millionen Euro dotierter Vertrag beim FC Bayern noch läuft. Der Austausch zwischen Völler und Karl-Heinz Rummenigge ist bestens. Beide gehören der DFB-Taskforce an. Die Bayern könnten auf eine Ablöse verzichten und einen Teil des Gehalts von Nagelsmann bis zur Euro 2024 als Dienst am Land mitfinanzieren. Der 36-Jährige soll dem Job nicht abgeneigt sein, könnte unmittelbar nach dem Frankreich-Spiel übernehmen und die Nationalmannschaft schon im Oktober auf der umstrittenen USA-Reise anführen. Dort stehen Partien gegen die USA (14. Oktober, 21 Uhr MEZ) und Mexiko (17. Oktober, 2 Uhr MEZ) an. Aber traut sich der DFB, einen so jungen, noch längst nicht ausgereiften Mann zum Bundestrainer zu befördern?