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Dagegenhalten – die Devise für das Spiel gegen Kolumbien

Der Sportliche Leiter Joti Chatzialexiou über die Vorbereitungen auf das nächste Spiel und warum die Anteilnahme in der Heimat dem deutschen Fußball hilft. 

Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter der Nationalmannschaften, lacht zufrieden. Der Auftakt des Frauen-Teams lief schon mal gut. 
Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter der Nationalmannschaften, lacht zufrieden. Der Auftakt des Frauen-Teams lief schon mal gut. imago images

Von der Straße ist er nicht zu übersehen, der riesige Dinosaurier, den die Betreiber des größten australischen Reptilien-Parks vor der Ausfahrt Gosford in Richtung Norden aufgestellt haben. Hier ist am freien Mittwoch für das deutsche Frauen-Nationalteam auch die Ausflugsgruppe abgebogen, der sich Joti Chatzialexiou angeschlossen hatte. Um auf halbem Wege zwischen Newcastle und Sydney die für den Kontinent typischen Koalas, Kängurus und Dingos, aber auch Krokodile und Schlangen zu bestaunen.

Gewisse Exemplare an der Central Coast mal aus nächster Nähe zu begutachten, hat sicher nicht geschadet: Der Sportliche Leiter Nationalmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat im Basecamp von Wyong das Erdgeschoss von jenem Apartment bezogen, in dem eine Etage drüber die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und die Co-Trainerin Britta Carlson wohnen. 

Allein die Zimmerbelegung zeigt, welch engen Draht der gebürtige Frankfurter inzwischen zur Leitungsebene der DFB-Frauen aufgebaut hat. Ihm oblag es auch, öffentlich bereits die Sinne für das zweite WM-Gruppenspiel gegen Kolumbien (Sonntag 11.30 Uhr MESZ/ARD) zu schärfen. Man müsse sich im fast ausverkauften Football Stadium von Sydney gegen einen „Gegner auf Augenhöhe“ auf eine ganz andere Gangart einstellen: „Wenn sie ein bisschen rustikaler ausfallen sollte, dann sollte man auch das Beinchen nicht zurückziehen, sondern hinhalten. Das wird die Devise sein!“ Darauf müssten die deutschen Fußballerinnen eingestellt sein „und nicht groß lamentieren und nicht immer zur Schiedsrichterin schauen“, empfahl der 47-Jährige.

Überhaupt macht das nach eigenem Bekunden „turniererfahrenste Mitglied“ der Delegation viele Themen aus, „an denen wir noch arbeiten können“. Vor allem gelte es, „bessere Entscheidungen unter Druck treffen“. Weil Kolumbien mit der 18-jährige Linda Caicedo ein Wunderkind aufbietet, die auch für Chatzialexiou „in der Art und Weise, wie sie spielt, phänomenal ist“, wäre es wichtig, dass auf deutscher Seite endlich Lena Oberdorf mitwirken kann.

Chatzialexiou sagte, dass „90 bis 95 Prozent des Kaders“ wieder belastbar seien. Offenbar auch die am Oberschenkel lädierte Oberdorf: Niemand grätscht anderen so brachial in die Parade wie die bei der WM 2019 in Frankreich mit 17 als jüngste deutsche WM-Spielerin aller Zeiten debütierende Mittelfeldspielerin.

Beeindruckt ist der DFB-Manager als Rundherum-Beobachter („Alle Spiele sehe ich nicht, aber ich schaue vieles noch auf Wyscout an“) von den Topnationen, die „in der Kognition überragend, in der Spielgeschwindigkeit top“ seien: „Wenn ich sehe, wie Japan gespielt hat, wie die Spanierinnen gespielt haben, die USA: Da erwarten uns dann irgendwann mal im Turnier andere Gegner.“ Aber auch der deutsche Anfang ist ja gelungen und kam vor allem in der Heimat gut an: Die TV-Quote (5,61 Millionen im ZDF) sei ein „schönes Zeichen“, sagt Chatzialexiou: „Ich weiß gar nicht, ob sich unsere Spielerinnen mehr über das 6:0 oder über die Einschaltquote gefreut haben. Die Unterstützung vom anderen Ende der Welt macht etwas mit einem.“

Überdies kann dem DFB nichts Besseres passieren, als dass die Frauen bei dieser WM einen Kontrapunkt zur Krise der Männer setzen. Dazu müssen sie vielleicht auch gar nicht den dritten Stern gewinnen, sondern erst einmal reichen Auftritte mit Lust und Leidenschaft. „Für uns als Verband wäre es wichtig, ein tolles Turnier zu spielen – unabhängig von den Männern“, sagte Chatzialexiou, der ohne Umschweife zugab: „Der Sommer war dürr.“

Gleichwohl müsste man Bundestrainer Hansi Flick doch ein Jahr vor der Heim-EM zugestehen, „dass man auch mal was ausprobieren darf“. Flick würde übrigens „direkt mit Martina“ (Voss-Tecklenburg) in Kontakt stehen.

Erstaunlich, dass der von der Bundestrainerin hoch angesehene Chatzialexiou vielleicht bald seinen Verantwortungsbereich verliert, obgleich seine Expertise eigentlich außer Frage steht. Weil Rudi Völler die Funktion als Sportdirektor für die A-Nationalmannschaft und U21 nur bis zur EM 2024 bekleidet, stehen weitere personelle Veränderungen in der wichtigsten DFB-Direktion an. Sami Khedira könnte vielleicht bald einen Führungsposten bekommen; der Weltmeister weilt vielleicht nicht zufällig auch bei der Frauen-WM.

Chatzialexiou wollte zur bevorstehenden Umstrukturierung erst einmal „nichts sagen, das diskutieren wir danach“. Ob er vielleicht nur noch in Verantwortung für die DFB-Frauen weiterarbeitet? Letztlich hängt für ihn, der noch unter dem geschassten Ex-Direktor Oliver Bierhoff aufgestiegen ist, alles von Zuständigkeiten und Personen ab, die künftig den Kurs für den Spitzenbereich vorgeben. Er habe nach 20 Jahren im Verband „noch Vertrag“, um es mal im besten Fußballer-Jargon auszudrücken.