Kolumne

Frauen spielen genauso attraktiv Fußball wie Männer, der Rest sind Vorurteile

Erst die Klischees in den Köpfen sorgen für Unterschiede. Das weiß unser Kolumnist auch aus seiner Jugend, als er für Osteuropa-Rock warb.

 Kolumbiens Frauen freuen sich über ein Tor. Der nächste Gegner am Sonntag ist Deutschland.
Kolumbiens Frauen freuen sich über ein Tor. Der nächste Gegner am Sonntag ist Deutschland.Sophie Ralph/FR171993 AP/dpa

Frauen kicken genauso gut. Wer nicht ihnen, sondern ausschließlich Männern dabei zuguckt, könnte Inhaber einer gottverdammten Sexistenseele sein. Das entnehme ich, tendenziell, einer pünktlich zur Frauenfußball-WM erschienenen Studie.

Dafür wurden 613 Probanden jeweils fünf Highlights aus Spitzenspielen von Frauen und Männern vorgeführt. Die Fußballernden waren verpixelt, sekundäre Geschlechtsmerkmale nicht zu erkennen. Eine Kontrollgruppe sah die Aufnahmen im Original. Waren Damen und Herren als solche zu identifizieren, bewerteten die Testzuschauer die Aktionen Letzterer als highlightiger.

Bei den anonymisierten Szenen dagegen gab es ein Attraktivitätsunentschieden. Forscherfazit: Wer glaube, Fußballerinnen seien wegen minderer Qualität unpopulärer und schlechter bezahlt, folge Stereotypen und Geschlechterklischees. Mit einem perfekten, von Vorurteilen gereinigten Publikum bewohnte Alexandra Popp demnach die Villa neben Cristiano Ronaldo.

Bevor nun Antidiskriminierungsbeauftragte in Marsch gesetzt und Fernsehübertragungen quotiert werden, erlaube ich mir eine Anmerkung: Der Plebs verstreut seine Gunst notorisch auf der Grundlage von Klischees und Stereotypen. Oberflächliches Pack.

Ich spreche aus Erfahrung, eingedenk des heroischen Kampfes, den ich meiner Zonenjugend für die Gleichstellung osteuropäischer Rockmusik führte. Weil es mir damals an Westkontakten gebrach und Schallplatten von Led Zeppelin allenfalls zu Mondpreisen erreichbar waren, sammelte ich Vinyls aus den sozialistischen Bruderländern. Das klingt wie „Wir hatten ja sonst nichts“, bedeutet aber: In der Not frisst der Teufel prächtige Schmetterlinge.

Die Volksrepubliken Ungarn, Polen und Tschechoslowakei unterhielten Kulturzentren in Ost-Berlin. Dort gab es grandiose Alben von Locomotiv GT, SBB, Jazz Q oder Collegium Musicum. Ze Słowem Biegnę do Ciebie. Im Freundeskreis hielten sie mich für einen Nerd, der sich an Songs mit teils enormer Konsonantendichte delektierte. Ja, ich verstand tatsächlich kein Wort. Egal. „Denkt euch doch mal Sprache und Herkunft weg. Dann sind Marian Várga und Jósef Skrzek so gut wie Keith Emerson“, missionierte ich, vielleicht etwas zu euphorisch. Vergebens. Ignoranten, alle. Damit zurück zum Sport.

Frauenfußball verkauft sich einfach schlechter

Ich glaube jedenfalls nicht, dass die schlechte Bezahlung von Fußballerinnen an deren Qualität oder Unterhaltungswert liegt, wie auch immer man beides objektivieren und bewerten mag. Es ist, weil ihr Produkt sich schlechter verkauft. Ganz simpel. Täglich stehen Musiker, Schriftsteller und Maler auf Fenstersimsen, weil der Markt ihre Talente missachtet. Ein Neo-Rauch-Gemälde erlöst tausendmal mehr, als wenn dasselbe Bild von Ulrike Tritzschler-Mühlmann aus Spandau signiert wäre. Niveau begründet keinen Anspruch auf Ruhm und Reichtum. Fragen Sie Hammerwerfer. Oder, Scherz, Kolumnisten.

Viele Marktteilnehmer sind für korrekte Entscheidungen zu unreif. Sie gehorchen ihren Gewohnheiten und gucken aufs Etikett. Das kann durchaus unfair erscheinen. In Kenntnis gängiger Reflexe rate ich allerdings davon ab, Sportkonsumenten die relative Unterbelichtung des Frauenfußballs vorzuhalten und sie allzu fulminant umerziehen zu wollen. Konversionskampagnen wirken bisweilen kontraproduktiv. Übrigens dachte ich daran auch neulich beim Blick zum Himmel, als die Sonne in den Regen schien.

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