Fifa-Frauen-WM

Frauen-WM: Die sensationellen Einschaltquoten sind mehr als ein Statement

Dass Frauenfußball beim deutschen Publikum immer beliebter wird, überrascht nicht – und hat nicht nur mit den Erfolgen der DFB-Frauen zu tun. Ein Kommentar.

Melbourne, Australien: Deutschland-Verteidigerin Marina Hegering macht ein Selfie mit Fans.
Melbourne, Australien: Deutschland-Verteidigerin Marina Hegering macht ein Selfie mit Fans.Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Martina Voss-Tecklenburg hat sich mit der Einordnung des WM-Auftaktspiels gegen Marokko (6:0) anfangs schwergetan. Ob das ein Statement der deutschen Fußballerinnen gewesen sei?

Das sollten doch die anderen für sich bewerten. Gemeint waren die anderen Nationen. Was die Bundestrainerin da noch nicht wissen konnte: dass in der Heimat 5,61 Millionen Menschen im ZDF eingeschaltet hatten, um ihr Team zu sehen. 60 Prozent Marktanteil. Eine sensationelle Quote. Der Sender hatte auf zwei, maximal drei Millionen gehofft. Das war das Statement.

Als das Spiel in Melbourne um 18.30 Uhr Ortszeit begann, war es in Deutschland 10.30 Uhr morgens. Den ZDF-Krimi „Unter anderen Umständen“ sahen am Abend 4,57 Millionen. Der Zuspruch für ein Fußballspiel in den Morgenstunden wird durch die recht neue Möglichkeit zum Arbeiten aus dem Homeoffice natürlich begünstigt. Zum Vergleich: Bei der Frauen-WM 2019 in Frankreich hatten das erste Gruppenspiel gegen China (1:0) 4,38 Millionen geschaut. In den Nachmittagsstunden. Eine Alexandra Popp kannte da noch nicht jeder Fußballfan.

Noch immer gibt es Nörgler und Neider, die dem Frauenfußball solchen Zuspruch nicht wirklich gönnen. Weil die DFB-Frauen angeblich nicht mal die U15-Jungs von den Central Coast Mariners schlagen würden. Legt irgendjemand bei Olympischen Spielen die Leistungen im 100-Meter-Sprint der Geschlechter übereinander? Oder im Hochsprung? Oder beim Speerwurf? Wo der Quervergleich hilfreich ist: Das letzte Spiel der Männer-Nationalmannschaft im ZDF hatten gegen die Ukraine – es war das 1000. Länderspiel der DFB-Geschichte in Bremen – gerade mal 4,57 Millionen gesehen. Die schwache Quote – übrigens auch an einem Montag – wurde damit begründet, dass ja um 18 Uhr (!) angepfiffen wurde.

Es deuten sich also fast tektonische Verschiebungen in der Beliebtheit der DFB-Auswahlteams beim Publikum an. Dafür gibt es einige Gründe, wie Bodenständigkeit oder Leidenschaft der Spielerinnen – und ein fairer Umgang. Es laufen gerade WM-Spiele ohne viel Theatralik und Aggressivität.

Die Fans wollen deutsche Erfolge – und die DFB-Frauen liefern

Ein ganz wichtiger Faktor in Zeiten, in denen die Menschen sich bei den vielen Kriegsnachrichten einfach nach friedfertiger Ablenkung sehnen. Nichtsdestotrotz wünschen sich Fans natürlich deutsche Erfolge. Die Männer haben ein Jahr vor der Heim-EM in ihren Testspielen erneut das Vertrauen mit Füßen getreten, während die Frauen noch auf der Sympathiewelle von der EM in England schwimmen. Zur Erinnerung: Fast 18 Millionen schalteten am 31. Juli 2022 ein, um das in der Verlängerung verlorene Finale gegen den Gastgeber zu verfolgen. Kein Spiel erreichte später bei der Männer-WM in Katar eine derartige Quote. Nicht mal Deutschland gegen Spanien zur Primetime.

Ob bei Deutschlands zweitem Gruppenspiel gegen Kolumbien, am Sonntag um 11.30 Uhr aus Sydney von der ARD übertragen, nun sieben, acht oder vielleicht sogar zehn Millionen am TV-Gerät sitzen, ist eigentlich egal. Wichtig ist nur, dass Popp und Co. weiter auf dem Platz alles geben, sich außerhalb nicht verstellen, was mit der stark steigenden Aufmerksamkeit nicht ganz so einfach ist.

Denn der Medientross ist auf der anderen Seite der Erde doch größer als gedacht. Mindestens 50 Frauen und Männer, im fast ausgewogenen Anteil, berichten vor Ort. Pressesprecherin Sonja Alger versucht, so viele Wünsche wie möglich zu bedienen. Glücklicherweise beantwortet die Bundestrainerin Fragen abseits des Fußballs auch noch ausführlich. Voss-Tecklenburg arbeitet ja nebenbei für jenen Sender als Expertin, der bei den ermittelten Quoten anfänglich an einen technischen Auswertungsfehler geglaubt haben muss. War aber keiner.