Norweger verlässt den 1. FC Union Berlin

Morten Thorsby: Zum Abschied des etwas anderen Fußballers

Mit Morten Thorsby verliert der 1. FC Union Berlin zwar nicht den besten Fußballer, aber sicherlich einen der engagiertesten Spieler des Kaders.

Der Weg von Morten Thorsby führte im Stadion An der Alten Försterei meist auf die Ersatzbank und seltener auf den Platz.
Der Weg von Morten Thorsby führte im Stadion An der Alten Försterei meist auf die Ersatzbank und seltener auf den Platz.Matthias Koch

Es war im April dieses Jahres, als sich eine Handvoll Medienvertreter im Presseraum des Stadions An der Alten Försterei eingefunden hatte. Morten Thorsby erschien zur Interview-Runde, wollte sich schon auf seinen Platz setzen, da fiel ihm auf, dass er noch gar nicht jedem Anwesenden die Hand geschüttelt hatte. In den knapp 30 Minuten danach ging es zwar auch um Fußball, erstaunlich viel aber auch um Kultur und gesellschaftspolitische Themen. Das Gespräch, da waren sich die Journalisten im Nachgang einig, hatte Eindruck hinterlassen.

Beim 1. FC Union Berlin ist Morten Thorsby sportlich nie richtig angekommen. Im vergangenen Sommer kam er von Sampdoria Genua nach Deutschland. Große Vorfreude herrschte bei ihm auch deshalb, weil er erstmals in seiner Karriere die Möglichkeit bekam, im Europapokal zu spielen. Der 27-Jährige war auch gleich mittendrin, erzielte im dritten Bundesliga-Einsatz beim furiosen 6:1-Kantersieg auf Schalke seinen ersten Treffer und stand im Topspiel gegen den FC Bayern (1:1) in der Startelf. Glücklich war er deshalb aber nicht.

Im norwegischen Rundfunk sprach er erst Monate später über die mentalen Probleme, die ihn zu Beginn seiner Zeit in Köpenick belasteten. „All der Stress, den du aufbaust, wirkt sich auf viele Lebensbereiche aus. Schlaf, Ruhephasen – du hast das Gefühl, dass du nicht mehr runterkommst, was als Fußballer extrem wichtig ist“, berichtete Thorsby. Er war nicht voll belastungsfähig, fühlte sich „ausgebrannt“, die Tage fühlten sich lang an, die Nächte kurz.

Bis zur WM-Pause kam er nur noch sporadisch, meist als Einwechselspieler, zum Einsatz. Als die Mannschaft zum Winter-Trainingslager nach Spanien reiste, war Thorsby wegen eines operativen Eingriffs, so kommunizierte es der Verein, gar nicht mit dabei. Kein Wunder, dass er auch in der Rückrunde unter Trainer Urs Fischer kaum gefragt war. Auf den beiden Achterpositionen hatten Spieler wie Janik Haberer, Andras Schäfer, wenn er denn fit war, und Winter-Zugang Aissa Laidouni die besseren Karten.

Morten Thorsby: Flohmarkt statt Designerläden

Im April also, Thorsby saß wie eingangs erzählt im Presseraum, war das Selbstvertrauen bei ihm zurück. Die Energie, die es braucht, um im Profifußball erfolgreich zu sein. Fragt man einen Großteil der Berufsfußballer, was sie denn gerne in ihrer Freizeit unternehmen, reichen die Antworten oft nicht über Playstation spielen oder bloße Regeneration vom anstrengenden Training hinaus. Die Philharmonie möge er gerne oder den sonntäglichen Flohmarkt im Mauerpark, erzählte dagegen Thorsby. Wo andere ausschließlich teuerste Designerware kaufen, schaue er sich auch mal in Secondhandshops um.

Als die Profis des 1. FC Union Berlin vor einem Monat wieder in die Vorbereitung auf die neue Saison einstiegen und zu medizinischen Untersuchungen in der Charité vorstellig wurden, kam Thorsby entspannt mit dem Fahrrad. Mittlerweile ist klar, dass er die Spielzeit nicht in Köpenick absolvieren wird. Am Montag weilte er schon in Genua, bestand dort den Medizincheck. Er wechselt zurück nach Italien. In die Stadt, wo er schon vor seinem Wechsel zu den Eisernen auflief, allerdings nicht wieder zu Sampdoria, sondern zum CFC. 

Nach Paul Seguin (Schalke 04) und Jamie Leweling (VfB Stuttgart) ist Morten Thorsby in diesem Sommer schon der dritte Spieler, der den Köpenickern nach nur einer Saison wieder den Rücken kehrt. Mit Milos Pantovic, der kaum mehr eine Chance auf einen Platz im Spieltagskader bekommen dürfte, könnte in den nächsten Wochen noch ein vierter Akteur folgen. 

Mal sehen, welcher Spieler bei Union zukünftig Thorsbys Rückennummer zwei auf dem Trikot tragen wird. Ausgesucht hatte er sich diese Zahl, weil er damit auf das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens aufmerksam machen wollte. Bei seinem Ex-Verein in Heerenveen wurde aufgrund seines Engagements eine Solaranlage aufs Dach gesetzt, in Genua sogar Bäume gepflanzt. Es sind die kleinen, schönen Randgeschichten im Profifußball, in dem es für viele Menschen, Saudi-Arabien lässt grüßen, nur noch um das große Geld und nichts anderes mehr geht.