Nach dem DFB-Pokal-Aus bei Eintracht Frankfurt (0:2) waren Urs Fischer dann doch Zweifel gekommen. Zum wiederholten Male hatte Diogo Leite entscheidend gepatzt, der Traum vom großen Endspiel im Olympiastadion war im Viertelfinale futsch. Klar, der Portugiese hatte keinesfalls die alleinige Schuld an der Pleite beim späteren Finalisten, aber sein unnötiger Ballverlust in der Vorwärtsbewegung vor dem Treffer zum Endstand war im Endeffekt ein Fehler zu viel.
Der Trainer des 1. FC Union Berlin nahm seinen hochveranlagten Verteidiger also für das darauffolgende Bundesliga-Spiel bei Borussia Dortmund aus der Startelf, setzte stattdessen auf Paul Jaeckel, der seine Sache ordentlich machte. Dass Fischers Plan der Umstellung keinen einmaligen Charakter hatte, zeigte das nächste Heimspiel gegen den VfL Bochum. Wieder stand Jaeckel auf dem Platz, wieder saß Diogo Leite auf der Bank.
Zweieinhalb Wochen vor der Begegnung in Frankfurt hatte der ehemalige Jugendspieler des FC Porto beim Europa-League-Aus in Saint-Gilloise (0:3) mehrfach ganz alt ausgesehen. Mit seinem starken linken Fuß sollte er doch vor allem das Aufbauspiel der Eisernen bereichern, stattdessen wurde er defensiv zunehmend zum Risikofaktor.
Das Spiel gegen Bochum hatte für den 24-Jährigen rückblickend ganz entscheidenden Charakter, auch wenn er selbst dafür erst einmal nichts konnte. Jaeckel nämlich holte sich bei seiner Bewährungsprobe die Gelb-Rote Karte ab und fehlte im nächsten Spiel gesperrt, Diogo Leite kam zurück und machte seine Sache gut. Kein Gegentor in Mönchengladbach, kein Gegentor gegen Leverkusen. Passte alles ganz hervorragend. Des einen Leid war des anderen Freud.
1. FC Union Berlin: Diogo Leite ist – Stand jetzt – hinten gesetzt
Als man seine Patzer in den entscheidenden K.o.-Spielen fast schon ein wenig verdrängt hatte, leistete sich Diogo Leite am vorletzten Bundesliga-Spieltag in Hoffenheim wieder einen üblen Aussetzer, verschuldete zudem einen Foulelfmeter. Union lag zeitig mit 0:2 im Rückstand und verspielte bei der 2:4-Pleite die vorzeitige Qualifikation für die Champions League. Aber am Ende ist ja zum Glück noch alles gut gegangen.
Jetzt steht der ehemalige U-Nationalspieler seines Heimatlandes vor dem zweiten Jahr in der Bundesliga. Und man möchte sagen, schwerer, komplizierter als die letzten Monate kann es für ihn eigentlich nicht mehr werden. Die Hierarchie ist im Aufgebot – Stand jetzt – klar definiert. Diogo Leite bildet mit Robin Knoche und Danilho Doekhi die Dreier-Abwehrkette. Paul Jaeckel ist der erste Ersatzkandidat, sieht sich selbst auch in der Rolle des Herausforderers und Dominique Heintz hat unter Fischer keine Chance auf Einsätze in Pflichtspielen. Er dürfte den Verein in den kommenden beiden Wochen noch verlassen.
Was Diogo Leite in der Vorbereitung auf den Rasen gebracht hat, hat große Substanz. Er spielt abgeklärt und ruhig, scheint in seiner Entwicklung einen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Selbstvertrauen dürfte ihm das zurückliegende Pokal-Spiel beim Regionalligisten FC-Astoria Walldorf geben. Da wurde er zwar in seiner defensiven Kernkompetenz quasi nicht gefordert, dafür erzielte er mit einem herrlichen Schlenzer sein erstes Pflichtspieltor im Union-Dress. Das kann, das sollte beflügeln.
7,5 Millionen Euro hat sich der 1. FC Union Berlin in diesem Sommer die Dienste des Abwehrspielers kosten lassen. Allein diese Summe unterstreicht, dass die Verantwortlichen um Urs Fischer und Manager Oliver Ruhnert große Stücke auf ihn halten. Bleibt er verletzungsfrei und so konzentriert wie es aktuell den Eindruck macht, könnte er in dieser Saison zu einem ganz entscheidenden Akteur in der Mannschaft werden. Denn sein linker Fuß ist im Aufbauspiel tatsächlich eine Waffe. Technisch ist er deutlich filigraner unterwegs als seine Nebenleute Knoche und Doekhi.




