Serie: Bezirke in Berlin, Teil 3

Lichtenberg: Sie müssen nicht nach Brandenburg! Satte Natur finden Sie auch hier

So viel mehr als Stasi, Tierpark und Dong Xuan Center. Lichtenberg zeigt sich in unserer Wochenend-Serie von seiner grünen Seite.

Ein Idyll und das fast mitten in Berlin: Die Rummelsburger Bucht in Lichtenberg.
Ein Idyll und das fast mitten in Berlin: Die Rummelsburger Bucht in Lichtenberg.imago/Jürgen Ritter

Berlin ist ein Dorf. Sagt man so, und stimmt auch, wenn man genauer hinguckt. Aber wer tut das schon? Wer fährt einfach mal in einen anderen Kiez, um zu gucken, was da so los ist? Das wollen wir ändern. In der Bezirke-Serie stellen wir alle 12 Berliner Bezirke vor, lassen Einheimische zu Wort kommen, verraten Geheimtipps, tauchen ein in die Vielfalt der Möglichkeiten. Heute: Lichtenberg.

1920 wurden mehrere kleine Dörfer, darunter Friedrichsfelde, Falkenberg und Malchow, zum Verwaltungsbezirk Lichtenberg zusammengefasst. Deren Geschichte reicht teilweise bis ins 13. Jahrhundert zurück. So war Falkenberg einst ein Rittergut und Karlshorst in der Kaiserzeit ein Villenviertel. Heute erstreckt sich Lichtenberg mit seinen zehn Ortsteilen auf mehr als 52 Quadratkilometern.

Falls Sie mehr über den Bezirk erfahren wollen – wie Lichtenberg zu dem wurde, was es heute ist – sei Ihnen an dieser Stelle schon das Museum Lichtenberg (Türrschmidtstraße 24) ans Herz gelegt. Es befindet sich im Stadthaus, das früher das Rathaus von Boxhagen-Rummelsburg war. In vier Räumen wird erklärt und gezeigt, wie Lichtenberg tickt. „Zum Museum gehört auch ein umfangreiches Archiv mit Dokumenten, Zeitzeugnissen, Objekten und Fotos sowie eine Präsenzbibliothek“, heißt es auf der Museums-Website.

Haben Sie Lust, auch die anderen Bezirke kennen zu lernen? Dann folgen Sie uns doch nach Pankow, Neukölln, Mitte, Spandau, Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinickendorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Steglitz-Zehlendorf.

Was macht Lichtenberg so besonders?

Michael Grunst (Linke), Bezirksbürgermeister: „Ein Mosaik der Besonderheiten. Lichtenberg ist ein extrem vielseitiger und bunter Bezirk. Das zeigt sich schon in der Unterschiedlichkeit von Bauweise oder Sozialstruktur – das Nebeneinander von Dörfern und urbanen Zentren, Plattenbau- und Villensiedlungen, Arbeiterkolonien und Industriegebieten zeugt davon. Mit seinen 13 Kilometern Länge reicht Lichtenberg von Hohenschönhausen im Norden bis ins südliche Karlshorst.“

Highlights: „International bekannte Attraktionen wie der Tierpark Berlin locken hier ebenso zu Besuchen und Ausflügen wie unbekanntere Entdeckungstouren beispielsweise um die Hohenschönhausener Seen, über die Dörfer oder durch die zahlreichen Parks des Bezirks.“

In den 90er Jahren habe Lichtenberg nicht unbedingt den besten Ruf gehabt, so der Bezirksbürgermeister: „Als deutliche Reaktion auf die rechte Szene entwickelte sich jedoch schnell eine starke und lebendige Zivilgesellschaft, die sich in vielen Initiativen für Demokratie und Toleranz engagiert. Die Kieze ändern sich und bleiben sich dennoch treu. Hier konzentrieren sich die Menschen auf das alltägliche Miteinander.“

Und: „Viele leben hier seit Jahrzehnten in ihren Häusern und Wohnungen – mit einer gewachsenen und funktionierenden Nachbarschaft. Doch auch neue Nachbarn kommen hinzu. Seit einigen Jahren erscheint der Bezirk verstärkt auf dem Radar vieler junger Familien, Kreativer und Studierender. Der Bezirk wächst stetig und hat mittlerweile 300.000 Einwohnerinnen und Einwohner.“

Auch wirtschaftlich habe Lichtenberg einiges zu bieten: „Es gibt traditionsreiche wie auch neue Gastronomie, angesagte Clubs und Cafés. Explizit ausgewiesene Gewerbegebiete, zum Beispiel in der Herzberg- oder Marzahner Straße schaffen Arbeitsplätze und Raum für technische Innovationen. Kulturelle Großevents wie die Lange Nacht der Bilder oder beim Fête de la Musique zeigen die lebendige und stetig wachsende Kreativszene des Bezirks.“

Das Stasimuseum
Das Stasimuseumimago/Jürgen Ritter

Dauerbrenner: Tierpark, Stasimuseum, Dong Xuan Center

Wie breit Lichtenberg aufgestellt ist, erkennt man, wenn man sich die berühmtesten Touristenmagnete des Bezirks vor Augen führt. Als erstes fällt den meisten Menschen natürlich der Tierpark ein, der in den letzten Jahren sehr viel von seinem einstmals markanten DDR-Look verloren hat, was man bedauernswert (der alte Eisladen am Eingang!), aber auch faszinierend finden kann: Das Alfred-Brehm-Haus ist toll geworden; allein die Tigeranlage mit der riesigen Glasfront ist spektakulär.

Viele Ostberliner verbinden mit Lichtenberg vor allem eines: die Stasi. Immerhin befand sich hier, an der Normannenstraße, die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit. Seit der Bezirksreform 2001 gehört auch Hohenschönhausen zu Lichtenberg, und somit auch das Stasi-Gefängnis (Genslerstraße 66). Man kann im Bezirk also zwei Seiten der Medaille besichtigen. An der einen Stelle wurde geplant und beraten, an der anderen Stelle ausgeführt.

Ein Phänomen, das aus den 90ern herrührt, ist das Dong Xuan Center, auch Little Hanoi genannt: „In den sechs Hallen gibt es alles, was Asien exportiert“, heißt es auf der Website des Geschäftszentrums. Winkekatze, Gewürze, Kunstnägel, Klamotten, Handys, Schmuck, Kunstblumen, Woks. Gerüche, Geräusche, alle Farben, tausend Eindrücke, essen, trinken, quatschen, 165.000 Quadratmeter, mehr als 400 Läden, Vietnam, China, Indien – und so, so vieles mehr.

Nicht außer Acht lassen sollte man und den Zentralfriedhof, auch als Sozialistenfriedhof (Gudrunstraße 20) bekannt, sowie die Trabrennbahn Karlshorst (Treskowallee 159). Vielleicht ist es nicht jedermanns Sache, einem Pferderennen zuzuschauen, aber eventuell hätten Sie ja Lust, selbst mal in einem Gespann von einem Rennpferd gezogen zu werden? In der Trabrennschule ist das möglich. Zusammen mit einem Trainer sitzen Sie im sogenannten Doppelsulky und lernen, die Zügel richtig zu halten (45 Euro pro 45 Minuten Training).

Natur in der Großstadt: grünes Lichtenberg

Ja, es gibt viele Plattenbauten und breite Autoschneisen in Lichtenberg – aber wer nur daran denkt, war wohl noch nie wirklich im Bezirk unterwegs. Nehmen wir den Naturhof Malchow (Dorfstraße 35). Ein alter märkischer Bauernhof, der sich dem Naturschutz verschrieben hat, wo man alles über heimische Wildtiere und -pflanzen lernen kann. Es gibt auch kostenlose Vorträge, beispielsweise zur Begrünung von Dächern.

Angeboten werden außerdem Workshops und Wanderungen, aber auch Müllsammel-Einsätze in den Kiezen. Vor Ort gibt es zudem einen kleinen Hofladen, der regionales und saisonales Einkaufen einfach macht (Tipp: Bio-Apfelsaft von der Streuobstwiese), und gibt es diverse Handarbeiten zu kaufen.

Falls Sie jetzt Lust auf noch mehr Natur haben, besuchen Sie doch mal den Landschaftspark Herzberge (Allee der Kosmonauten 16). Auf dem Gelände, das sich rund ums Klinikum Königin Elisabeth Herzberge erstreckt, kann man ganz wunderbar spazieren gehen und die Natur genießen. Es weiden Rauhwollige Pommersche Landschafe, in den Teichen und Tümpeln leben Enten, Frösche, Kröten, Molche und Ringelnattern. Ein Refugium nicht nur für Tiere. So entspannt kann Berlin sein!

Falls es Sie eher nach Hohenschönhausen verschlägt, und Sie vielleicht dem Tierheim einen Besuch abstatten, machen Sie doch einen Abstecher zu den Falkenberger Krugwiesen. Diese grenzen an den Hundepark Hohenschönhausen, aber Sie können Ihren Vierbeiner auch mit aufs Naturschutzgelände nehmen (an der Leine, natürlich). Idyllisches Highlight des Areals ist der Faule See, der so urwüchsig und üppig wirkt, dass man total vergisst, überhaupt noch in Berlin zu sein.

Inmitten der unter Naturschutz stehenden Falkenberger Krugwiesen gibt es den liebevoll gestalteten Abenteuerspielplatz Fort Robinson (Wartiner Straße 79), wo Kinder zwischen 6 und 14 Jahren Holzhütten bauen können, zum Beispiel, oder die Tiere im Streichelzoo pflegen. Stockbrot am Lagerfeuer, Bogenschießen, reiten – ganz schön viel Abenteuer für Großstadtkinder.

Adrenalin pur: Lichtenberg hat die coolsten Sportarten

Man muss nicht der aller größte Wellenfan sein, um das Stehen auf einem Surfbrett faszinierend zu finden. Falls Sie das schon immer mal testen wollten, es Ihnen aber an Möglichkeiten mangelte, sollten Sie zum Wellenwerk (Landsberger Allee 270) fahren. Dort steht ein riesiges Wasserbecken, in dem sich eine künstliche Welle auftürmt.

Und dann drückt ein ziemlich cooler Lehrer einem ein Brett in die Hand. Das tanzt unter den Füßen, Gleichgewicht in alle Richtungen halten ist unendlich schwer, zack, schon hat die Welle einen verschluckt. Wellenreiten macht ganz doll Spaß und pumpt Massen an Adrenalin in den Körper. Wer nicht so sportlich ist, sollte am nächsten Tag mit einem Muskelkater rechnen.

Direkt nebenan befindet sich die Indoors Skydivinghalle Windobona: Hier können Sie in einem Windkanal bei bis zu 280 km/h tatsächlich selber fliegen. Der Luftstrom pustet einen in die Höhe, aber mit den eigenen Bewegungen kann man Flugbahn und auch den freien Fall steuern. Die Flugkammer selbst ist gläsern, sodass man keine Beklemmungen bekommt. Geeignet ist das sogar schon für Kinder ab vier Jahren!

Kunst und Kultur

Ein Familien-Theaterstück über Frauenfußball – das kann nur das Theater an der Parkaue (Parkaue 29). Das Traditionshaus ist eine der besten Anlaufstellen für Kinder- und Jugendtheater in ganz Berlin; manche Stücke eignen sich schon für Kitakinder ab vier Jahren. Zwei Bühnen werden bespielt, in den Sälen finden insgesamt knapp 300 Menschen Platz. Besonders toll: Die Eintrittskarten (zwischen 3 und 13 Euro) vom Theater an der Parkaue gelten drei Stunden vor und fünf Stunden nach Vorstellungsbeginn als Öffi-Fahrkarte im gesamten ABC-Bereich.

Keine viertel Stunde Fußweg entfernt findet sich ein ganz besonderes Kleinod: Im Ortsteil Friedrichsberg, zwischen Häuserschluchten und unweit der Plattenbauten der Frankfurter Allee, steht die Villa Skupin (John-Sieg-Straße 13), eine alte Fabrikantenvilla im Art Deco Stil. Erbaut wurde das prachtvolle Haus zwischen 1926 und 1928 im Auftrag des Fleischermeisters Paul Skupin, der nebenan auch eine Fleischwaren- und Konservenfabrik erreichten ließ.

Seit 1976 befindet sich in dem zweigeschossigen Klinkerbau das Studio Bildende Kunst. Bis heute gibt es regelmäßig wechselnde Ausstellungen, man kann Workshops belegen (Malerei, Grafik, Radierung, Malen für Kinder u.a.), ein Galeriefrühstück mit Bildvortrag genießen, und es werden sogar Kiez-Touren angeboten.

Nicht nur wegen des außergewöhnlichen Programms ist die Villa Skupin ein Lichtenberger Geheimtipp, sondern auch wegen seiner Optik. Die Räume strahlen noch immer den Charme der Zwanziger Jahre aus, Parkettböden, Kastenfenster, Stuckdecken und geschwungene Holztreppe sind erhalten.