Ausstellung

Vom Piraten erbaut: Das Geheimnis von Schloss Friedrichsfelde

Eine neue Schau zeigt, wie Benjamin Raule vor 400 Jahren das Anwesen mit dem Geld erwarb, das er als Freibeuter und Sklavenhändler eingenommen hatte.

Das Schloss Friedrichsfelde: Eine neue Schau zeigt die Geschichte des Hauses, dessen Grundstein vor 400 Jahren von einem Freibeuter gelegt wurde.
Das Schloss Friedrichsfelde: Eine neue Schau zeigt die Geschichte des Hauses, dessen Grundstein vor 400 Jahren von einem Freibeuter gelegt wurde.Gerd Engelsmann

Berlin-Jedes Schloss hat seine Geheimnisse. Auch jenes, das seit fast 400 Jahren im Osten Berlins steht. Jeder kennt es, und doch weiß kaum einer, dass es ursprünglich das Lustschloss eines Piraten war, in dem später sogar Menschenaffen lebten. Die Rede ist vom Schloss Friedrichsfelde, dem Wahrzeichen des Berliner Tierparks, dessen letzte Geheimnisse jetzt gelüftet werden.

Dafür sorgt der Historiker Clemens Maier-Wolthausen. Er ist der Macher einer Ausstellung, mit der das Schloss am 10. September nach monatelanger coronabedingter Schließung wieder für Besucher öffnet. Vor einem Jahr begann der Historiker mithilfe des Fördervereins der Hauptstadtzoos die Geschichte des Tierpark-Wahrzeichens neu zu ergründen. Die Aufarbeitung war nötig. Denn so makellos, wie vor allem der Schloss-Erbauer bisher dargestellt wurde, war dieser gar nicht.

Es geht um Benjamin Raule, der um 1682 das Anwesen erwarb, darauf 1685 ein kleines Lustschloss baute und so den Grundstein für das heutige Schloss Friedrichsfelde legte. Der Holländer war Schiffsbesitzer, verdiente zunächst als Freibeuter sein Geld. Im Dienste der kurbrandenburgischen Herrscher kaperte er auf der Nord- und Ostsee feindliche Schiffe und wurde an der Beute beteiligt.

Büste des Schlossbauers wird nicht mehr gezeigt

Doch Raule war nicht nur Pirat, sondern auch Sklavenhändler. „Er baute als Generaldirektor der Marine die Brandenburgisch-Afrikanische Kompagnie auf und forcierte den Handel mit Gold, Elfenbein und versklavten Menschen“, sagt Historiker Maier-Wolthausen. Etwa 20.000 Afrikaner sollen durch die Handelsgesellschaft an Amerika verkauft worden sein. Mit dem Geld, das Raule dabei einnahm, konnte er sich dann seinen Landsitz errichten. Der Grund, warum im Schloss nun die Bronzebüste von Raule nicht mehr gezeigt wird. „Wir wollen ihm kein Denkmal setzen“, sagt der Historiker. „Es reicht, wenn die Büste auf einem Foto in der Ausstellung zu sehen ist.“

Viel Freude hatte Raule mit seinem Lustschloss nicht. 1698 wurde er wegen des Verdachtes der Veruntreuung von Geldern verhaftet und enteignet. Raule starb 1707, fünf Jahre nach seiner Freilassung, völlig verarmt in Hamburg.

Sein Schloss kam zunächst in den Besitz des preußischen Königshauses, wurde dann vor allem von den Prinzen und dessen Familien genutzt und ausgebaut. „Die heutige klassizistische Fassade entstand 1800, als die russische Fürstin Katharina Barjatinsky das Gebäude als Sommersitz kaufte“, so der Historiker.

Mit vielen Bildern wird in der kleinen Schau die abenteuerliche Geschichte des Schlosses erzählt. Wie es 1814 bis 1815 sogar zum Gefängnis für den sächsischen König Friedrich August I. wurde, der für Napoleon kämpfte und nach der Völkerschlacht in Leipzig in preußische Kriegsgefangenschaft geraten war.

Das Schloss wurde geplündert, als Flüchtlings- und als Erholungsheim umfunktioniert. Dass es überhaupt noch existiert, ist Prof. Heinrich Dathe zu verdanken, der 1954 in Friedrichsfelde begann, den Tierpark aufzubauen. „Das Schloss sollte eigentlich abgerissen werden“, so Maier-Wolthausen. „Dathe nutzte seine staatlichen Kontakte, setzte sich für den Erhalt des Gebäudes als künftiges Wahrzeichen des Tierparks ein.“

Menschenaffen lebten im Schloss Friedrichsfelde

Anfangs nutzte Dathe das Haus als Aufbauzentrale und Verwaltungssitz und sorgte für die ersten tierischen Schlossbewohner. „Er brachte dort Orang-Utans unter, weil es noch kein Affenhaus gab“, sagt der Historiker.

1967 begannen die aufwendigen Restaurierungsarbeiten, die bis 1981 dauerten. Um den Gästen einen Eindruck des Originalschlosses zu geben, wurden alte Wandbespannungen aus anderen Schlössern im Schloss Friedrichsfelde eingesetzt. Denn durch die Plünderungen in den Nachkriegsjahren war von der Inneneinrichtung nichts mehr übrig.

„Ein Leuchter, eine Vitrine und das Geländer im Treppenhaus sind die einzigen noch vorhandenen Originale. Die Möbel, die seit 1981 im Schloss zu sehen sind, kamen aus dem Berliner Stadtmuseum“, sagen Sigrid Rostock (70) und Jutta Bagdahn (73). Die beiden Rentnerinnen sind wahre Schlosskenner. Sie werden daher als ehrenamtliche Helferinnen nun immer freitags bis sonntags von 11 bis 15 Uhr Tierpark-Besucher gratis durch die Schlossräume und durch die neue Ausstellung führen.  Außerdem beginnt ab 16. September wieder die beliebte Schlosskonzertreihe.