Immer wieder hört und liest man es: Wir sollten uns gesund ernähren, ausgewogen, abwechslungsreich. Aber was heißt das eigentlich? Klar, man soll viel Gemüse und Obst essen, Fertigessen vermeiden. Muss man auch aufs Fleisch verzichten?
Die zertifizierte Ernährungsberaterin Marlein Stasche, die unter ihrem Pseudonym Anne Iburg auch Bücher verfasst (siehe unten), kennt sich bestens mit dem Essen aus. Seit 30 Jahren beschäftigt sie sich mit gesunder Ernährung und weiß genau, was unser Körper braucht, um nicht krank zu werden.
Und weil die Ernährungstherapeutin es in der Praxis immer wieder erlebt, dass Menschen unsicher sind, was sie überhaupt essen dürfen, sollen oder müssen, erklärt sie in der Berliner Zeitung die Grundlagen eines gesunden Essverhaltens.
Denn es ist gar nicht schwer, sich vernünftig zu ernähren und trotzdem immer was Leckeres auf dem Teller haben. Gesund essen bedeutet nämlich nicht (zwingend), dass Sie auf irgendetwas verzichten müssen.
Das Tellerprinzip: So sehen Sie auf einen Blick, ob Sie gesund essen
Die meisten Menschen wissen nicht genau, von welchen Lebensmitteln sie wie viel essen sollten. Dafür wurde die Idee des Tellerprinzips entwickelt: „Die Hälfte des Tellers sollte mit Gemüse oder Obst bedeckt sein, ein Viertel mit proteinhaltigen Lebensmitteln und ein Viertel mit Stärkebeilagen“, sagt Marlein Stasche.
Wichtig ist, dass man Variation in den Speiseplan bringt. Nur so kann man sicherstellen, dass man von allen benötigten Nahrungsbestandteilen ausreichend bekommt. Nicht nur die rote Paprika essen, weil sie so süß schmeckt, sondern auch mal die grüne. Kaufen Sie unterschiedliche Kartoffelsorten, variieren Sie Gemüse, probieren Sie Vollkornnudeln.
Übrigens: Es ist sinnvoll, pro Tag drei Mahlzeiten einzunehmen, möglichst nicht weniger und nicht mehr. Zwischendrin sollten Sie nicht snacken oder etwas naschen. Drei- bis vierstündige Pausen zwischen den Mahlzeiten bewirken, dass der Körper alles richtig verdauen kann und danach Zeit hat, sich um Austausch- und Reparaturprozesse zu kümmern.
Nur wenn unser Körper nicht mit dem Verdauen beschäftigt ist, der Stoffwechsel also auf Hochtouren läuft, konzentriert sich der Organismus darauf, beispielsweise Fettzellen zu verbrennen. Eine mehr als zwölfstündige Essenspause über Nacht hat zur Folge, dass die körpereigene „Müllabfuhr“ in Gang kommt und beispielsweise abgestorbene Zellen abtransportiert und ersetzt werden.
Für den nachmittäglichen Zwischendurch-Hunger eignen sich Nüsse und Mandeln hervorragend. Sie enthalten viel Eiweiß, das lange satt macht, aber auch einen gesunden Mix verschiedener Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente.
Darüber hinaus sind Nüsse sehr ballaststoffreich. Um sich ausgewogen zu ernähren, sollte man verschiedene Nüsse und auch Mandeln essen, weil jede Nussart einen eigenen Mix an Nährstoffen und Aminosäuren mitbringt. Diese Mischung sorgt dafür, dass wir alles bekommen, was wir brauchen.
Wie viel ist eine Portion Gemüse oder Obst?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu essen. Doch wie viel ist das? „Wer seinen Teller wie zuvor beschrieben gut füllt, hat schon zwei Portionen Gemüse gegessen“, sagt Stasche.
Als – im wahrsten Sinne des Wortes – Faustregel gilt: Das, was in beide Hände passt, ist eine Portion. Gemeint ist, dass beide Hände zu einer Schale geformt sind. Das darin befindliche Obst oder Gemüse sollte geschnitten sein. Ein ganzer Apfel oder eine Paprika entspricht ungefähr der Faustgröße; auch das ist eine Portion.
Tipp: Essen Sie bunt
Als Laie kann man unmöglich wissen, welche Nährstoffe in welchem Essen stecken. Darum empfehlen Ernährungsfachleute: Essen Sie bunt! Je bunter es auf Ihrem Teller aussieht, desto besser. „Die Farben zeigen an, dass das Gemüse oder Obst verschiedene Inhaltsstoffe mitbringt“, sagt Marlein Stasche.
Das liegt an den sekundären Pflanzenstoffen: Farb-, Duft- und Aromastoffe. „Die Forschung steht da noch am Anfang. Man nimmt an, dass es 2000 verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe gibt“, sagt die Ernährungsberaterin.
Allein von den Karotinoiden, die man vor allem von Karotten kennt, gibt es 200. Und es wird davon ausgegangen, dass jeder Pflanzenstoff eine spezifische Wirkung beziehungsweise Aufgabe hat. Genau weiß man es noch nicht, aber fest steht: „Wer bunt isst, isst auch gesund“, fasst die Expertin zusammen.
Die Aufnahme möglichst vieler verschiedener sekundärer Pflanzenstoffe – so viel ist immerhin schon bekannt – wirkt vorbeugend gegen Arthrose, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Darmerkrankungen und sogar gegen Krebs.
Das heißt nicht, dass man eine Krankheit mit Gemüse bekämpfen kann und auch nicht, dass man durchs Gemüseessen niemals krank wird. Aber es erhöht die Wahrscheinlichkeit, gesund zu bleiben. Denn beim Entstehen von Krankheiten spielen viele Faktoren eine Rolle, die Ernährung ist dabei nicht unwesentlich.
Darum können wir ohne Obst, aber nicht ohne Gemüse leben
Obst gilt als sehr gesund. Das stimmt, und es schmeckt auch. Das liegt am Zuckergehalt – und das ist der Grund, weshalb wir eher zum Obst als zum Gemüse greifen. Und es ist der Grund, weshalb wir eigentlich das Gemüse dem Obst vorziehen sollten.
„Zucker, in welcher Form auch immer, hat Auswirkungen auf unseren Blutzuckerspiegel und damit die Insulinausschüttung“, sagt Marlein Stasche. Wer süßes Obst isst, Schokolade nascht oder ein helles Weizenbrötchen isst, flutet seinen Körper mit einfachen Zuckermolekülen, die schnell verfügbar sind.
Der Körper strebt danach, diese Flut schnell zu verstoffwechseln; dafür produziert er das Insulin. Weil er nämlich so viel Energie auf einmal nicht braucht, wandelt er die überschüssigen Zuckermoleküle in Fett um und lagert sie ein. Denn er kann sie nicht einfach wieder ausscheiden. Das Problem: Auf viel Zucker reagiert der Körper mit viel Insulin.

Ein Teil des Insulins bleibt meist in der Blutbahn – es entsteht ein Ungleichgewicht. Deshalb signalisiert der Körper: Das Insulin hat nichts zu tun! Übersetzt bedeutet das, dass wir etwas essen sollen. Das Gefühl kennen wir als Heißhunger. Es ist der Appetit, der relativ schnell kommt, nachdem wir etwas Süßes gegessen haben.
Natürlich ist der Blutzuckerreiz bei Schokolade größer als bei einem Stück Obst. Beeren sind nicht sehr zuckerreich, Bananen und Trauben hingegen schon. „Wer davon fünf Portionen am Tag isst, kommt schnell auf ein Kilo und somit auch auf ziemlich viel Zucker“, warnt Stasche.
Darum ist es klüger, zum Gemüse zu greifen. Das enthält nur sehr wenig Zucker. Darüber hinaus stecken im Gemüse andere und mehr Nährstoffe, die wir allein übers Obst nicht bekommen. Deshalb können wir sehr gut ohne Obst, nicht aber ohne Gemüse leben.
Aber keine Angst, Sie sollen keinesfalls aufs Obst verzichten. Denn gesund ist es ja in jedem Fall und auch trotz des Zuckers. Allerdings sollte man sich bei der Fünf-Portionen-Regel nicht ausschließlich aufs Obst konzentrieren, sondern den Fokus eher aufs Gemüse richten.
Generell enthalten sowohl Gemüse als auch Obst viele Ballaststoffe. Das sind Pflanzenfasern, die für uns unverdaulich sind, aber die Lebensgrundlage für unsere gesund machenden Darmbakterien bilden. Diese sind unter anderem für die Immunabwehr zuständig. Außerdem fördern Ballaststoffe die Darmaktivität, sodass die Verdauung geschmeidiger läuft.
Indem Sie sich also ballaststoffreich ernähren, tun Sie aktiv etwas für Ihr Wohlbefinden. Idealerweise ist das Gemüse gedünstet, weil diese Zubereitungsmethode schonender ist und mehr Nährstoffe erhalten bleiben.
Eiweiß, Protein: Wo ist der Unterschied?
Proteinhaltige Lebensmittel sind beispielsweise Fleisch, Fisch, aber auch Hülsenfrüchte (Linsen, Erbsen), Tofu und Seitan, selbstverständlich aber auch Eier. Proteine werden auch Eiweiße genannt, es sind Synonyme. Sie bestehen aus Aminosäuren – genau wie unser Körper auch. Insofern „ist das tierische Eiweiß näher an unserem eigenen Aminosäurenmuster“, sagt die Expertin.
Viele Aminosäuren können wir nicht selbst herstellen, müssen sie also mit der Nahrung aufnehmen. „Konkret sind das acht essenzielle Aminosäuren“, so Stasche. „Man kann seinen Bedarf sowohl mit tierischen Produkten als auch über vegane oder vegetarische Lebensweise decken. Wer abwechslungsreich isst, kann seinen Bedarf gut decken.“
So wäre zum Beispiel die Mischung aus Kartoffeln und Eiern optimal oder Nudeln mit Käsesoße beziehungsweise mit Parmesan. Mit solchen Mahlzeiten – natürlich kombiniert mit zusätzlichem Gemüse – stellen Sie sicher, dass Sie genügend Protein aufnehmen und Ihr Körper auch die benötigten lebenswichtigen Aminosäuren bekommt, ohne die etwa unsere Muskeln abgebaut werden würden.
Sind Kohlenhydrate schlecht?
Kohlenhydrate bilden eine weitere wichtige Komponente in der Ernährung. Sie machen schnell satt, weil sie leicht verfügbare Energie liefern. Meistens jedoch essen wir zu viele Kohlenhydrate auf einmal; mehr, als unser Körper so plötzlich benötigt. Daher wandelt er die Bausteine – Zuckermoleküle, wie zuvor beschrieben – in Fett um und lagert es ein.
Deshalb raten Fachleute wie Marlein Stasche dazu, etwas sparsamer mit Kohlenhydraten umzugehen. Sie stecken in stärkehaltigen Produkten wie Kartoffeln, Reis, Backwaren und Nudeln. Sie liefern schnelle Energie. Wer jedoch Vollkornprodukte isst, nimmt deutlich mehr Ballaststoffe auf und fördert somit seine Darmgesundheit.
Die DGE empfiehlt 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag. Als ballaststoffreich gelten Hülsenfrüchte, die im Schnitt sieben Gramm Ballaststoffe auf 100 Gramm enthalten, Erdnüsse elf bis zwölf Gramm. Ein mittelgroßer Apfel hat ungefähr drei Gramm Ballaststoffe.
An dieser Stelle ein Plädoyer für die Kartoffel: Sie gilt ja als langweilig, war lange auch als tendenziell ungesund verschrien. Alles Quatsch. Im Vergleich zu Reis und Nudeln ist sie sogar ziemlich kalorienarm, weil sie zu mehr als 80 Prozent aus Wasser besteht. „Kartoffeln enthalten reichlich Vitamin C sowie B-Vitamine, die viele Stoffwechselfunktionen unterstützen und auch an der Zellerneuerung beteiligt sind“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Marlein Stasche.
Zudem hat die Kartoffel viele Mineralstoffe, beispielsweise Eisen, das wichtig für die roten Blutkörperchen und den Sauerstofftransport im Blut ist. „Und in der Kartoffel auch noch Magnesium für die Muskulatur und Kalium zur Aufrechterhaltung vieler körperlicher Funktionen“, ergänzt die Expertin.
Wie viel sollte man trinken?
Weil der Mensch zum Großteil aus Wasser besteht, sollte er viel trinken. Denn auch wenn wir es nicht merken, verlieren wir rund um die Uhr Flüssigkeit: Wir schwitzen, auch nachts, generell verdunsten wir Feuchtigkeit über die Haut, ebenso wie beim Atmen und Reden. „Menschen, die viel sprechen, sollten auch etwas mehr trinken“, rät Stasche.
Grundsätzlich gilt, dass man als erwachsener Mensch rund 1,5 Liter trinken sollte, und zwar kalorienfreie Getränke wie Wasser, ungesüßte Tees und schwarzen Kaffee. Die Flüssigkeit unterstützt die Nieren dabei, Giftstoffe auszuspülen. Und auch für die Gelenke ist es wichtig, dass man viel trinkt – wenn sie knacken und knirschen, kann das an einem Flüssigkeitsmangel liegen.
Fazit
Legen Sie bei Ihrer Ernährung großen Wert auf Gemüse und Obst und integrieren Sie vor allem auch eiweißhaltige Lebensmittel. Verteilt auf drei tägliche Mahlzeiten sollten Obst und Gemüse jeweils etwa die Hälfte ausmachen und möglichst bunt sein, weil so sichergestellt ist, dass Sie von den verschiedenen lebenswichtigen Nährstoffen auch ausreichend zu sich nehmen. Darüber hinaus sollten Sie rund 1,5 Liter trinken, aber keine zuckerhaltigen Getränke.










