Gesundheit

Ist Heilfasten was für mich? Eine Expertin erklärt, warum es sich lohnt

Tagelang nichts essen und dadurch glücklich werden? Das klinge merkwürdig, stimme aber trotzdem, sagt eine Unternehmerin, die das Fasten zum Geschäft gemacht hat.

Beim Fasten darf man nichts essen, auch wenn es schwerfällt.
Beim Fasten darf man nichts essen, auch wenn es schwerfällt.Roshanak Amini für Berliner Zeitung am Wochenende. Bilder: imago

Wenn man „Heilfasten“ googelt, zeigt die Suchmaschine auch die Fragen an: Wie macht man Heilfasten richtig? Wie viele Tage sollte man heilfasten? Was bringt Heilfasten? Und wie beginne ich mit Heilfasten?

Das sind auch die typischen Fragen, die Annemarie Heyl gestellt werden. Sie hat das aufs präventive Heilfasten spezialisierte Unternehmen Kale & Me in Hamburg gegründet, das spezielle Saftkuren anbietet. Bei Google wird die Firma mit 4,7 von 5 möglichen Sternen bei mehr als 360 Rezensionen bewertet, und bei der Händlerbewertungsplattform Trusted Shops hat Kale & Me 4,6 von 5 Sternen bei mehr als 4700 Bewertungen.

Eigentlich stammt Annemarie Heyl aus einer alten Müllerdynastie, hat die Selbstständigkeit also quasi im Blut. Der Plan war, die Mühle vom Vater zu übernehmen, doch der Betrieb geriet irgendwann in Schieflage und musste aufgelöst werden. „Aus dieser Zeit habe ich viel mitgenommen, viel gelernt“, sagt Heyl. „Ich weiß, auf welche Werte es ankommt, was man in einer Firma tun, was besser lassen sollte.“

Studiert hat die junge Unternehmerin Betriebswirtschaftslehre und General Management. Doch das mit dem Fasten war Zufall, wie Heyl sich erinnert: „Ich habe 2014 ein Auslandssemester in Kapstadt gemacht und das Leben in vollen Zügen genossen. Dort, in meiner WG, habe ich auch meinen Co-Gründer Konstantin Timm kennengelernt. Damals wurden überall Saftkuren angeboten, es war ein echter Hype.“

Die beiden Deutschen probierten es aus: Fünf Tage lang nichts essen, nur ab und zu einen der Säfte trinken. Und sie waren begeistert. „Ich dachte anfangs, das sei eine Diät, aber das stimmt nicht. Das ist wie Marie Kondo für den Kopf“, sagt Heyl mit Blick auf die japanische Aufräumspezialistin, die gnadenlos ausmisten und perfekt sortieren kann.

So entstand also die Idee, Saftkuren zum Fasten nach Deutschland zu bringen. „Das gab es hier damals so noch nicht wirklich. Also lag es nahe, dieses Prinzip mitzubringen. Und das war dann auch der Moment, an dem ich erstmals realisierte: Ich bin eine Unternehmerin“, so Annemarie Heyl.

Annemarie Heyl hat das Unternehmen Kale & Me mitgegründet, fastet selbst mehrmals pro Jahr.
Annemarie Heyl hat das Unternehmen Kale & Me mitgegründet, fastet selbst mehrmals pro Jahr.Kale & Me

Wie funktioniert das Heilfasten?

Es gibt viele verschiedene Methoden des Fastens, darunter auch das Intervallfasten, wo man – je nachdem, wie man sich entscheidet – beispielsweise zehn Stunden am Tag isst, die anderen 14 Stunden aber außer Wasser nichts zu sich nimmt. Auch das Alkoholfasten ist populär: So trinken Menschen beispielsweise im Januar keinen Alkohol (Dry January).

Heilfasten kann man, indem man beispielsweise nur Tees und Brühen trinkt, es gibt eine Molke-Methode und jene mit Säften. Es sind quasi unterschiedlich intensive Abstufungen. Es gilt: Je weniger Kalorien man zu sich nimmt, desto anstrengender ist es.

„Heilfasten kann von Gesunden zur Krankheitsprävention, zum Einstieg in eine Gewichtsabnahme sowie zur Therapie bei bestimmten Krankheiten angewendet werden. Im Gegensatz zum totalen Fasten wird dem Körper beim Heilfasten eine geringe Menge Energie zugeführt“, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Sie empfiehlt eine Begleitung durch Fachleute wie Medizinerinnen oder Therapeuten.

Beliebt sind Saftkuren zum Fasten, weil man so immer noch wenigstens ein paar Kalorien zu sich nimmt. Neben Kale & Me gibt es viele weitere Anbieter, beispielsweise Live Fresh, Berioo oder Frank Juice. Man kann sich aber auch selbst frische Säfte pressen. Das ist jedoch mit einigem Aufwand verbunden.

Die verschiedenen Anbieter haben fertige Pakete im Angebot, die man komplett nach Hause geliefert bekommt, inklusive Anleitung. Man muss sich um nichts weiter kümmern. Und vielleicht ist das ja auch schon Entspannung für den Kopf: Man muss nicht einkaufen gehen, nichts kochen, sich keine Gedanken ums Essen machen.

Wobei, und das gehört zur Wahrheit dazu, an den ersten beiden Tagen die Gedanken schon etwas häufiger als sonst ums Essen kreisen, wo man sich eine Pizza herbeisehnt oder eine große Portion Pasta. Stattdessen gibt es Obst- und Gemüsesäfte. Sechs Flaschen pro Tag sind es bei Kale & Me, allesamt selbst produziert. „Wir haben eine eigene Manufaktur, sind nah am Rohstoff und legen Wert auf Nachhaltigkeit“, betont die Chefin. Die Rezepturen wurden mit Fasten- und Ernährungsfachleuten entwickelt.

Deshalb enthalten die Säfte auch ein wenig Salz, weil das essenziell für unser Überleben ist. „Pro Tag brauchen wir zwei Gramm Salz, um die Basisfunktionen unseres Körpers aufrechtzuerhalten“, so Heyl. Die Saftpakete bei Kale & Me sind für drei, fünf und sieben Tage konzipiert und kosten ab 84 Euro. Andere Anbieter sind ähnlich teuer.

Zusätzlich darf man Wasser, Brühen und Kräutertees trinken, idealerweise zwei bis drei Liter pro Tag – selbstverständlich ohne Zucker oder Honig. Kaffee ist nicht erlaubt, ebenso wenig Schwarz- und Grüntee. Es ist nicht nötig, vorher ein Abführmittel zu nehmen, hilft aber, den Darm zu leeren. „Auch während des Heilfastens können Einläufe vorgenommen werden. Man kann es aber auch lassen“, so die Gründerin.

Aber: „Es ist ratsam, die Tage vor dem Heilfasten nicht zu viel zu essen. Wer normal und reichlich isst, konditioniert seinen Körper auf Volllast, sodass der Organismus darauf wartet, dass bald wieder Nachschub kommt. Das erschwert es, in den Fastenmodus zu kommen“, sagt Annemarie Heyl.

Besser sei es, zwei Tage vorher leicht zu essen, rät die Firmenchefin. „Das heißt: viel Suppe, weniger Zucker, weniger Kohlenhydrate, weniger Kaffee.“ Durch das Fasten verliere man natürlich auch an Gewicht, insgesamt zwei bis drei Kilo, so die Expertin. „Diesen Gewichtsverlust behält man aber nur bei, wenn man nach dem Heilfasten seine Ernährung umstellt und so anpasst, dass man nicht mehr zunimmt.“

Das heißt: Man sollte frisch, gesund und abwechslungsreich essen, aufs Snacken und Zwischenmahlzeiten verzichten, und auch Sport treiben. Apropos Sport: „Je nachdem, wie es Ihnen geht und inwiefern Sie vor dem Fasten bereits trainiert haben, können Sie auch währenddessen Sport treiben.“ Sie sollten es aber nicht übertreiben und keinesfalls hart trainieren. Hören Sie auf Ihren Körper.

Wie lange sollte man heilfasten?

Das eigentlich jahrtausendealte Heilfasten, das traditionell dem Reinigen von Körper und Geist dient, wurde in seiner modernen Form, wie es heute praktiziert wird, vom hessischen Arzt Otto Buchinger (1878–1966) aufgrund eigener Erfahrungen entwickelt. Demnach fördert das Heilfasten die Entschlackung des Körpers und somit seine Selbstheilungskräfte.

„Nach Buchinger beträgt die optimale Fastendauer zwei bis vier Wochen, wobei individuelle Aspekte berücksichtigt werden sollten. Häufig sind kürzere Fastenzeiten leichter zu realisieren oder werden aus medizinischen Gründen bevorzugt. Vor allem Gesunde, die nicht aus therapeutischen Gründen fasten, profitieren auch von kürzeren Phasen“, heißt es bei der DGE.

Und weiter: „Die Ärztegesellschaft für Heilfasten und Ernährung (ÄGHE) empfiehlt eine Standarddauer von sieben bis zehn Tagen plus einem Vorbereitungstag davor und drei Tagen zur Normalisierung des Essverhaltens danach.“ Die wenigsten Menschen können das derart lange in ihren Alltag integrieren.

Wenn man präventiv und als gesunder Mensch heilfasten möchte, tut man das in der Regel drei, fünf oder sieben Tage lang. „Die ersten zwei Tage sind schwierig“, weiß Annemarie Heyl aus eigener Erfahrung. „Aber am dritten Tag kommt ein Hoch, das für mehrere Tage anhält. Das beflügelt und motiviert. Wer es nicht erlebt hat, kann sich das vermutlich nicht vorstellen.“

Welche Vorteile hat das Fasten?

„Wer fastet, gönnt seinem Körper und Geist eine Pause. Man kommt zur Ruhe“, steht auf der Website von Kale & Me. Und: „Zu fasten, ist eine eigenartige Erfahrung. Wir verzichten bewusst auf etwas – und empfinden dadurch intensiver denn je.“

Es gebe drei entscheidende Vorteile, wenn man faste, zählt Annemarie Heyl im Gespräch mit der Berliner Zeitung auf: „Körperlich wird der Zellerneuerungsprozess angeschoben, der Darm wird entlastet und hinzukommt ein echter Energieschub. Der tritt meistens am dritten Tag ein. Man nennt das auch Fastenhoch.“

Aus verschiedenen Kräutern kann man sich selbst einen gesunden Tee brühen. 
Aus verschiedenen Kräutern kann man sich selbst einen gesunden Tee brühen. Annika List/imago

Erstens also wird durch das Unterbrechen der Nahrungsaufnahme die Autophagie in Gang gesetzt. Das ist ein natürlicher Vorgang, der im Prinzip jede Nacht in uns stattfindet. Fachleute übersetzen das auch mit der „Müllabfuhr des Körpers“. Wenn wir nämlich nicht mit Verdauen beschäftigt sind, beginnt der Körper mit einem Reinigungs- und Erneuerungsprozess.

Defekte oder alte Zellen werden durch neue ersetzt, Fettreserven angezapft, Gifte abgebaut. Deshalb ist es so wichtig, generell zwischen den Mahlzeiten drei bis vier Stunden nichts zu essen und auch über Nacht eine mindestens zwölfstündige Essenspause einzuhalten. Das nennt man Intervallfasten.

Beim Heilfasten hat unser Darm deutlich weniger zu tun als sonst. Dennoch arbeitet er auf Hochtouren, weil hier sozusagen die Schaltzentrale unseres Immunsystems sitzt. Zudem ist unser Darm auch mit unserem Gehirn verbunden, vor allem durch den Vagusnerv. Es findet also ein ständiger Austausch statt. Nicht zuletzt deshalb darf man seinem Bauchgefühl durchaus vertrauen.

„Wenn wir fasten, fahren wir zwar einerseits runter, aber andererseits werden neue Energien freigesetzt, eben weil die Kapazitäten plötzlich da sind. Viele Menschen sind durch das Fastenhoch voller Tatendrang, klarer, entscheidungsfreudiger. Ich habe dadurch meine Firma gegründet“, sagt Heyl. „Aber wir sagen auch: 24 Stunden nach dem Ende des Heilfastens bitte keine schwerwiegenden Entscheidungen treffen.“

Die positiven Effekte des Heilfastens sollen bis zu drei Monate anhalten. „Ich selbst mache zwei- bis dreimal pro Jahr eine Heilfastenkur, jeweils für fünf Tage“, so Annemarie Heyl. „Und ich mach das auch immer zusammen mit meinem Mann. Wir unterstützen uns gegenseitig.“

Fastenbrechen: Darf ich nach dem Heilfasten wieder normal essen?

Nach dem Fasten sollte man langsam wieder in den Alltag starten. „Wir empfehlen, sich morgens in Ruhe hinzusetzen und einen Apfel zum Fastenbrechen zu essen“, so Heyl. „Es ist etwas ganz Besonderes, wieder etwas zu kauen und zu schmecken. Man genießt das ganz anders als zuvor und ist dankbar für das, was man geschafft hat.“

Am ersten Tag sollten Sie hauptsächlich leichte Suppen essen, und tags darauf fangen Sie schrittweise mit Ballaststoffen an, also beispielsweise gedünstetes Gemüse oder Rohkost. „Wir empfehlen auch entsprechende Rezepte“, so die Firmenchefin.

Es sei wichtig, nicht gleich zu viel und zu schwer essen, weil das den Darm überlasten würde. „Milchprodukte, Fast Food oder auch ein richtiges Gericht würden zu Magenproblemen führen“, erklärt Annemarie Heyl.

Menschen, die bei einer Darmspiegelung waren, kennen das. Das Verdauungssystem braucht einfach eine Weile, um wieder hochzufahren. Aber das ist nicht schlimm, denn anfangs ist man – nach dem Verzicht – erst einmal mit einfachen Speisen sehr glücklich. Und das ist auch die Lehre des Fastens: Manchmal braucht es nicht viel, um glücklich zu sein. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Menschen, die einmal gefastet haben, es immer wieder tun, sogar zum Fasten in Hotels einchecken und viel Geld dafür bezahlen. Das Erlebnis des Heilfastens „ist einfach zu gut“, findet Annemarie Heyl.