Berliner Museen

Der Osten zum Anfassen: Was erwartet mich im Berliner DDR-Museum?

Von Armee bis Zigaretten: Im neu gestalteten DDR-Museum an der Spree kann man Kittelschürzen anprobieren, im Trabi Probe sitzen und Gefängnisluft schnuppern.

Im DDR-Museum kann man so tun, als würde man im Trabi fahren.
Im DDR-Museum kann man so tun, als würde man im Trabi fahren.DDR Museum

Das Highlight ist und bleibt der Trabi: Reinsetzen, lenken – und sich der Illusion hingeben, man würde gerade durchs Plattenbaugebiet juckeln. Die Projektion an der Windschutzscheibe ist ziemlich gelungen, die Knöpfe, Klappen und Hebel laden zum Ausprobieren ein.

Allerdings hat das DDR-Museum gegenüber vom Berliner Dom noch viel mehr zu bieten. Nach dem immensen Wasserschaden in Folge des geplatzten Riesenaquariums im Dezember letzten Jahres war das privat geführte Museum mehr als drei Monate lang geschlossen. Die Tapeten waren beschädigt, viele Exponate ebenso, die gesamte Ausstellung ruiniert.


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Viele Geschäfte und Restaurants rund um den ehemaligen Aquariums-Fahrstuhl sind noch immer geschlossen. Nicht so das 2006 eröffnete DDR-Museum. Das Team hat kurzerhand die gesamte Ausstellung überarbeitet und an vielen Stellen umgestaltet, hat neue Original-Objekte besorgt, andere restauriert.

„Mit der Dauerausstellung ‚Alltag eines vergangenen Staates zum Anfassen‘ verfällt das Museum nicht dem Ostalgie-Trend, sondern bildet neben den Mauer-Ausstellungen und Stasi-Gedenkstätten den dritten Baustein der wissenschaftlichen Aufarbeitung der ehemaligen DDR“, heißt es auf dem offiziellen Hauptstadtportal berlin.de.

Und weiter: „In Zusammenarbeit mit Historikern unter der Leitung von Dr. Stefan Wolle hat es sich das Museum zur Aufgabe gemacht, ein wichtiges Stück deutscher Kulturgeschichte zu bewahren und auch jüngeren Generationen zugänglich zu machen. Besucher sind eingeladen, ihr Wissen zu erweitern, eventuell bestehende Klischees zu überdenken und Geschichte hautnah zu erleben.“

Neu im DDR-Museum: Der Palast der Republik als 3D-Modell

Dort, wo einst der Palast der Republik stand, steht heute das wieder aufgebaute Stadtschloss – so wie früher. Denn der Palast konnte nur gebaut werden, weil die Trümmerreste des Schlosses nach dem Krieg abgetragen wurden. Eine politische Entscheidung, sowohl das eine als auch das andere.

Von 2006 bis 2008 wurde der Palast abgerissen; offiziell nannte man das Rückbau. Dann gab es eine riesige Wiese mit Spreeblick. Und heute kann man dort eben das Humboldt-Forum besuchen, das auf seiner Website in Bezug auf den Palast schreibt: „Was für die einen die Befreiung von einem Repräsentationsbau des DDR-Unrechtsstaates war, empfanden andere als Auslöschung von Geschichte und Entwertung ostdeutscher Biografien.“

Denn: „Er war Sitz der Volkskammer und Ort der Repräsentation der DDR, aber auch eine Stätte von offizieller und Alltagskultur mit modernem Design und zeitgenössischen Kunstwerken, 13 Restaurants und Cafés, einer Diskothek und einer Bowlingbahn. Bis heute ist er im Bewusstsein vieler Menschen präsent. Im März 1990 konstituierte sich im Palast der Republik die erste frei gewählte Volkskammer, die dort den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik beschloss.“ Um dieser historischen Rolle gerecht zu werden, findet der Palast an mehreren Stellen im Humboldt-Forum Erwähnung.

Doch angucken konnte man den Riesenbau seit dem Abriss nur noch auf Fotos. Das ändert jetzt das DDR-Museum und präsentiert ab sofort ein nigelnagelneues 3D-Modell des Palastes der Republik (Maßstab: 1:125). Geschützt von Plexiglas kann man es von allen Seiten betrachten.

Das Modell des Palastes der Republik (220 x 130 cm) ist ab sofort im DDR-Museum zu sehen, ebenso Deckenleuchten und Hinweistafeln.
Das Modell des Palastes der Republik (220 x 130 cm) ist ab sofort im DDR-Museum zu sehen, ebenso Deckenleuchten und Hinweistafeln.DDR Museum

Es sei der größte und detailreichste Palast-Nachbau, den es derzeit gibt, so das Museum. Zu sehen sind außerdem die charakteristischen Kugel-Deckenleuchten, beleuchtete quadratische Wegweiser (Volkskammer-Garderobe, Plenarsaal-Rang, Imbissfoyer u.a.) sowie Plakate und Vitrinen mit Palastgeschirr.

Übrigens: Falls Sie wissen wollen, wie das ebenfalls 2006 abgerissene DDR-Vorzeigehotel Unter den Linden mal aussah, sollten Sie ins bayerische Günzburg fahren. Dort befindet sich das Legoland, ein Familien-Freizeitpark mit Achterbahnen und großem Lego-Miniaturpark, in dem auch Teile Berlins nachgebaut sind, unter anderem eben das Hotel Unter den Linden, das ab 1966 an der Kreuzung Friedrichstraße stand und wo 2008 die Upper Eastside errichtet wurde.

So wird im Museum der Alltag in der DDR gezeigt

Wenn man das DDR-Museum betritt, befindet sich rechter Hand, auch von außen am Panoramafenster gut erkennbar, ein heller Trabi. Die Rennpappe, deren Tacho nur bis 120 km/h geht und wo vorn am Armaturenbrett sowie hinten unterhalb der Fenster Aufklapp-Aschenbecher installiert sind. Hier darf man Platz nehmen und sich am Fahr-Simulator erfreuen.

Für Nicht-DDR’ler verwunderlich: Es gibt keine Gangschaltung! Stimmt natürlich nicht, denn geschaltet wurde mit dem Hebelchen rechts vom Lenkrad. Die Fenster wurden, wie früher üblich, auf- und zugekurbelt, die Gurte wurden nicht automatisch eingezogen. So viel Anfassen ist selten in einem Museum.

Ein Stückchen weiter ist – auch neu – ein Kindergartenraum eingerichtet. An den Kleiderhaken stehen unter anderem die Namen Enrico, Doreen, Heiko. Der „Tagesablauf Gruppe III (jüngste Gruppe)“ verrät in feinster Tintenfüller-Schreibschrift, wie der Alltag aussah: 6.00 – 8.00 Aufnahme der Kinder; Gesundheitskontrolle; Spiel im Mehrzweckraum bzw. im Garten. 8.00 – 8.20 Frühstück. 8.20 – 8.30 Körperpflege + Vorbereitung der Beschäftigung. 8.30 – 8.45 Beschäftigung. 8.45 – 9.15 Spiel …

In dem Raum steht auch einer von diesen großen Krippenwagen, worin sich zwei parallele Sitzbänke befinden und mit denen die Kleinsten durch die Gegen kutschiert wurden. Außerdem gibt’s Kuscheltiere und Puppen zu sehen, ebenso den großen grün-gelben Kipplaster, den jedes DDR-Kind kannte und liebte.

Bevor man in den Krippenraum abbiegt, befindet sich zur Linken eine Pressewand mit rund einem Dutzend Zeitungen vom 10. Juli 1984, einem Dienstag. Auch die Berliner Zeitung, seinerzeit Teil der monopolisierten SED-Presse, ist ausgestellt. Zu sehen ist auf den Titelseiten aller Blätter Erich Honecker, der den damaligen italienischen Ministerpräsidenten empfängt. Die Texte gleichen sich und stammen fast alle von der DDR-Nachrichtenagentur ADN. Kritisch ist kein Bericht.

In verschiedenen Schaukästen und Schubläden lernt und entdeckt man alles Mögliche über den Alltag der DDR, etwa dass ein ausgebildeter Bergarbeiter zwischen 1167 und 1444 Mark verdiente und ein studierter Chemiker zwischen 1000 und 1300 Mark, warum Kaffee Mangelware war, was die Aufgabe einer Brigade war, wie FKK gelebt wurde.

Lustig: In einer ausziehbaren Lade befindet sich ein Wortfinde-Spiel, bei dem DDR-Begriffe mit ihrem westdeutschen Pendant beziehungsweise der Übersetzung zusammengebracht werden sollen. Dass der Polylux ein Overheadprojektor ist, wissen sicher die meisten, auch Broiler und Brathähnchen kriegen viele hin. Aber Untertrikotage? Grilletta? Spartakiade? Muttiheft? Für Menschen aus der DDR kein Problem, aber alle anderen können nur raten.

Besonders viele Menschen tummeln sich in der Plattenbauwohnung des Museums, in die man durch einen ruckeligen Fahrstuhl gelangt, der natürlich nur Attrappe und reichlich überdimensioniert ist, aber trotzdem eine sehr perfekte Illusion erzeugt.

Die Wohnung besteht aus Kinder- und Schlafzimmer, Küche mit Durchreiche, Stube und Bad. So ziemlich alle Türen und Schubladen lassen sich öffnen; vom Lichtschalter über Fenster und Wasserhähne bis hin zum Bodenbelag ist alles original, selbst der Sicherungskasten in der schmalen Küche.

Man entdeckt überall kleine Schätze, die Erinnerungen hervorrufen, beispielsweise die blassrosa Sprühdose im Spiegelschrank überm Badezimmer-Waschbecken: Action-Deo-Spray von Florena. Oder die Kaffeemaschine neben dem Herd – hatte jeder. Und warum? Weil’s nüscht anderes gab!

Das Wohnzimmer in der Museumswohnung: Schrankwand, Sofa, Tapete, Stehlampe – alles original DDR.
Das Wohnzimmer in der Museumswohnung: Schrankwand, Sofa, Tapete, Stehlampe – alles original DDR.DDR Museum

Im Elternschlafzimmer werden Infos und Zahlen auf die Bettdecke projiziert: Wann hatten Jugendliche in Ost und West ihr erstes Mal? Und es stellt sich heraus, dass die Unterschiede so groß gar nicht waren.

Die Klamotten, die im Schrank gegenüber hängen, kann man digital anprobieren. Indem man sie nämlich auf eine bestimmte Stelle der Stange schiebt und sich vor den Spiegel daneben stellt, bekommt man das Kleidungsstück virtuell angezogen.

Eine spezielle Technik projiziert die Klamotte – Kittelschürze, Jeansjacke, Blazer – auf den Spiegel, sodass es aussieht, als würde man die ausgewählten Sachen tatsächlich tragen. Die eigene Kleidung ist im Zauberspiegel nicht sichtbar.

Von den Fenstern aus hat man einen Blick auf die umliegenden Plattenbauten, die nur virtuell sind, aber dem Ganzen etwas sehr Echtes verleihen. Der Blick geht quasi nach unten, wo Menschen spazieren gehen, wenige Autos zu sehen sind, im Hausaufgang gegenüber flackert das Flurlicht. Und an einer Stelle schwebt ein riesiger Kopf von Karl Marx durch die Gegend. Na sowas.

Überall in der Wohnung – und im gesamten Museum – findet man Zahlen, Fakten und kurze Beschreibungen zum Leben in der DDR. Kleine Lese-Häppchen, die das Gesehene einordnen und strukturieren.

Stasi, Mauer, Verhöre

Privatleben war in der DDR ein ziemlich heikles Thema. Immer musste man auf der Hut sein, ob nicht doch die beste Freundin bei der Stasi petzt oder man gar abgehört wird. Diesem Komplex, der allgegenwärtigen Bewachung und Beobachtung, trägt das DDR-Museum an verschiedenen Stellen Rechnung.

So befindet sich direkt am Eingang ein großes 3D-Modell vom Mauerstreifen. Zu sehen sind Wachturm, Stacheldraht, Hinterlandmauer, Scheinwerfer, Todesstreifen – und Menschen, die im Westteil scheinbar unbekümmert an der Mauer entlanglaufen.

Es gibt zudem im hinteren Museumsteil einen Verhörraum, bei dem man der Befragung lauschen kann, indem man die Ellenbogen auf zwei Gummirundungen drückt und die Hände an die Ohren hält – eine spannende Technik, die es in ähnlicher Form auch im Naturkundemuseum gibt, die jedoch hier, in dieser Situation eine merkwürdige Intimität und Beklommenheit aufkommen lässt.

Direkt nebenan befindet sich eine Gefängniszelle, die es bereits vor dem Wasserschaden gab. Es ist ein beklemmend kleiner Raum, durch das nur spärlich Licht dringt. Denn ein Fenster gibt es nicht, lediglich dicke Glasbausteine – nicht unüblich für DDR-Zellen. Bett mit der klassisch blau-gelb gestreiften Matratze, Hocker, Waschbecken, Toilette. Viel mehr gibt es in dem kargen Raum nicht und man bekommt eine Vorstellung davon, wie wahnsinnig einen der Aufenthalt hier gemacht haben muss.

Auch direkt an die Musterwohnung angrenzend ist die Überwachung präsent: Rechts neben dem Fahrstuhl wurde ein Abhörraum eingerichtet. Mit Kassettenrekordern, Kopfhörern und Massen von anderem technischen Equipment. Man erkennt, wie enorm der Aufwand gewesen sein muss, um nur eine einzige Familie zu überwachen; eine ebenso faszinierende wie gruslige Szenerie. Fast schon automatisch fühlt man sich an „Das Leben der Anderen“ erinnert.

Ist das DDR-Museum auch für Kinder geeignet?

Das DDR-Museum versteht sich selbst als Familienmuseum und ist für Kinder ab dem Grundschulalter geeignet. Auch wenn sie die Einordnungen und den Sinn der Sammlung noch nicht (gänzlich) verstehen, so haben Kinder doch Freude an den vielen interaktiven Elementen.

An einer Stelle beispielsweise kann man sich an einem Touchscreen einen „sozialistischen Menschen basteln“ und muss per Klick aussuchen, welche Frisur und Kleidung er oder sie tragen soll. Pumps oder Gummistiefel, Zylinder oder Helm, Hermann Hesse oder Karl May? Für Kinder ist es ein witziges Spiel, als Erwachsene(r) lernt man viel über Ideologie und Anpassung.

Auch nett gemacht: Am Schreibtisch eines Polit-Funktionärs ist ein Touchscreen in Holzoptik eingelassen, auf dem sich alltägliche Gegenstände befinden: Stempel, Juwel-Zigaretten, Locher. Diesen (beweglichen) Gegenständen sind so etwas wie virtuelle Anhänger angeheftet. Klickt man die an, liest und lernt man beispielsweise etwas zum Parteiaufbau oder zur Bezirksstruktur. Das ist sehr plastisch und verständlich aufbereitet.

Am sogenannten Multitouch-Tisch kann man interaktiv etwas über die DDR lernen.
Am sogenannten Multitouch-Tisch kann man interaktiv etwas über die DDR lernen.DDR Museum

Ebenso sind die verschiedenen Telefonapparate mit Drehscheiben für Kinder total spannend – und unvorstellbar, dass früher mal so telefoniert wurde. Im DDR-Museum kommen sogar Stimmen aus den grauen schweren Hörern, stilecht auf Sächsisch.

Überhaupt gibt es im Museum so viele interaktive Elemente, dass Kindern nicht so schnell langweilig wird. Und für Eltern ist es total entspannend, nicht ständig sagen zu müssen: Fass das nicht an! Pass auf!

Denn das Anfassen ist ja ausdrückliches Konzept des DDR-Museums, sodass Kinder vor allem beim „Anprobieren“ der Kleidung in der Plattenbauwohnung Freude haben. Allerdings tut sich die Technik mit kleinen Menschen etwas schwer, was manchmal zu lustigen Zerrbildern und lauten Kinderlachern führt. Und was, wenn nicht Spaß an der Sache, wünscht man sich für seine Kinder bei einem Museumsbesuch?

Übrigens: Im Museumsshop gibt’s die verrücktesten Dinge, die man eigentlich nicht braucht, aber trotzdem haben will, beispielsweise einen Spüllappen mit dem Spruch „Bereich der vorbildlichen Ordnung, Sicherheit, Sauberkeit und Disziplin“ (3,95) oder einen „Held der Arbeit“-Zollstock (9,95 Euro). Natürlich kann man auch jede Menge Magneten mit DDR-typischen Motiven kaufen (1 Euro) sowie Neuauflagen von Buchklassikern wie „Alles Soljanka oder wie?“ (14,95 Euro).

DDR-Museum. Vera-Brittain-Ufer/Karl-Liebknecht-Str. 1, 10178 Berlin-Mitte. Öffnungszeiten: Täglich von 9 bis 21 Uhr. Eintritt: Erwachsene 13,50 Euro, ermäßigt 8 Euro, Kinder bis 6 Jahren haben freien Eintritt.